Review: Pewee – Her(t)z gegen Kommerz



  • 01. Intro
    02. Her(t)z gegen Kommerz
    03. Alles was du brauchst
    04. Laberflash
    05. Stress
    feat. Wyn Davies & Mio Mao
    06. Gnumagen Skit
    07. 10 Jahre
    feat. Tetra & Mio Mao
    08. Rap ist heute Karneval
    09. Outro


    Bonus-Track:
    10. Quintessenz RMX feat. Tetra


    Rap definiert sich in vielerlei Hinsicht über seinen Wettbewerbscharakter und gerade im Bereich des Battleraps steht das Kräftemessen zwischen verschiedenen MCs an der Tagesordnung. Wenn dieses "Competition-Ding" allerdings zunehmend außerhalb der Musik selbst stattfindet und zu Facebook- und Twittersticheleien, Videobotschaften und immer neuen Statements verkommt, wird es schwer, den einstigen Wettbewerbsgedanken dahinter zu sehen. Ihr Übriges tragen diverse HipHop-Magazine dann noch dazu bei, indem sie BILDeske Züge annehmen und durch ihre Berichterstattung Rapper in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten, die sich fast ausschließlich durch derlei kindischen Beef auszeichnen. Spätestens an diesem Punkt gilt es, sich zu fragen, wo genau die Ambitionen derartiger "Künstler" liegen. Geht es diesen Rappern tatsächlich noch um den HipHop-Lifestyle und ihre Musik oder liegt ihr Augenmerk doch ausschließlich auf Klickzahlen und dem schnöden Mammon? In Zeiten wie diesen ist es dann natürlich besonders erfreulich, wenn ein Werk den Titel "Her(t)z gegen Kommerz" trägt, so wie es beim neuen Tape von Pewee, Mitglied der SML-Gang wie Mio Mao, Flowsen und Winin65, der Fall ist. Doch könnte es sich dabei vielleicht nur um leere Worte handeln oder ist der gute Herr Plusdick wirklich ein Vertreter der Realness-Mentalität?


    "Niemand kann das, was ich mit Liebe anfass', anzweifeln/
    Ich bringe seit sieben Jahren brandheißen Style von meinem Schreibtisch/
    Ich brauch' keine tausend Fans, brauch' keine Frauen und Benz/
    Hauptsache, ich kann sagen: 'Ich hab' für mein' Traum gekämpft'/
    "
    (Pewee auf "Quintessenz RMX")


    Um die Frage gleich mal vom Tisch zu haben: Der Name der Platte ist hierbei zweifelsohne Programm. Wer Pewee kennt, weiß, dass der in Schwerin geborene Rapper für grundehrlichen, bodenständigen HipHop steht; alle anderen werden schnellstens durch das Tape überzeugt werden. Angefangen bei der Tatsache, dass Pewee "Her(t)z gegen Kommerz" zum Gratis-Download bereitstellt, aufgrund diverser Fananfragen aber auch ein kleines Kontingent gepresster Exemplare zum Verkauf anbietet, bis hin zum dreckigen Sound des Tapes, der ganz ohne künstlichen Firlefanz auskommt, ist hier alles echt. Das einleitende Rauschen und Knacken des von Stäsh Kimura produzierten "Intro"s führt uns hin zu schrillen Klängen, die irgendwo in den oberen Sphären schweben, harten Drums, die über den Boden scheppern, und den dazwischen tanzenden Cuts von Stoney Styles-Member DJ Matsimum. Insgesamt ist das Klangbild das Tapes sehr von hellen, leichten Elementen in Kombination mit hartem Boom bap geprägt, wofür sich der Hildesheimer Stäsh in sieben von zehn Fällen verantwortlich zeigt. So klimpert auch zwischen den dumpfen Drums des Titeltracks eine klare Melodie hindurch, wobei die Bestandteile des Beats in diesem Fall teilweise fast ein wenig gegeneinander zu kämpfen scheinen, anstatt zu harmonieren. An der ein oder anderen Stelle führt dies sogar dazu, dass Pewees Stimme leichte Probleme damit hat, gegen die Lautstärke des Beats anzukommen. Dennoch bleibt der Flow des Rappers kontinuierlich im Vordergrund des Geschehens, sodass dem Hörer keine der Zeilen entgeht, die vor allem von der Liebe zur Musik, dem Oldschoolfeeling und der zugerauchten Booth handeln. Natürlich fehlt auch eine ordentliche Portion Battlerap nicht und speziell auf dem "Gnumagen Skit" feuert Pewee gegen alles und jeden. Während Harfenklänge wirr durch die Gegend schwirren, lässt der Rapper kein gutes Haar an dir, deiner Freundin, deinem Zeug, der Polizei, jedem Wack-MC und all jenen, die – wenn überhaupt – nur verfälschten HipHop-Idealen nacheifern. Gerade die letzten beiden Parteien bekommen auf "Her(t)z gegen Kommerz" ihr Fett weg und mit "Rap ist heute Karneval" auch gleich einen eigenen Track gewidmet. Während der Inhalt hier geradezu exemplarisch für das Gesamtwerk steht und die Werte der Rapmusik gegen Mainstream-Sklaven und peinliche Promobeefs verteidigt werden, unterscheidet sich das Klangbild leicht vom Rest des Tapes. Wesentlich melodiöser, weniger roh und dreckig lässt Benaistic Beats, Producer aus der Nähe von Leipzig, den recht schrillen Beat entfalten, bevor Pewee kraftvoll und erbarmungslos darauf losflowt.


    "Keine Diven, keine Hoes, lieber kick' ich 24/7 Flows/
    Das Loch in meinem Magen war noch nie so groß/
    Meinen Hunger stillt kein Kaviar, da ess' ich lieber Zwiebelbrot/
    Rap ist heute Karneval, ich geh' als 'übertrieben dope'/
    "
    (Pewee auf "Rap ist heute Karneval")


    Auch wenn der Sound des Tapes insgesamt sehr rough gehalten ist, lassen sich ein paar melodischere Ausnahmen finden. So profitiert "Stress" beispielsweise neben dem Gastpart von SML-Kollege Mio Mao besonders von Wyn Davies und dessen Gesang. Dem in Frankfurt geborenen und jetzt in Berlin lebenden Künstler hört man die in Kalifornien verbrachten Jahre deutlich an, sodass die melodiöse Hook keinen Schaden durch fragwürdige, englische Aussprache nimmt, sondern absolut natürlich klingt. "Stress" handelt vor allem von der Gegenwart und der aktuellen Situation der jeweiligen Künstler, während an anderer Stelle "10 Jahre" in die Zukunft geblickt wird. Auch hier wird Pewee von Mio Mao unterstützt, Dritter im Bunde ist diesmal allerdings Tetra, der gemeinsam mit Stäsh Kimura das Duo Contact Dope bildet. Jene, die Pewee nicht bereits mit "Laberflash" und seinem variationsreichen Flow auf einem wunderschön jazzigen Boom bap-Beat davon überzeugen konnte, dass er oldschooligen Untergrundrap im Blut hat und das, was er tut, ernst meint, kriegt spätestens jetzt die Bestätigung geliefert. Keiner der drei Künstler lässt die geringsten Zweifel daran, dass HipHop kein Lebensstil ist, aus dem man herauswächst oder den man einfach ablegt, sondern eine Mentalität, die bestehen bleibt und ihnen weit mehr gibt, als jeglicher kommerzieller Erfolg dies je tun könnte. Auch hier besteht Stäshs Beitrag aus einer Symbiose zwischen schepperndem Boom bap und einer sphärischen Melodie, die dem Ganzen einen äußerst entspannten Grundton verleiht, ohne dem Rap selbst seine Energie zu nehmen. Das "Outro" des Tapes ist noch einmal ein ganz besonderes Schmuckstück, bei dem Stäsh Kimura mit dem Duo Hubert & Mehmet aus Hildesheim zusammenarbeitet. Die Mischung aus MPC-Sampling und Pianoelementen liefert einen dermaßen angenehmen, warmen Klangteppich, dass man sich geradezu darin verliert, durch die knallenden Drums aber wieder ins Hier und Jetzt gedonnert wird. Der Bonustrack, ein Remix des Pewee-Tetra-Tracks "Quintessenz", wird nach diesem Abschluss fast nicht mehr benötigt, ist nichtsdestotrotz aber ein netter Zusatz und ein straighter HipHop-Titel zum Ende.


    Fazit:
    "Her(t)z gegen Kommerz" ist genau das, was der Titel verspricht: Liebe zur Musik gegen alles, was aus der Musik ein reines Geschäft macht. Ehrlicher, bodenständiger HipHop gegen kindische Beefgeschichten und peinliche Promomoves. Rap, der ganz ohne Spielereien auskommt, auf Beats, die schlicht, aber großartig zu hören sind. Während in vielen Fällen mittlerweile recht gedankenlos mit Begriffen wie "EP" oder "Mixtape" umgegangen wird und sich dahinter oft nur aneinandergereihte, fertige Titel befinden, die anders nicht verwertet werden konnten und die dann einfach mit derartigen Bezeichnungen versehen werden, besitzt Pewees Tape einen fast schon rohen, unfertigen Charme. An einigen Stellen hören und fühlen sich die Tracks an, als wären sie einfach aus irgendwann angefangenen Textskizzen zusammengeklöppelt worden oder der Beat spontan bei einer kleinen Jamsession entstanden. Diesem spontanen Charakter verzeiht man dann auch eine etwas beschränkte Themenvielfalt zugunsten eines Untergrundfeelings, das einfach nicht künstlich erzwungen werden kann.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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  • Zitat

    Original von Hipster :)
    Ich liebe es. Habs schon als Freedownload, wills mir abe noch richtig kaufen


    Kann ich nur empfehlen :) Denn auch wenn ich nicht sagen kann, woran genau es liegt, aber gedruckt sieht das Cover noch mal viel genialer aus.

  • Zitat

    Original von Sanchyes
    Sehr gutes Tape, gerade "Rap ist heute Karneval" und "Stress".


    :thumbup:


    Genau das dachte ich mir auch! :)
    Schöne Beats drauf.

    ICH BIN EIN VORBILD UND TRENNE MEINEN ABFALL, FLASCHEN SCHMEIß ICH IN DEN SEE UND PLASTIK IN DEN WALD. UND ALL DEN ALK SAUF ICH NUR DAMIT ICH BALD EIN PAAR PROBLEME HAB DIE ANDERE MIT MIR TEILEN

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