01. Intro
02. Krieg
03. Sterbebett feat. MoH, Smoke M & Pask
04. General Orgasmus
05. Warum hast du das getan? (Skit)
06. Fick die Ex 3
07. Erzwungene Liebe feat. Smoke M
08. Rote Rosen
09. I need your Love
10. Rest in Peace
11. P.S. Ich liebe dich
12. Hass
13. Hemmungslos feat. MoH & Pask
14. Geschäftsidee (Skit)
15. Myra Sophie
16. Es gibt kein Battle 4 feat. Basstard, MoH, Pilz, JAW, Smoke M, Pask, Doc Martenz & Chikksn
17. Time to go
18. Holt die Gummis aus der Tasche feat. Chikksn
19. Religiös unseriös (Skit)
20. Kriegsführer feat. Schwartz
"Deine Fotze frisst Schwanz unter der Reichskriegsflagge [...] deine Mutter wird gefickt im Sterbebett" – wer jetzt noch weiterliest, darf nicht unbedingt erwarten, dass das Niveau exorbitant steigt. Kenner werden wissen, dass sich diese einmalige Mischung aus menschlich zutiefst verachtenden Ansagen und nazistischen Referenzen nur einem kleinen Personenkreis, in diesem Fall fast nur einer – schillernden und gänzlich umstrittenen – Person unserer so facettenreichen Szene zuordnen lässt: Manuel Hitler, auch bekannt als Orgi 69. Allein der Blick auf die Filmo- und Diskografie des gebürtigen Berliners eröffnet einen Einblick in die Tiefen des guten – beziehungsweise schlechten – Geschmacks. Mein ganz persönliches Highlight: die ominöse DVD "Das Auge fickt mit". Da liegt es nahe, dass nach langen Querelen mit deutschen Behörden, die "ein Auge auf mich geworfen haben", und zahlreichen Veröffentlichungen, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden sind, Platten über eine österreichische Internetseite vertrieben werden. Der nachsichtigeren Auslegung der Jugendschutzbestimmungen sei Dank. Sein neuestes Album "heißt 'Krieg', weil es ein Angriff ist" – und ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, sei gesagt, dass dieses Album "sehr hart und grausam ist", außerdem sollte man "keine Herzstörungen haben". Das klingt fast so, als wäre das eine Neuigkeit ... Womit kann der selbsternannte Erfinder des Porno-Raps eigentlich aufwarten, sodass er den Hörer noch schocken könnte?
Die inoffizielle Namensänderung (zu Manuel Hitler) lässt sich auf den Zwist mit linksautonomen Organisationen (Antifa) und die damit einhergehende Unvereinbarkeit der jeweiligen Ansichten bezüglich Sexismus und Gewaltverherrlichung zurückführen (der Name tauchte jedoch bereits 2011 auf). Denn die Faszination an der Künstlerpersönlichkeit King Orgasmus One war schon immer der kompromisslose Tabubruch. Hinzu kommt ein überwiegend energischer Stimmeinsatz in Kombination mit klassischen Bumm-Bumm-Tschack-Instrumentals, die wiederum auf "Krieg" mit Dubstep-Elementen vermengt werden. Das Reimschema hingegen gestaltet sich – galant gesagt – traditionell. Hier verlässt man sich gänzlich auf die alte Schule, in der Doubletime-Einlagen oder Mehrfachreime Begriffe eines anderen Universums sind.
"Jetzt gibt's Ellbogenrap, es ist Krieg im Geschäft/
Und ich lade meinen Colt, weil Menschen sind schlecht/
In Deutschland gibt's nur Zicken und alleinstehende Mütter/
Und ich weiß, was Deutschland braucht – es ist Manuel H*****/"
(King Orgasmus One auf "Krieg")
Wie man es auch dreht und wendet – ob "Porno-Rapper", Entertainer oder beides: Die Musik bleibt dieselbe. Doch nehmen wir spaßeshalber an, er sei ein Comedian. Was wäre er dann für einer? Mario Barth ohne Schamgefühl? Nein, das ist fies – oder womöglich ein Kompliment. Zumindest ein Komiker, dem seit über einem Jahrzehnt kein neues Liveprogramm einfällt. Die Tracks bestehen dementsprechend größtenteils aus verbalen Verrenkungen, die davon handeln, das beliebig austauschbare Gegenüber durch sexuelle Misshandlungen aller Art bloßzustellen. Es liegt wohl auch daran, dass ein moralischer Appell wie auf "Time to go", der von einem drogensüchtigen Mädchen handelt, das sich schließlich der Prostitution verschreibt, alles andere als glaubwürdig klingt, wenn das weibliche Geschlecht zuvor so abgekanzelt wurde:
"Ich schreibe diese Texte, weil Frauen sind das Letzte/
Ich scheiß' auf euch Bitches und ficke nur das Beste/
King Orgasmus One, jetzt werden Herzen gefickt/
Guck, die Frauen, sie haben Angst und haben Tränen im Gesicht/"
(King Orgasmus One auf "General Orgasmus")
Man könnte jetzt länger darüber diskutieren, ob Musik dieser Art eine Daseinsberechtigung hat oder schlichtweg sexistischer Schund ist. Man sollte aber grundsätzlich vorsichtig sein, was allgemein verbindliche Aussagen betrifft. Dennoch wage ich zu behaupten, dass Manuel "Hitler" Romeike wahrlich kein Poet ist. Okay, sind wir ehrlich: Wäre Orgi ein 16-jähriger Newcomer, der heiß gehandelt wird: Niemand würde sich über die Texte wundern. Doch wir brauchen andere Maßstäbe; King Orgasmus One ist 34 und versucht durch einen vermeintlichen Tabubruch seit über einer Dekade zu "provozieren". Abgesehen von patrouillierenden Hütern des guten Geschmacks, die in einer Platte dieser Kategorie das Fortbestehen zivilisatorischer Sitten ernsthaft gefährdet sehen, zeigt sich niemand auf dem landesweiten Spielplatz empört oder bestürzt. Sicherlich scheiden sich die Geister, was die jeweiligen Ansichten betrifft. Aber wer ist hier provoziert worden? Come on. Dass man im Gegenzug nicht sagen kann, man wäre zumindest gut unterhalten worden, ist schade – oder eben nicht. Was sich daraus schließen lässt, ist klar: Die Stammhörerschaft wird weitestgehend gemolken, während sich der Rest nicht damit befasst. Es ist insofern auch nicht zu weit gegriffen, zu sagen, dass "Krieg" im Gesamtkontext eine abgenutzte, pubertär anmutende Mischung aus Sexualpraktiken, Gewaltfantasien und nazistischen Referenzen ist. Dass man sich fernab dessen aller Relikte der "Goldenen Ära" bedient, bestärkt den Eindruck eines rebellierenden Teenagers, der schon lange keiner mehr ist.
"Ich ziehe mein' Schwanz und drück' der Fotze meinen Pimmel rein/
Box' mich durch das Himmelreich und ficke Gott, das Opfer, in sein Hinterteil/"
(MoH auf "Sterbebett")
Unter den zahlreichen Gästen stechen zwei äußerst markante Stimmen besonders hervor. Denn dass es tatsächlich dazu kommen würde, dass sich gleich zwei Kandidaten den hasserfüllten Ansagen eines Blokkmonsta ebenbürtig erweisen, ist schon eine Leistung für sich (Wenn wir Rako nicht miteinbeziehen). So von Hass geprägte Parts, wie die von MoH und Schwartz, nehmen eine Sonderstellung ein. Wirklich. Man fragt sich dabei nur, bei der wievielten Aufnahme MoH die Puste ausging und ob man nun empört oder amüsiert von den zensierten Kindesmissbrauchszeilen auf der Massenkollabo "Es gibt kein Battle 4" sein sollte. In jedem Fall hat es ein Geschmäckle. Ohne mit dem Zeigefinger zu richten, kann ich für meinen Teil ein dumpfes Gefühl nicht leugnen. Das mag zwar eine außergewöhnliche – und im besten Fall skurrile – Erscheinung in den Niederungen dieses Subgenres sein, gestaltet sich für den moderaten Hörer aber als schlichtweg anstrengend. Smoke Ms Parts könnte man – zumindest flowlich – als das komplette Gegenteil beschreiben. Die wesentlich höhere Stimme und der deutlich flottere Flow steht den Tracks "Sterbebett", "Erzwungene Liebe" sowie "Es gibt kein Battle 4" als Kontrast zu Orgi (und natürlich MoH) gut zu Gesicht.
Nicht unerwähnt bleiben, sollte, dass sich der Blick des Berliner Urgesteins kurzzeitig vom Sinnieren jeglicher Formen des Koitus in Verbindung mit anrüchigen Gewaltfantasien abwendet, indem mit einem ehemaligen Weggefährten abgerechnet wird ("P.S. Ich liebe dich") und nur kurze Zeit später denkbar stumpfsinnig aktuelle Trends bespuckt werden ("Ich fick' auf die Hipster – mein Rap ist wie Hitler" auf "Rest in Peace"). Das könnte man fast als Abwechslung bezeichnen.
Fazit:
Es ploppen gleich mehrere imaginäre Fragezeichen über meinem Kopf auf. Hass, Sex, Gewalt – und Hitler. So viel weiß ich noch. Das sollte was noch einmal? Provozieren, ja richtig. Und warum braucht Deutschland Manuel Hitler? Man kann es sich nicht anders erklären, als dass wir – abgesehen von einer Namensgebung, die so unkreativ ist, dass es schon wieder lustig ist – davon auszugehen haben, dass Platten des Wahl-Österreichers ausschließlich für die eingefleischte Anhängerschaft bestimmt sind. Wer sich trotzdem irgendwann auf Orgis Internetseite verirrt, den bemerkenswerten Preis von knapp 35 Euro zahlt und vier Wochen später dann den Langspieler in den Händen hält, wird sich dem entweder begeistert zu- oder angewidert abwenden. Wer sich von circa 20 Tracks, die fast ausnahmslos von äußerst schrägen Gelüsten handeln, unterhalten fühlt, beweist (keinen) Geschmack. Die Brisanz liegt schließlich im Tabubruch, der für mich schon lange keiner mehr ist.
(Die Robbe)
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