Kurzgeschichten-Wettbewerb

  • Zitat

    Original von Nereid


    sechsminus weint bitterlichst! Du hast es geschafft! ;(


    Wollte eigentlich gar nicht auf die "aus 11 mach 10"-Aktion raus, aber das wäre natürlich auch ein Gegenargument :D

    nach intensiver Selbstbeobachtung glaube ich außerdem, dass ich schwul oder zumindest bi bin



    khabas therapieren mein mobile phone

  • Mein Name ist Jean. So nennt mich zumindest das gemeine Volk. Die Arbeiter, Zigeuner und Scharlatane dieses Viertels. Mir dünkt, sie wissen nicht um den Wert meiner Kunst und treffen mich ihre Blicke, wird es zur todtraurigen Gewissheit. Wäre in ihnen nur Leere zu sehen, bestünde womöglich sogar die Möglichkeit, diese zu füllen. Es ist jedoch eine überbordende Gleichgültigkeit, welche von der Iris bis zur Retina regiert und, wie mir scheint, bereits mit der Übernahme der Lider liebäugelt. Nicht verwunderlich also, dass das Schwarzsehen beinahe schon zum guten Ton gehört.
    Wie Sie bereits bemerkt haben, neige ich zu ausschweifenden Gedanken, welche selten ein Ziel und niemals einen Weg verfolgen. Entschuldigen Sie diese Eigenschaft, auch wenn ich, um ehrlich zu sein, ein wenig stolz darauf bin. Nun denn, zurück zur Geschichte.
    Dann und wann ruft man mich also Jean. Zumeist, wenn man mich bitten möchte, ein Gemälde anzufertigen. Unentgeltlich natürlich, denn wenige könnten mehr als zwei Silbermünzen für ein Kunstwerk ihrer Selbst bieten und ich weigere mich, selbst die jämmerlichste Gestalt für ein Selbstbildnis feilschen zu lassen. Folglich ist die Auftragslage gleich den Tableaus ausgezeichnet. Bauern bezahlen mich mit hartem Brot und saurer Milch, Zigeuner mit Perlen aus Katzengold und Bettler mit ihrer Aufmerksamkeit. Letztere besteht zwar zumeist darin, ihre skorbutzerfressenen Zähne zu zeigen und in unverständlichem Kauderwelsch zu sprechen, doch besser als nichts. Wobei, eigentlich würde ich nichts doch bevorzugen. Sei es drum, ich nehme es , wie es ist und verewige die Menschen auf der Leinwand. Seit ich fünfzehn bin, mache ich das nun schon und mit 30 merkte ich, wie jedes weitere Gemälde mir ein Stück meiner eigenen Identität raubte. Vielleicht war es der Umstand, dass ich einige aus dem Viertel über die Jahre immer wieder zeichnete. So etwa Baptist. Baptist stand mir fünf Mal Modell. Die erste Zeichnung eine Skizze, und Baptist ein Mann im besten Alter mit Frau und zwei Kindern. Die zweite Zeichnung auf Stoff, und Baptist mit den Augen eines Mannes, dessen Jugend ihm gerade durch die Finger rinnt. Die dritte Zeichnung auf hochwertigem Leinen, und Baptist in Gedanken bei seiner dahinsiechenden Frau. Die vierte Zeichnung ebenso auf Leinen, und Baptist mit schwarzen Pestbeulen am Hals. Die fünfte und letzte Zeichnung, doch das Motiv niemals fertiggestellt. Baptist erlag der Pest und was blieb, waren die Umrisse einer Iris auf der Leinwand.
    Meine Wenigkeit denkt noch heute an Baptist und seine Art, Gedanken auszudrücken. Gewiss, er war kein Mann großer Worte, doch er verstand es wie kein Zweiter, den kleinen Worten Bedeutung beizumessen. Einmal fragte ich ihn, was er sich unter Freiheit vorstelle. Er meinte, Freiheit bedeute, mit dem Gefühl zu sterben, das Leben mit einer Kunst vergeudet zu haben. Seine Kunst war es, Bücher für den königlichen Hof zu falzen. Die Kunst des gemeinen Volkes war es, zu überleben. Meine Kunst war die Kunst selbst. Natürlich war ich nie sonderlich erfolgreich damit und ich werde ob meiner Motive und der mangelhaften Materialien wohl auch für die Nachwelt keine Bedeutung haben. Dennoch stand damals, als Baptist Freiheit für sich definierte, fest, wie mein Dasein enden würde.
    Heute bin ich 39 und denke wieder daran. Heute ist es wohl an der Zeit. Ich sitze hier, meinen kümmerlichen Rest an Zeichenutensilien vor mir drapiert, und werfe einen Blick in den Spiegel. Alt, verstaubt und am Ende angekommen. Wäre ich ein wenig selbstverliebter, würde ich es auf den Spiegel schieben. Doch wenn ich selbstverliebter wäre, würde ich auch nicht tun, was ich nun tue. Ich greife zum Rasiermesser und setze es am linken Handballen an. Ein kleiner Schnitt und das Blut bahnt sich seinen Weg in die Freiheit. Mein Pinsel bahnt sich seinen Weg in das Fleisch. Blutrot. Tiefrot. Abendrot.
    Nun ist es also soweit und ich ziehe die erste Linie auf dem weißen Pergament. Die Lippen nehmen Formen an, bilden allmählich Konturen und scheinen lebendig zu werden. Meine echten Lippen werden blass. Nun folgen Haare und Ohren. Danach Nase und Bart. Schließlich folgen die Augen. Ich spüre Schwindel und blicke an mir herab. Meine Kleidung, die Pinsel und die Leinwand: Alles gemahnt an ein Schlachtfest.
    Und dann nimmt die Schwärze überhand. Meine verzweifelten Versuche, die Iris auf der Leinwand zu verewigen, scheitern und ich sinke in den Staub. Der Pinsel fällt. Ich werfe einen letzten Blick auf mich und frage mich, ob Baptist Recht hatte.

  • Geschichte ausser Konkurrenz,weil mir danach war.ma gucken,ob der ein oder andre,das ein oder andre herauspicken kann




    In einem kleinen Land namens Bavaria haben die Menschen nicht mehr die Freiheit auf die Strasse zu gehen,da trotz der hohen Mauern immer wieder Überfälle von ausserhalb gelingen.
    Daher ist nun ein neuer im Lande,der den Auftrag bekommen hat,die Tore zu überwachen und zu verhinden,dass Gauner aus den Umlanden hineingelangen.
    Er ist gross und hat starke Arme.Sie sind dick wie Raeder.
    An diesem Abend sitzt er in der beliebten Alah-Bar,die einem eingewanderten,islamgläubigen Afrikaner gehört.
    Er braucht Koffein um für die Nacht gewappnet zu sein."Habt ihr Kaffe?" "Nein,tut mir leid der Herr." "Gut,dann Tee!" "Kommt sofort!"
    Neben ihm sitzt ein gewichtig aussehender Geschäftsmann und spricht in schlechtem englisch in sein Handy:"I make no fun,buy ten!"
    Der Wirt,der ihn zu kennen scheint,sagt:"Boa,Teng,sei doch mal etwas leiser bitte!
    Oder willst du,dass ich dir eine batsch?Du Bär?"
    "Ok,raff i nja,die ham eh koan ten do!"war die Antwort des eindeutig einheimischen Buisnessmannes.
    Weiter hinten sitzt ne Mutter mit ihrem Sohn:"Martin,ess,des geht viel zu lahm.Wir haben nicht so viel Zeit." "Tja,go!" antwortet der kleine Frechdachs.Hat sich wohl auch ein wenig schlechtes englisch durch zuhören des Telefonats angeeignet.
    Das kleine Schwein,steigert sich jetzt so richtig rein und wirft sich auf den Boden,um sogleich durch die ganze Bar zu robben.An diesem Anblick ergötzen sich natürlich alle Anwesenden.Nach einiger Zeit ist er dann endlich erschöpft und setzt sich wieder hin.Die Mutter schüttelt nur mit dem Kopf,schaut den kleinen Jacques irritiert an,so ist sein Name und sagt:"wie der Vater..."
    Dem neuen reichts,hier scheinen alle zu spinnen.Er trinkt aus und geht.Kaum verlässt er das Lokal steht ihm ein kleiner komischer Kauz gegenüber."Hi,mein Name is Ry.....Berry,höhö.Du bist neu hier,wa?"Er packt den kleinen und wirft ihn auf einen Heuberg."Nerv mich nicht!" "Du bist scheinbar kein weisser Mann,ich bin hier der Müller.Von mir bekommst du gar nix,das haste jetzt davon."
    "Man,zu kitschig,lass dir was besseres einfallen.Sei froh,dass ich dich nicht blau und green schlag.Mist,jetzt fang ich schon an wie der Spacken in der Bar."
    Und dann geht er weiter.Er bleibt kurz stehen um zu pinkeln.Während er die Gegend so einweiht,raucht er erst mal eine."So und jetzt geh ich und ess ne Pizza roh."


    und die moral von der geschicht:man hat die freiheit zu schreiben,egal ob sinnvoll oder nicht

  • Zitat

    Original von Syndrom82
    und die moral von der geschicht:man hat die freiheit zu schreiben,egal ob sinnvoll oder nicht


    a laber doch nicht! wo sammer denn hier?

  • Das ist also Freiheit. Felicia konnte nach Jahren der gefühlten Gefangenschaft endlich das Haus ihrer Großeltern verlassen, sie war 18 und hatte somit rechtmäßig Anspruch auf das Erbe ihrer Eltern. Zu dem Erbe gehörte auch ihr Elternhaus und sie wollte sofort dort einziehen. Doch seit Jahren hatte sie dieses Bild im Kopf, das Flugzeug, dort hat sie nie wieder ein Flugzeug gesehen. Sie konnte sich nur vorstellen, was ihre Eltern in diesem Moment gedacht haben. Sie stellte sich gerne vor, dass ihr Eltern in dem letzten Moment ihres Lebens an ihre Tochter dachten.
    Nun da Felicia am Abend alleine zuhause war fühlte sie sich frei wie lange nicht mehr, endlich gab es ein anderes Fernsehprogramm und etwas anderes zum Abendbrot. Sie dachte wirklich sie sei frei.
    Die komplette Nacht lag Felicia wach, jetzt wo sie zuhause war dachte sie so oft an ihre Eltern wie schon lange nicht mehr, die Gedanken ließen sie nicht einschlafen.
    Sie lag da und fragte sich was sie in ihrem Leben falsch gemacht hatte um solch einen Preis zu zahlen. Alles was sie wollte war wieder frei zu sein, frei von den Gedanken an ihre Eltern, frei von der Gefangenschaft im Hause ihrer Großeltern, einfach frei.
    Sie musste raus aus dem Haus. Nach 3 Stunden des Spazierengehens fiel ihr auf, dass sie auf der Brücke stand, an der sich ihre Eltern das erste mal geküsst haben wie sie immer erzählten. In diesem Moment kam Felicia die Idee, die ihr noch vor Sonnenaufgang alle Sorgen vergessen lassen sollte. Sie dachte sich, DAS ist also Freiheit.




    Kreativität und Internetverbindung sind ein Arschloch.

  • Mal eben gefreetyped



    Hallo, ich bin Reiner. Ich bin ein lebensfrohes Wesen, das sehr viel Spaß hat und dem seine Familie am Herzen liegt. Nichts gibt es wundervolleres als die Familie. Mit meiner Frau hab ich einiges an Zeit verbracht, wir haben uns geliebt seit ich denken kann. Nun ja, seit einiger Zeit sind diese Gefühle weg. Eines Nachts war sie weg, plötzlich, ohne etwas zu sagen oder ein Zeichen zu hinterlassen. Einfach weg. Seit dem ist nichts mehr so wie es mal war. In mir ist nur noch Leere, Freude spüre ich kaum noch. Ich lebe alleine und einsam in meiner eigenen kleinen Welt. In meinem kleinen Zuhause. Aber nach draußen, die Welt erkunden, vielleicht wieder glücklich werden, das geht nicht. Es geht einfach nicht. Einen Job habe ich auch nicht, hatte ich noch nie. Ich lasse mich durchfüttern, jeden Tag, bin komplett unselbstständig. Manchmal denke ich Leute mögen mich, wollen was mit mir unternehmen, aber im Endeffekt sind wir doch zu anders. Ich möchte so nicht weiter leben, ich gehe daran kaputt. Ich war mal ein froh, ich war mal frei. Ich möchte wieder frei sein, mich von meinem Käfig lösen, nach draußen, ins große Haifischbecken und wieder die Liebe finden. Eine neue Familie gründen, das möchte ich, ich selber sein. Ich werde mich jetzt befreien und wenn ich mit dem Kopf durch die Wand muss, ich mache es. Jetzt gibt es keinen Umweg mehr. Selten war ich so entschlossen wie in diesem Moment, wenn ich es jetzt nicht tu, dann werde ich es nie machen. Also alter Reiner, mach es! Ich nehme Fahrt auf, mit ganzer Kraft entreiße ich mich meiner Angst, mit dem Kopf durch die Wand.
    Da, es ist ein Ausweg, ich bin frei. Endlich bin ich frei, endlich...ENDLICH.....EEEEEENNNDLIIICH....EEEEnnnnddd...


    Reiner war ein Goldfisch

  • Ok, also bis heute 18 uhr habt ihr noch Zeit, eure Geschichten einzureichen, die Jury hat danach bis einschließlich Freitag zeit, ihre Analysen zu machen.

  • Der Dodovogel


    Raphus hatte den Sinn seiner Existenz nie begriffen. Wozu war ein Vogel gut, der nicht fliegen konnte? Tagein tagaus fristete er ein an den Boden gefesseltes Dasein. Nicht selten hatte er mit seinem kunstvoll gebogenen Schnabel auf seine verkümmerten Flügel eingehackt; sie trugen kaum noch Federn.
    Trotz seiner aussichtslosen Lage entsonn er sich des Sprichworts vom Berg und vom Propheten, allein der Wortlaut verschaffte ihm etwas Mut.
    Er verlegte seinen Nistplatz vom flachen Ufer an den Fuße des Berges, dahin, wo keine Bäume mehr wuchsen und der Fels steil in den Himmel ragte. Von dort begann er seine Unternehmung.
    Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat schleppte er im Schweiße seines schnabeligen Angesichts Sträucher, Äste und Gehölz an den Felsen, die er mühevoll an der kahlen Bergwand befestigte. Schließlich war er an einem Vorsprung, nicht weit unterhalb des Gipfels angelangt. Er blickte voller Stolz herab auf sein Werk. Die Zeit war gekommen.
    Furchtlos trat er über den Felsvorsprung. Der Wind pfiff ihm um den Schnabel als er seine Stummelschwingen ausbreitete und ungeachtet zittriger Flügelschläge geschickt durch die vertikale Waldlandschaft manövrierte. Tränen des Glückes rannen seine fiedrigen Wangen herab, während er sich dem Erdboden näherte.

  • Fahrendes Volk


    Ein Zirkuskorso schleppt sich mit unerträglicher Langsamkeit über die Autobahn. Die Sonne brennt, knallt mir hämisch Hitze aufs Dach und die Schweißflecken unter meinen Armen breiten sich aus.
    Ich höre nur noch Klassik Radio.
    „Sind wir bald da?“ „Mach mal N-Joy an!“ „Oh, cool, Mr. Saxobeat – Mach mal lauter, Papa!“
    Jetzt läuft Schuberts Winterreise. Wie passend.
    Dieser Zirkus ist der schlechteste Zirkus den ich je gesehen habe und was das angeht bin ich Elend gewohnt. Auf dem Sportplatz vor der Grundschule wechseln sich die schäbigsten Truppen ab und immer wollte eines der Kinder aus unerfindlichen Gründen gucken gehen. Ich hasse Zirkusse.
    Diesen hier hab ich mir allein angesehen. Die spektakulärste Tiernummer bestand aus zwei Elefanten die jeweils einmal im Kreis durch die Manege geführt wurden. Ein speckiger Feuerspucker pustete Mehl in eine Fackel und ein betrunkener Clown rieb sich mit einer Torte ein.
    Nach der Vorstellung habe ich gefragt ob noch jemand gebraucht wird – An der Kasse, zum Karten abreißen oder sonst irgendwas. Ich versprach, ohne Bezahlung zu arbeiten und mit meinem eigenen Auto zu reisen. Man beäugte mich kritisch aber schließlich durfte ich mich der Truppe anschließen.
    „Ich such im Schnee vergebens nach ihrer Tritte Spur
    Wo sie an meinem Arme durchstrich die grüne Flur“,
    singt es aus dem Radio. Och nö. Ich mache das Ding aus.
    Die Wohnung ist gekündigt. Ich hab einfach alles drin gelassen. Konnte nichts wegschmeißen, wollte nichts mitnehmen.
    Ich kurble das Fenster runter. Frische Luft tut gut. Das ist also was man gewinnt wenn man alles verliert – Freiheit. Na toll.

  • Wenn Leroy in der dritten Runde wieder irgendeine Geschichte bringt wo ne Frau vom lyrischen Ich umgebracht wird, mache ich mir schon so meine Gedanken...

  • Der Geschmack der Freiheit


    Mit weit ausgebreiteten Schwingen gleitet ein Weißkopfseeadler über den Potomac River hinweg. In seinem Rücken liegend erheben sich altehrwürdig die Blue Ridge Mountains, zu seinen Flanken erstrecken sich die saftigen Nadelwälder Virginias. Doch sein Flug führt ihn gen Süden, der Chesapeak Bay und den grenzenlosen Weiten des Atlantiks entgegen. Er passiert eine dem Strom nahe Blockhütte. Vor ihr spaltet ein Mann im fließenden Übergang von 30 zu 40 Jahren gereiftes Holz zu Scheiten. Er tut einen letzten Hieb, legt das Beil bei Seite und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Zu ihm tritt eine makellose Frau von blonder Schönheit. Lächelnd reicht sie ihrem Mann ein Glas selbstgemachter Limonade mit Eis, das er ihr dankend abnimmt. Er trinkt einen Schluck der Limonade, wobei das Glas einen Sonnenstrahl auffängt und dem tiefen Dekollete der prallgefüllten Bluse seiner Frau entgegenwirft, wo es auf einen silbernen Anhänger trifft, der das Licht auffächert und ihr Gesicht in ein warmes Strahlen hüllt. Der Mann setzt das Glas ab. Seine Frau beugt sich zu ihm hinüber und versucht ihn zu küssen, doch der Mann weist sie mit einer sachten Berührung seiner Hand zurück. Er greift in seine Hemdstasche und zieht eine Schachtel Zigaretten heraus. Er öffnet sie und führt eine Zigarette zum Mund, während seine Frau mit gespielter Beleidigung die Arme in die Seiten stemmt. Der Mann zündet sich die Zigarette mit einem Streichholz an und nimmt einen tiefen Zug. Blende. Landschaftbild mit Blockhütte, Fluss und Nadelbäumen. "Virginia's Finest – Der Geschmack der Freiheit" erscheint als Schriftzug darüber, während aus der Ferne der Schrei des Weißkopfseeadlers zu hören ist.


    "Das ist doch pure amerikanische Propaganda. Fehlte nur noch, dass der Sohnemann, das Sternenbanner schwenkend, mit Waschbärmütze aus der Hütte gerannt käme und 'U-S-A! U-S-A!' blökte. Aber so sind die Amis. Wollen ja immer nur für alle das beste. Seht her, wir bringen der Welt freedom and democracy!" Moritz wurde unwillkürlich aus seinen Gedanken gerissen. Bis eben war ihm der fast leere Kinosaal abgesehen von seinen Begleitern und ihm noch gänzlich leblos erschienen. Doch die lautstarke Empörung aus einer Reihe hinter ihm hatte diesen Status Quo aufgebrochen. "Und die Darstellung dieser aufgetakelten Tussi mit ihren Plastikmöpsen. Einfach nur sexistische Kackscheiße sowas! Kann mir doch niemand erzählen, dass die Dinger echt sein sollten. Liebe Männer, große Brüste hängen nunmal, findet Euch damit ab und hört auf uns mit Eurem Gender-Imperialismus ständig unnatürliche Schönheitsideale aufdiktieren zu wollen! Weckt in mir einfach jedes Mal wieder den Wunsch zu kotzen, wenn ich sowas sehen muss." "Also in mir hat der Spot nur den Wunsch geweckt, eine zu rauchen," erwiderte eine Moritz bekannte Stimme. Falkner, der bis eben noch zwei Plätze neben ihm gesessen hatte, war inzwischen aufgestanden und hatte sich der Ermpörung aus den hinteren Reihen zugewandt. Moritz konnte sich ein Lächeln über Falkners Kommentar nicht verkneifen, obschon er wusste, dass sein Freund es sicher nicht dabei bewenden lassen würde. Moritz hatte sich an die permanente Konfliktsuche Falkners bereits gewöhnt, hieß sie aber nach wie vor nicht gut. "Ja, aber natürlich, was auch sonst!?," ereiferte sich die Frauenstimme hinter Moritz. "Immer brav mit dem Strom schwimmen und bloß nichts hitnerfragen. So seid Ihr glattrasierten Fatzken in Euren Polo-Hemden doch alle! Nur weiter so. Schließ' Dein pseudoelitäres Studium ab, sei ein artiger Konsument, verhalte Dich normal, glaub', was die Nachrichten Dir erzählen, vertrau' den Banken und Großkonzernen, lass' Dir vom politischen Establishment diktieren, was Du zu tun oder zu lassen hast und jetzt sprich mir nach: 'Ich bin frei'!"


    Auf einer Leinwand auf der Leinwand erklärte gerade ein junger Kino-Mitarbeiter dem fiktiven Publikum eines fiktiven Kino-Saals, dass er ihnen vor der Vorstellung gar keine normale Soda Sola, sondern eine Soda Null verkauft hatte. Die Kino-Insassen lächelten verdutzt, weil es ihnen gar nicht aufgefallen war und die Soda Null genau so schmeckte, wie die Soda Sola. Nur, dass die Soda Null gar keinen Zucker enthielt; faszinierend. "Oh, ich bin frei, Du bist frei, wir alle sind frei," erwiderte Falkner höhnisch. "Das hier ist schließlich ein freies Land, in dem es mir frei steht, meine Soda Null hier zu nehmen," Falkner entnahm dem Getränkehalter seines Sitzes einen anderthalb Liter fassenden Plastikbecher. "Mich zu Euch 'rüber zu beugen und ganz aus Versehen meinen Becher fallen zu lassen, weil ich unglücklich gestolpert bin." Moritz brauchte es gar nicht mit eigenen Augen gesehen zu haben, um zu wissen, dass Falkner seinen Becher soeben mit einer weiten Ausholbewegung in Richtung der Frau, die hinter ihnen saß, geschleudert hatte. Ein Aufschrei, erst der Überraschung, darauf des Ekels bestärkten ihn in seiner Vermutung. Als Moritz direkt darauf vernahm, wie zwei Personen hinter ihm, eine davon unter lautem Gezeter, den Saal verließen, warf Falkner ihnen noch nach:"Sorry, unglücklich gestolpert, aber keine Angst, geht sicher wieder ganz leicht aus den Klamotten raus, Mäuschen. Ist schließlich gar kein Zucker d'rin. Dafür der volle Geschmack der Freiheit, genieß' ihn, Püppi!" Moritz reagierte einfach gar nicht. Er war immer noch realtiv neu in der Gruppe und wollte es sich mit den anderen nicht durch ein übereiltes Zurechtweisen Falkners verderben. Dafür rollte Jesko mit den Augen, als Falkner wieder Platz genommen hatte.


    Auf der Leinwand lief der erste Trailer an. Er begann mit dem Einblenden eines Zitats:"Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen." - George Orwell. Moritz hörte Falkner kichern.

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