Review: Toony – Stabil (Premium Edition)



  • 01. Intro
    02. Muskelprotz
    feat. Atillah78
    03. Stabil
    04. Falsche Freunde
    05. Gott vergibt mir
    feat. Massiv & Sahin
    06. Respekt
    07. Ostblockerkämpferherz
    feat. Marek Fis
    08. Auf den geraden Weg feat. Chevy
    09. Erziehungschelle
    10. #1beirapupdate
    feat. Sinan-G
    11. Glücklich bist
    12. Letzter Kampf
    feat. Jonesmann
    13. Stabilität feat. Summer Cem
    14. Lass dich nicht biegen feat. Chevy
    15. Wer ich wirklich bin feat. CashMo
    16. Auf und ab


    Premium Edition:
    17. Notwohnung feat. Azyl & Chevy
    18. Wahrheit (Part 1) feat. Sahin
    19. Das Gesetz feat. Blut & Kasse & Twin
    20. Der neue King of Doubletime


    Als ich meinen Kumpels erzählt habe, dass meine nächste Review vom neuesten Werk Toonys handelt, war die Verwunderung groß. Die häufigsten Fragen waren: "Toni-L bringt ein neues Album raus?", oder: "Macht Tony D wieder Musik?" Sobald das Wort "Erziehungsschelle" über meine Lippen gekommen war, fiel es ihnen jedoch wie Schuppen von den Augen. "Toony, dass ist doch dieser Typ, der ständig Leute aufsucht und sie dann erziehen will." Richtig. Der in Düsseldorf beheimatete Rapper versteht es, sich im Gespräch zu halten. Vor allem durch seine Aktivitäten abseits der Musik sorgte er für Aufsehen: In den letzten Wochen und Monaten konnte man fast täglich Statements zu allen möglichen Ereignissen lesen und sowohl seine Verfolgungsjagd auf Julien als auch Sticheleien gegen Rap-Schwergewichte wie Fler oder Sido miterleben. Neben all diesen kostenlosen Unterweisungen zwecks besseren Benehmens veröffentlicht der in Polen geborene MC nun sein neues Album "Stabil", nachdem 2011 mit "Over the top Reloaded" sein bis dato letztes Release in Albumlänge erschienen ist. Kann Toony trotz seines "Erziehungs-Jobs" mit seiner neuesten Platte ein in sich stimmiges und stabiles Produkt auf den Markt werfen oder ist Letzteres so instabil wie ein Kartenhaus und fällt in sich zusammen?


    "Das Einzige, was zählt, ist Stabilität" – so lautet die Ansage des "Intro"s. Doch was genau ist eigentlich diese "Stabilität", auf der das Konzept vom vierten Solo-Album des Erziehungsschellengebers basiert? Der Begriff leitet sich ab vom lateinischen "stabilis", was im Deutschen so viel wie "konstant" oder "standhaft" bedeutet. Es beschreibt die Eigenschaft eines Systems, frei von starken Schwankungen zu sein. Auf das Album und den Künstler bezogen würde dies bedeuten, dass die Qualität der ersten Songs eine Vorschau auf das Niveau der weiteren ist – insofern Toony seinem Leitspruch treu sein sollte. Infolgedessen bin ich äußerst gespannt, wie sich der selbsternannte "Muskelprotz" in den ersten Minuten verkaufen wird. Gleich zu Beginn legt er flott los: Doubletime-Passagen, Ansagen in alle Richtungen sowie Hashtag-Lines am Fließband werden dem Hörer entgegengefeuert. Aufgrund all dieser auf mich zufliegenden und recht hektisch klingenden Lines gehe ich vorsichtshalber erstmal in Deckung. Im ersten Moment kommt es mir vor wie ein großes Wirrwarr, weshalb ich zurückspule und das Spektakel noch mal von vorn beginnen lasse. Der erste Eindruck hat nicht getäuscht – auch bei mehrmaligem Hören ist kein Zusammenhang zwischen aufeinanderfolgenden Bars zu erkennen. Flow-Wechsel stehen ganz oben auf der Tagesordnung, was zur Folge hat, dass Toony relativ oft aus dem Takt gerät. Ist ja schön und gut, dass er allen beweisen will, wer seiner Meinung nach "der neue King of Doubletime" ist (was er definitiv nicht ist, weil er zum Beispiel in puncto Aussprache oder Reime bei Weitem nicht an einen Kollegah rankommt), darunter sollte allerdings nicht der Inhalt leiden – jedenfalls nicht so stark wie in den meisten Fällen auf "Stabil". Sobald nämlich das Tempo angezogen wird, kommen Zeilen wie beispielsweise folgende raus:


    "Apropos, du Baba, hol den Baba deines Babas/
    Und ich wett', der Baba seines Babas war dann nur 'ne Baba/
    Bitches gucken diesen Cock an, spucken diesen Cock an/
    Rapper fallen tief wie bei Topgun/
    "
    (Toony auf "Erziehungsschelle")


    Da sitze ich nun und denke mir: Bitte was?! Der Sinn dieses Textes tendiert gegen Null. Anfangs rüttelt sein Stil noch wach, mit andauernder Zeit verfliegt dieser Effekt jedoch. Dies liegt unter anderem an seinen unkreativen und oft unlogischen Reimen. Nur zur Verdeutlichung – auf gefühlt jedem zweiten Lied tauchen unzählige Reime à la "Dieser Polak hier ist real, dieser Polak ist stabil" auf. Dabei beweist er doch an manchen Stellen, dass es deutlich besser geht. Das zeigt Toony, sobald er sich ernsteren Themen widmet, auf sich selbst eingeht, sein Leben reflektiert und andere Rapper aus dem Spiel lässt. Nach kaum enden wollenden "Ich bin der realste, stärkste und gefährlichste Rapper"-Ansagen werde ich plötzlich aus meiner Lethargie gerissen – ein vergleichsweise ruhiger Beat mit Piano-Elementen in Kombination mit einer interessanten Story lassen mich aufhorchen. Bei "Ostblockerkämpferherz" handelt es sich um die Geschichte seiner Familie, angefangen bei ihrer Flucht aus Polen, endend bei der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft. Diese Thematik scheint dem Künstler sehr nahezugehen, was sich deutlich im Text und seiner Stimme widerspiegelt. Toony schafft es zum ersten Mal, den Hörer emotional zu berühren und lässt eine bewegende Geschichte in den Köpfen entstehen. Dieser positive Eindruck wird leider schnell wieder zunichtegemacht, indem er sich mit "Erziehungsschelle" und "#1beirapupdate" wieder belanglosen Textfragmenten in zusammenhangsloser Struktur widmet. Da ist er nun wieder, der Erziehungsschellengeber, der unter Pseudo-Vorwänden Rapper attackiert und uninspirierte Phrasen wiederholt.


    Mir persönlich bleiben seine Erziehungsmaßnahmen und seine Ansichten ein großes Rätsel. Mit welchem Recht kann man sich als Moralapostel darstellen und über "Respekt" rappen, beleidigt drei Songs später aber fremde Mütter namentlich genannter Menschen? Kommen wir von den verdrehten Werten lieber wieder zurück zum eigentlichen Thema – der Musik. Die Beats sind über die gesamte Albumlänge recht solide, allerdings für meinen Geschmack zu unspektakulär. Die Produktionen decken ein relativ großes Spektrum an Sounds ab. Auf der Platte befinden sich viele powervolle und schnelle, ebenso aber auch ruhige oder gar leicht poppige Klangbilder. Ab und zu lässt der Düsseldorfer Rapper einen Funken Lockerheit aufblitzen, etwa mit Lines wie: "So stabil, ich habe den Stabilo-Pen erfunden". Wünschenswert wären mehr solcher leicht selbstironischen Zeilen gewesen, die das sonst so festgefahrene und aggressive Bild von "Stabil" auflockern.


    "Sieh, sieh, wie das Groupie-Weib jetzt Backstage bläst/
    Real, real, ist die Nummer eins bei Rapupdate/
    Most hyped oder most hated, ganz gleich/
    Ich geb' einen Fick, ob dieser Julien mich anzeigt/
    "
    (Toony auf "#1beirapupdate")


    Die Featuregäste wirken bis auf wenige Ausnahmen sehr lustlos und können im Vergleich mit Toony nicht hervorstechen. Einzig Jonesmann leistet durchaus ansehnliche Arbeit, indem er mit einer emotional eingesungenen Hook die Dramatik von "Letzter Kampf" sehr schön unterstreicht. Damit sind wir beim zweiten Höhepunkt der Platte angelangt, der etwas Instabilität in die sonst überwiegend unkreative Vorstellung bringt. Der Track erzählt die Geschichte eines (eventuell fiktiven) Freundes, der die Nachricht bekommt, unheilbar krank zu sein. Er zerbricht jedoch nicht an dieser Hiobsbotschaft, obwohl er nur noch mit großen Einschränkungen leben kann. Anstatt aufzugeben und sich seinem Schicksal zu fügen, bäumt er sich mithilfe seiner Freunde gegen die Krankheit auf und erlebt kurz vor Ende seines Lebens nochmals schöne Ereignisse, bis er letztendlich seinen "letzten Kampf" im Kreise seiner Engsten verliert. Der Song ist unterlegt mit einem Beat, der durch dunkle Vocal-Samples sowie dem Wechsel zwischen ruhigen und schnellen Passagen den Schmerz und Kampf der Figur eindrucksvoll verdeutlicht. Es gab schon viele solcher Leidensgeschichten, allerdings habe ich selten eine so authentische und mitreißende gehört.

    "Dann kam dieser Arztbesuch und nichts war mehr wie früher/
    Sprachlos, schweigend saßen wir uns gegenüber/
    Ein letztes Mal zum Sport und dann kam die OP/
    20 Kilo runter, es war schwer dich so zu seh'n/
    "
    (Toony auf "Letzter Kampf")


    Wieder hatte ich die Hoffnung, dass jetzt der große Aufschwung auf mich wartet, aber leider wurde ich eines Besseren belehrt. Toony ist seinem Credo größtenteils treu geblieben und knüpft nach diesem verheißungsvollen Song wieder da an, wo er davor aufgehört hatte. Er ist nun mal jemand, der zu seinem Wort steht. Dies beweist er nochmals auf den Bonus-Songs, die sich von den bisherigen nicht nennenswert unterscheiden. Da ich wirklich lange gebraucht habe, um diesen Reim richtig zu verstehen, wollte ich ihn Euch nicht vorenthalten und lasse ihn einfach mal unkommentiert stehen: "Hol das Para Para rein, oder einen Paarreim auf das Wort Para Para Reim".


    Fazit:
    Nach über einer Stunde wenig lehrreicher Erziehungs-Tipps bin ich am Ende von "Stabil" angekommen. Würde man die Qualität des Albums als Aktienkurs ansehen, wäre der Verlauf "stabil" im Keller, mit Ausnahme der zwei starken Ausreißer, die alleinstehend für eine große Dividende sorgen würden. Aus meiner Sicht wird sich diese Aktie durch die vielen negativen Aspekte für die Anteilseigner, sprich die CD für die Käufer, nicht rentieren. Nach der vielen Promo durch die gefühlt tausenden Videos, mit denen Toony im Vorfeld eine große Anzahl an Klicks generieren konnte, hätte ich mehr erwartet. Seine kostenlosen Ratschläge und Versuche, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, in allen Ehren, aber muss man das dem Hörer fast in jedem Song mitteilen? Drohungen und aus der Luft gegriffene Beef-Geschichten entertainen 2014 nicht mehr – vor allem, wenn diese Streit-Inszenierungen nur von seiner Seite ausgehen. Dass Toony es viel besser kann, deutet er zumindest an. Vielleicht sollte er sich in Zukunft lieber auf seine durchaus vorhandenen Stärken konzentrieren, als auf die vermeintlichen Schwächen seiner Mitmenschen.



    Maximilian Lipp (Maxkulin)

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  • Zitat

    sag mal deinen FReund von Rappers in das ich noch nie im Leben so eine Ikompetente Bewertung seiner Seits gesehen haben . Er hat sich komplett von eigenen Gefühlen leiten lassen und nicht eine Sekunde die Tragweite des Albums bewertet. Am besten die Jungs schreiben einfach weiterhin Anonym hinter dem Bildschirm rum und lassen ihrer Wut freien lauf , im echten Leben ziehen sie leider in jeglicher Hinsicht immer den Kürzeren. Gruss


    gefunden auf Toonys FB-Page.
    Gruss

    Sündige vor Gott, breche das Inzest-Tabu
    denn HipHop macht uns zu Brüdern - und ich ficke deine Crew"

  • nach seiner u-n-g-l-a-b-l-i-c-h nervenden promophase hätte schon ein überalbum kommen müssen, damit ich meine meinung über den typen ändern könnte...so nicht :p


    umso schöner zu sehen, wie er mit kritik umgehen kann :D

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