Special: Kurz-Reviews März 2014 (Teil 2)

  • Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    AMG – Am meisten gehasst


    Während Rapper für gewöhnlich dahingehend orientiert sind, eine möglichst positive Resonanz von einer möglichst großen Anzahl an Fans zu erhalten, gehen vier Herren aus Südwestfalen nun den entgegengesetzten Weg und bezeichnen sich selbst als "am meisten gehasst". Inwieweit diese Selbstbetitelung zutrifft, können "AMG", bestehend aus B.E. dem Micathleten, Najeeb, DNM und Isy, eventuell mit der gleichnamigen EP beweisen, welche sie nun zum kostenlosen Download anbieten. Nachdem sie 2003 erstmals als Support von Eko Fresh in Siegen auftraten, ist dies das erste musikalische Lebenszeichen des Quartetts, dessen Sound vollständig vom Hamburger Producerteam The Beatbakerz stammt. Zu hören gibt es auf "Am meisten gehasst" vor allem synthiebasierende Beats mit dumpfem Bass, teils relativ simpel und unauffällig, teils geradezu nervig quäkend, während die vier Rapper sich vor allem auf Representerinhalt mit Hang zum Straßenrap konzentrieren. Ihre unterschiedlichen Flows und Stimmlagen bringen in die einzelnen Tracks eine – durchaus nötige – klangliche Vielfalt, die von dem thematisch teilweise etwas monotonen Inhalt ablenkt, welcher sich aus fehlender textlicher Individualität der Einzelkünstler ergibt. Tatsächlich gelingt es keinem der Rapper wirklich, sich anhand der eigenen Strophen von den drei anderen Crewmitgliedern abzuheben beziehungsweise zu unterscheiden. Auf der einen Seite mag dies zwar die Symbiose der Gruppe fördern, auf der anderen Seite mangelt es spürbar an Kontrasten, die bei einer Gruppe dieser Größe wünschenswert wären. Nichtsdestotrotz zeigen sich AMG experimentierfreudig und kreativ, wenn sie sich allesamt als "David Copperfield" bezeichnen und dabei einige völlig absurde, jedoch äußerst unterhaltsame Zeilen zum Besten geben, als "Zodiac"-Killer Horroratmosphäre mit Humor kombinieren oder auf "Crocky" in Clubsound-Ebenen abtauchen. Ob das Prädikat "Am meisten gehasst" so ganz verdient ist, mag sich durch die EP der vier Jungs nicht unbedingt klären, doch großmäulige Punches mit einer ordentlichen Prise Humor und Spaß am eigenen Sound lassen auf zukünftige – dann vielleicht etwas ausgefeiltere – Werke hoffen.





    Freshmaker – Checkpoint


    Das raptechnische Geschick eines Künstlers kann noch so gut sein. Wirklich abgerundet kann ein Track meist erst durch einen passenden Beat werden, sodass man in vielen Fällen durchaus sagen kann: Ein gelungenes Lied ist mindestens zur Hälfte auch Verdienst des jeweiligen Produzenten. Je vielfältiger und facettenreicher das Soundbild eines Producers, desto größer ist logischerweise auch seine Klientel und desto höher auch die Reichweite an Hörern und Fans, welche der entsprechende Rapper für sich gewinnen kann. Die Referenzliste des gebürtigen Kroaten Freshmaker scheint geradezu endlos und reicht von Animus und Automatikk bis zu Timeless und Toni der Assi, sodass seine Beats mittlerweile national sowie international weit verbreitet und auf diversen Releases vertreten sind. Mit "Checkpoint" veröffentlicht der im Westen Wiens lebende Künstler ein eigenes Produceralbum, das ebenso vollgepackt mit diversen Größen der Rapszene ist. Stellenweise liest sich die Tracklist samt Künstlern wie ein kleines "Who is who" der deutschen Rapszene und gewährt einen groben Überblick über Freshmakers bisherige Arbeiten. Auch wenn nicht jeder vertretene Rapper überzeugen kann, beinhaltet "Checkpoint" neben einer gewaltigen Themenvielfalt ein enorm großes Klangspektrum, sodass, wenn auch nicht immer raptechnisch, in jedem Fall soundtechnisch Hörgenuss garantiert ist. Neben Beatbrettern mit beißendem Synthiesound und harten Drums beweist der Freshmaker auch Geschick, wenn es um sanfte, ruhige Töne geht und bietet damit eine ebenso passende Atmosphäre für angriffslustige Representertitel wie "Alles im Griff" von Blut&Kasse und Pedaz, wie auch für nachdenkliche Thementracks wie "Kamera" von Wenzel Washington und Average aus Linz. Insbesondere Fans von hartem Straßensound dürften bei diesem Release auf ihre Kosten kommen, aber auch für jeden anderen ist sicherlich der ein oder andere interessante Track, Beat oder Künstler dabei, den er sich nicht entgehen lassen sollte.





    King Keil – Luxusdampfer


    Es ist gerade mal einen Monat her, dass das zweite Album von Real Jay über GheddoBrillianteMusik erschien, schon legt Labelkollege King Keil mit "Luxusdampfer" nach. Während der aus Seligenstadt stammende Rapper selbst noch relativ unbekannt ist, sorgte die Featureliste seines Albums bereits im Vorfeld für Aufsehen, ist dort doch immerhin von Leuten wie Lakmann, Gregpipe, Rick Ross und Gucci Mane die Rede. Die Idee, welche hinter dem Album steckt, war es vor allem, den typischen Sound der '90er mit aktuellen Klängen zu vereinen und dementsprechend auch Vertreter aus der jeweiligen Ära zu präsentieren, was beim Blick auf die Featureliste wohl ganz gut geklappt hat. Die Beats sind klassisch gehalten, stark von Keils Oldschooleinflüssen geprägt und halten sich fern von Experimenten und Crossover-Versuchen, um einen strikten wie durchgehenden Klangteppich zu schaffen. Dennoch finden sich auch ruhige Titel wie "Glaub nicht alles" oder ein Hiddentrack, der fast schon Disco-ähnliche Züge mit '80er-Jahre-Feeling vereint, auf "Luxusdampfer" wieder, was einen Hauch von Facettenreichtum vermittelt. Den Großteil des Albums machen jedoch Representertracks und Keils Lieblingsthemen HipHop und Drogen aus, sodass es davon auf vielen Titeln in rauen Mengen zu hören gibt. Passend dazu bleibt das Tempo auf "Luxusdampfer" relativ entspannt und Keil selbst konzentriert sich auf einen langsamen Flow, welchen er durchaus passabel beherrscht, wenn auch eben nur auf einem durchschnittlichen Level. Die Mühen, hochkarätige Künstler auf seinem Album zu featuren, sind zu schätzen, jedoch verdeutlichen besonders begabte Rapper wie Gregpipe und Lakmann, dass King Keil selbst eben kein besonders großer Techniker ist, der zwar nicht schlecht oder mit vielen Fehlern behaftet, aber eben auch nicht herausragend gut rappt. So lebt "Luxusdampfer" in erster Linie tatsächlich von seinen Featuregästen und dem stellenweise vorhandenen internationalen Flair, während der eigentliche Künstler dahinter manchmal etwas zurückbleibt. Im Großen und Ganzen ist das Konzept des Albums dennoch aufgegangen und dürfte insbesondere den '90er-Jahre-HipHop-Fans durchaus gefallen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!