Review: SDP – Bunte Rapublik Deutschpunk



  • 01. Machtübernahme Maschine Intro
    02. Hände hoch!
    03. Lied für die Fans von den anderen Bands
    04. Mittelfinger
    feat. Eko Fresh
    05. Als ich Mädchen noch scheiße fand
    06. Candle Light Döner
    07. Tanz aus der Reihe!
    feat. Weekend
    08. Chef Skit Part 2
    09. Arschloch
    10. Hätte hätte Fahrradkette
    feat. Keule
    11. Waffenschein
    12. Mach mal Platz für dich selber
    13. Olle mit der Macke
    14. Hurra, hurra, die Schule brennt
    feat. Bass Sultan Hengzt
    15. Wer ficken will muss freundlich sein
    16. Wegen dir
    17. Machtübernahme


    Seit rund zwölf Jahren nun bringt das Berliner Rapduo SDP regelmäßig Langspieler auf den Markt. Das neueste Werk mit dem Namen "Bunte Rapublik Deutschpunk" stellte aufgrund der hohen Erwartungen seitens der Kritiker und Fans, die die Band seit einigen Hits als ausgereift ansehen, einen weitaus höheren Anspruch, gerade was Professionalität und Verkaufszahlen betrifft – mit vollem Erfolg. Platz vier in den Album-Charts und weitestgehend gute Resonanz der Hörerschaft sind das Lob harter Arbeit. Doch es bleiben die Fragen: Wird die Qualität des Albums der neu gewonnenen Aufmerksamkeit gerecht? Und schafft es das Duo mit seinem mittlerweile zehnten Album, einen frischen Wind in die SDP-Landschaft zu bringen?


    Grundsätzlich wird sofort deutlich: SDP ist SDP geblieben. Humorvolle Sozialkritik in Ärzte-Manier, gesungene Hooks und teilweise Strophen, eine gehörige Portion Selbstironie und poppige Beats, die ins Ohr gehen, sind auch auf diesem Album tonangebend. Schon mit dem Intro wird dieser spezielle Humor entsprechend gezeigt und gerade Anspielstationen wie "Lied für die Fans von den anderen Bands" und "Arschloch" sind Exempel für einfallsreiche Unterhaltungskomik, in der sich Vincent und Dag spielerisch von Strophe zu Strophe, Witz zu Witz und Harmonie zu Harmonie hangeln. Der Inhalt steht hier zwar noch mehr im Vordergrund als die reine Musikalität, das Händchen dafür, einfallsreiche Skits und stimmige Pointen zu bieten, bleibt allerdings weiterhin bei der "bekanntesten unbekannten Band der Welt". Leider finden sich auch Aussetzer dieser Fähigkeiten: Mit dem Track "Hurra, hurra, die Schule brennt" (feat. Bass Sultan Hengzt) ist gerade aufgrund des Fokus' auf den Inhalt kein originelles Lied gelungen. Kurzgeschichten über Schulregeln und halbwegs lustige Arten, diese zu brechen, sind schon oft und weitaus witziger präsentiert worden. Leider sticht BSH nicht sonderlich heraus, weder durch seine raptechnischen Fähigkeiten, noch durch pointierte Inhalte – der Song bleibt mehr Versuch als lustig. In diesen Bereich gliedert sich wiederum "Mittelfinger" zwiespältig ein. Das Feature mit Eko Fresh wird zwar unterhaltsam, aber wegen des inhaltlich nicht allzu starken Parts von Eko nicht überragend dargeboten. Er hinkt im Vergleich zu den äußerst versierten Parts von SDP gar ein wenig hinterher. Nicht, was Rapfähigkeiten, aber was speziell Pointen und Thematik angeht – vielleicht ist es auch Geschmackssache, aber Ekos Humor trifft lange nicht meinen.


    "'N Smartphone als Zepter und 'n Anzug von Boss/
    Das Gel in deinen Haaren ist die Krone auf dei'm Kopf/
    Du verdienst einen Tritt in deinen Unterleib/
    In meinem Panini-Arschloch-Sammelbuch bist du die Nummer eins/
    "
    (Vincent auf "Arschloch")


    Sehr bestimmend scheint im Jahr 2014 für die Berliner jedoch die Liebe zu sein: Gleich sechs Tracks sind dem Gefühl selbst, dem anderen Geschlecht oder sonstigen Erscheinungen dieses Geflechts aus Hormonen und Trieben gewidmet. "Die Olle mit der Macke" ist dabei eine eher schlechte als rechte Mischung aus Dialog über die Verkuppelung einer, anscheinend sehr anstrengenden, Dame von Kumpel zu Kumpel und ein wenig Musik. "Als ich Mädchen noch scheiße fand" ist da ein einfallsreiches Gegenstück mit einem interessanten Ansatz – die Thematik ist originell und sehr lustig präsentiert. Eine Ohrwurmbridge und -hook werden gekonnt und ebenso humorvoll dargeboten und auch sonst sind die Erzählungen, was alles doch früher besser war, weil man dem anderen Geschlecht eher feindlich gesinnt war, selbstironisch und witzig. Eine ähnliche Herangehensweise ist in "Wer ficken will muss freundlich sein" auszumachen: Ein eigentlich kritisches Thema wird mit einem eingängigen Beat ordentlich verrührt, der gewissen Brise Humor gewürzt und schon wird aus der Problematik des Frauen-Aufreißens eine Parodie auf jeden – auch sich selbst. Dennoch scheint hier das Konzept nicht ganz aufzugehen; der Beat plätschert eher dahin und auch das Storytelling hatte ich schon besser erlebt, was im Gesamten "Wer ficken will muss freundlich sein" zu einem verhältnismäßig schwächeren Titel des Albums macht. "Waffenschein" hingegen ist eine reine Vergötterung einer Frau. Inhaltlich vielleicht etwas überholt, doch derart stimmig präsentiert, dass dieses Lied zu einem wahren Höhepunkt des Albums und die Hook zu einem schönen Ohrwurm avanciert. Auch vom Rap her erinnern SDP etwas an Seeed in "Augenbling" – ohne aber als billiger Abklatsch zu wirken. Denn ihre eigene persönliche Note ist mit den teilweise gesungenen Zeilen und verschiedenen Stimmvariationen in den Parts der Rapper nicht zu verkennen – ein äußerst unterhaltsamer und zum Mitsingen animierender Track. Weitere Höhepunkte bieten die ernsten Darbietungen in "Candle Light Döner" und "Wegen dir": teils romantisch, teils unfassbar traurig und trotz der sonst so humorvollen Band absolut glaubwürdig. Auch die ruhige Rapweise steht den Berlinern: ohne viel drumherum, ohne viel Betonungsvariationen und dennoch sehr gefühlvoll. Die melancholischen Lieder sind wahre Geheimtipps, die stellenweise gar mit Solo-Gitarreneinlagen auf ganzer Linie überzeugen, jeder auf seine eigene Weise.


    "Jede Erinnerung verschwimmt mit der Zeit/
    Und manchmal weiß man nicht mal mehr, warum man so weint/
    Das ist alles, was bleibt/
    Wahrscheinlich ist das alles, was bleibt/
    "
    (Dag auf "Wegen dir")


    Andere Tracks wie "Hätte hätte Fahrradkette" mit dem Berliner Duo Keule, das einen soliden Part liefert, und "Mach mal Platz für dich selber" sind thematisch gewohnt gut, jedoch musikalisch unter dem Niveau des Großteils des Albums. Stellenweise wirken sie gar monoton. Vielleicht bin ich auch nur etwas verwöhnt von Tracks wie "Hände hoch!" und "Tanz aus der Reihe!" – allein das Ausrufezeichen in jedem der beiden Titelnamen ist sinnbildlich für die Intention dieser Mitnick-Tracks: ausrasten und Spaß haben. Ein bisschen Party und noch viel mehr rockig-poppige Instrumentierungen machen diese Spaß-Lieder aus, weswegen sie neben "Candle Light Döner" und "Wegen dir" zu meinen persönlichen Lieblingstiteln des neuen Werks zählen. "Tanz aus der Reihe!" ist nicht nur eine Meisterleistung der beiden Spandauer, sondern enthält auch das gelungenste Feature Weekend mit einer Strophe, fantastisch eingebettet zwischen den starken Gesangseinlagen der erfahrenen Berliner. Dem Gelsenkirchener Rapper steht die etwas rockigere und schnellere Beatwahl. Nicht einmal seine kleine Gesangseinlange fällt negativ auf, was ihn zu einem wirklichen Glücksgriff auf diesem Song macht.


    "Ich tanz', tanz', tanz' aus der Reihe/
    In der Schule hatt' ich immer Langeweile/
    Ich nehm' Anlauf und spring' durch die Scheibe/
    Weil ich immer übertreibe/
    "
    (Vincent Stein und Dag auf "Tanz aus der Reihe!")


    Fazit:
    Überblickt man das Gesamtwerk von Stonedeafproduction, SDP ausgeschrieben, ist "Bunte Rapublik Deutschpunk" ein mehr als gutes Release durch die hohe Musikalität der beiden Jungs, die in nahezu jeder Hook ihren Ausdruck findet, und die äußerst interessante Art und Weise, Inhalte und Konzepte völlig neuartig zu betrachten. Somit ist die Relevanz, die es zurzeit hat, absolut verdient. Vielleicht ist es nicht die Erleuchtung für den Oldschool-HipHopper und auch nicht des Technikjunkies neuer Maßstab – aber sowohl Tracks für die seichte Autofahrt, fürs Mitträllern bei der Hausarbeit als auch als kleiner Denkansatz für etwas mehr Lockerheit in der Gesellschaft sind in qualitativ hochwertiger Form vorhanden; für jedermann. Viele Goldstücke mit Ohrwürmern und Inhalt sind auf diesem Album zu finden, während einige auf die Dauer nervige Dialoge, die öfters auftauchen – speziell das lustige, aber viel zu lange Outro –, zu bemängeln sind. Hinzu kommen zwei, drei Tracks, die sich nicht ganz auf dem sonstigen Niveau des Langspielers befinden. So bleibt ein sowohl inhaltlich unterhaltsames als auch durchaus fähiges Duo mit einigen wenigen Schönheitsfehlern, die insgesamt den Aufstieg von der "bekanntesten unbekannten Band der Welt" zu einer bekannten Band etwas hemmen, aber nichts sind, was nicht ausgebügelt werden könnte.



    (Max)

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    Einmal editiert, zuletzt von Max ()

  • Na so unterscheiden sich die Geschmäcker. Gerade Songs wie wegen dir, Waffenschein oder die Bridge bei Als ich Mädchen noch scheiße fand sehe ich als Tiefpunkte des Albums, Hurra Hurra sehe ich dagegen als Top Neuauflage des Klassikers von Extrabreit. Rest geht klar, gerade Hände Hoch, Tanz aus der Reihe oder Lied für die Fans von den anderen Bands sind großartig. Und die vielen Skits sind mittlerweile ja Standard bei den Jungs, gebe aber zu dass das nach ner Zeit nervt. Alles in allem sehe ich das aber als Top Album, dass ich jedem weiterempfehlen würde :)

    Don’t give yourselves to these unnatural men - machine men with machine minds and machine hearts! You are not machines! You are not cattle! You are men!
    You have the love of humanity in your hearts! You don’t hate! Only the unloved hate - the unloved and the unnatural!

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