Review: Flo Bauer – Leise Töne



  • 01. Leise Töne feat. Begavi
    02. On/Off
    03. Weitergehn
    feat. Jesper Jürgens
    04. Flieg mit mir hoch feat. Begavi
    05. Funktionieren wie Maschinen
    06. Paris
    07. Kopf verdreht
    feat. Begavi
    08. Ungeschminkt feat. Begavi
    09. Du machst die Welt bunt feat. Begavi
    10. Schön
    11. Komm in meine Welt
    12. Wenn uns der Wind


    Bonus-Tracks:
    13. Süchtig feat. Begavi
    14. Von Mensch zu Mensch – die Reise feat. Begavi


    Sich als alteingesessener Musiker zwischen den überall neu auftauchenden Talenten noch hervorzutun, fällt heutzutage ziemlich schwer. Mit Bo Flower blühte aber bereits vor über zehn Jahren eine Blume auf, deren Name auch heute noch bekannt sein dürfte. Immerhin hat er 2001 bereits das Splash! eröffnen dürfen – damals noch mit der HipHop-Formation Aufnahmezustand. Selbst außerhalb der Musik hat er durch sein soziales Engagement schon des Öfteren auf sich aufmerksam gemacht und ist beispielsweise unter dem Motto "Von Mensch zu Mensch" viel in Sachen Organspende unterwegs. Außerdem war er Mitbegründer eines Labels names Schmuf Hamburg, welches aber nach einigen releasten Samplern und Bos zweitem Soloalbum bereits 2008 wieder aufgelöst wurde. Inzwischen hat der Mittdreißiger seinen Künstlernamen abgelegt und bringt unter seinem bürgerlichen Namen sein mittlerweile viertes Soloalbum heraus. Doch regen nach seiner so vielseitigen Musik-Karriere auch "leise Töne" zum Zuhören an oder überhört man sie schnell?


    Bereits der titelgebende Track begrüßt uns mit seichten Klaviertönen im Hintergrund, welche von einer sanften Stimme besungen werden. Die dann einsetzende Hook zeigt direkt, was uns mit Flo Bauer erwartet: Auf den immerhin 14 Tracks regt er viel zum Nachdenken an, blickt zurück auf sein eigenes Leben und auf unsere Gesellschaft. Dabei geht es meist um seine eigenen sowie die allgemein herrschenden Konflikte und Probleme, statt um die sonst so heile Welt. Wie auch in seinem letzten Release klingen derlei persönliche Thematiken nach sehr viel Gefühl, aber eben das macht Flo aus. Zudem weiß er, wie man etwas sonst eher Pathetisches trotzdem überzeugend an den Hörer heranbringt.


    "Manchmal sind es Zeichen und nicht die Worte, die uns reichen/
    Um 'nen Streit auszulösen und ihn wieder zu beseitigen/
    Sanfte Töne wecken Gefühle, treffen ins Herz/
    Oft war ein 'Ich liebe dich' gar nix wert/
    "
    (Flo Bauer auf "Leise Töne")


    Mit "On/Off" wird es dann im Vergleich zu den vorherigen "leisen Tönen" zunehmend lauter. Der Interpret beleuchtet darin, wie sehr wir doch von den technischen Geräten abhängig sind oder gar von ihnen unterworfen werden. Aber gleichzeitig beschreibt er auch näher, wie er sich vom MacBook trennt und "ausbricht aus seinem eigenen Gefängnis" (Flo Bauer auf "On/Off"). Dabei wird der Inhalt musikalisch sehr interessant umgesetzt, denn sowohl in eben genanntem als auch in dem Track "Funktionieren wie Maschinen" wird ab und an die Stimme sehr passend zum Thema elektronisch verzerrt. Dem ein oder anderen mag das beim Hören vielleicht nicht unbedingt zusagen, doch in meinen Ohren ist das etwas, was zwar nicht neu ist, aber heutzutage selten so gut eingesetzt wird. Denn hier ist die Stimmverzerrung definitiv ansprechend und innovativ. Doch selbst ohne elektronische Hilfsmittel weiß der Künstler seine Gefühle mit seiner Stimme ansprechend in Szene zu setzen. Ob er uns auf einem ruhigen Beat fast schon "erzählt", "wie diese Welt denn so ist" (Flo Bauer auf "Schön"), oder gar sehnsüchtig klingend von "Paris" berichtet: Man merkt einfach, dass da Emotionen mit drinstecken, wenn er rappt. Die Vielfalt der Inhalte ist nicht sonderlich groß, aber dadurch weist das Hin- und Herspringen zwischen Gesellschaftsproblemen und Selbstkritik keine größeren Lücken auf. Im Endeffekt liegt der Fokus hauptsächlich auf dem Interpreten selbst und dessen Gefühlswelt, doch das ist auch gut so. Auf Tracks wie "Ungeschminkt" oder "Funktionieren wie Maschinen" prangert Herr Bauer zwar einiges an, scheint aber dann nicht so ganz auf den Punkt zu kommen. So fehlt einem unter anderem das gewisse Finale nach dem Aufzählen der Ähnlichkeiten der Menschheit zu den von uns so viel genutzten Maschinen. Daher ist es ganz gut, wenn solche Stücke nur einen Bruchteil des Gesamtwerks ausmachen. Die selbstkritischen Tracks wirken zwar an einzelnen Stellen dann doch etwas zu überspitzt und teils plumpe Lines wie "Heute haut mir das Leben jeden Tag auf die Fresse, als wär' ich ein Boxer" (Flo Bauer auf "Flieg mit mir hoch") hätte man sich sparen können. Aber durch solche kleinen "Ausrutscher" wird das sonst doch angehme, teils anspruchsvolle lyrische Niveau nur minimal geschmälert.


    "Wir merken: Es ist richtig, was die Kinder sich so fragen/
    Wir haben verlernt, uns zu wundern, gelernt, alles zu ertragen/
    Und 'ne Welt gebaut, die uns arm und depressiv macht/
    Der Schlüssel ist weg und das Glück liegt im Schließfach/
    "
    (Flo Bauer auf "Ungeschminkt")


    Von der Vertonung her hat sich Bo Flower früher meist Unterstützung von anderen Produzenten geholt. Doch mit der Aufgabe seines Künstlernamens wurde auch die Hilfe von anderen zu großen Teilen abgelegt – denn dieses Album wurde komplett von ihm selbst produziert. So wird durch den größtenteils klavierlastigen Klangteppich nicht nur die ganze Lied-Palette zusammengehalten, sondern harmoniert auch wunderbar mit dem Interpreten. Hierbei wird fast ausschließlich mit melancholischen Melodien gearbeitet, welche dafür aber in den Hooks meist stark an Fahrt aufnehmen. Das wirkt teils etwas eintönig, aber gerade die immer wieder stimmungsvoll umgesetzten Hooks stimmen mich dann doch wieder zufrieden und animieren zum Weiterhören. Abwechslung in dieser teils eher düsteren Stimmung schafft der alteingesessene Produzent zudem durch interessante Samples wie in "Paris", Saxophon-Klänge oder manchmal sogar party-ähnliche Beats, die "süchtig" machen. Selbst Synthesizer-Sounds oder teilweise schon an Dubstep erinnernde Klänge und schnelle Kickdrums bleiben nicht aus, um den ein oder anderen Song zu untermalen. Alles in allem rundet Flo Bauer sein Release selbst sehr passend ab.


    "Von Mensch zu Mensch/
    Ich schau' nach vorne und blick' zurück/
    Es geht um Angst und es geht um Glück/
    Auf der Reise Deines Lebens/
    Von Mensch zu Mensch/
    "
    (Begavi auf "Von Mensch zu Mensch")


    Doch nicht nur bei der Produktion und der visuellen Umsetzung der Singleauskopplungen wurde diesmal auf das direkte Mitwirken weiterer Artists größtenteils verzichtet. Selbst Feature-technisch sind gerade mal zwei weitere Künstler vertreten. Neben "Voice of Germany"-Teilnehmer Jesper Jürgens, der auf "Weitergehn" zu hören ist, gibt es nur noch den bis dato eher weniger bekannten Begavi als Unterstützung auf dem Album. Besagter Begavi ist dafür aber auf fast der Hälfte des Albums präsent, um dermaßen einprägsame Refrains zwischen den Parts zu singen, dass einen die meisten nur schwer wieder aus dem Kopf gehen. Damit stiehlt er meines Erachtens dem eigentlichen Namensgeber der Scheibe leider beinahe die Show und verdient eigentlich ebenso eine Nennung auf dem Cover. Glücklicherweise hält sich Flo Hook-technisch nicht völlig zurück, sondern beweist zum Beispiel auf "Komm in meine Welt", dass er noch zu ebenso starken Ohrwürmern fähig ist. Zumal spätestens in den Parts klar wird, dass er vor allem raptechnisch immer noch sehr überzeugen kann. Gerade durch dieses Zusammenspiel von Gesang und Rap wird das Album zu einem Release, von dem man das Meiste durchaus auch im Radio spielen könnte. Gleichzeitig stellt sich Flo Bauer damit aber auch ein Bein, denn die fast immer gesungenen Refrains erinnern stark an aktuelle Pop-Songs, die sonst tagtäglich rauf und runter gespielt werden.


    Fazit:
    Im Endeffekt wirkt das Release wirklich wie aus einem Guss und man bemerkt den starken Hang zur Perfektion. Leider ist es auch das, was man dem Künstler nahelegen muss: Ein wirklicher Ausbruch aus dem alten und durchaus bekannten Schema bleibt leider größtenteils aus. Es wird zu sehr auf dem, was bereits gut war, beharrt. Nur hier und da versucht man mit der Roboter-Nachahmung oder den bei anderen Rappern so verschmähten Piano-Beats mal etwas anderes und setzt es um einiges besser als andere um. Aber etwas richtig Bahnbrechendes fehlt mir beim Hören. Im Gegenteil, man nähert sich teilweise so sehr dem ausgelutschten Pop-Genre, wodurch fast ein wenig verloren geht, dass es sich eigentlich um ein Rap-Release handelt. Wäre da nicht der Flow, mit dem Flo seine Rapparts auf den Beat zimmert. Den ganz großen Erfolg im Rap-Business wird er mit seinem neuen Release also vermutlich nicht einfahren. Muss er aber auch nicht, denn auch "leise Töne", vorgetragen von einer beruhigenden Stimme, finden immerhin bei vielen alten Fans weiterhin Anklang und animieren außerdem zum Wiederhören. Und vielleicht hören wir ja demnächst sogar beim Frühstück im Radio, wie ein junger Hamburger "von Mensch zu Mensch" zieht ...



    Lukas Päckert (FlatDieter)

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