unknown Kings: Januar 2014 (Teil 1)

  • Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instant Messenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertiggestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen. Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.





    Young roDDie – Momentum


    Young roDDie ist ein echtes Sprachtalent. Was das genau bedeutet, zeigt der in Kamerun geborene und mittlerweile in Mannheim ansässige Rapper und Sänger den Musikfans auf seinem aktuellen Release, der EP "Momentum". Hier droppt er auf sieben Tracks verteilt nicht nur technisch einwandfreie Zeilen in bestem Englisch und Deutsch, sondern bereichert das Klangbild auch durch gefühlvolle, melodiöse R'n'B- und Soul-Gesangsparts – ebenfalls in mehreren Sprachen. Dadurch kreiert roDDie ein völlig eigenständiges Soundbild, das ich persönlich in Deutschland so noch nicht oft und vor allem schon länger nicht mehr gehört habe. Der Klang, der zwischen R. Kelly und Max Herre, zwischen Pharrell und Julian Williams liegen könnte, bleibt vom ersten Moment an hängen und begleitet einen angenehm durch die gesamte EP. Auch die Beats, die roDDie alle selbst produziert hat, folgen dieser Linie: Sie klingen alle sehr melodisch, werden durch dezente Claps und eingängige Piano-Akkorde unterstützt und bleiben durch teils poppige Elemente gut im Kopf. Tracks wie "Einen Moment nur" oder "F*ck my life" (feat. Caro) avancieren zu echten Ohrwürmern, aber auch im Gesamten kann man "Momentum" immer wieder hören. Es ist zwar kein Release für die Ewigkeit, aber auch nichts für nur einen kurzen Moment – die EP ist ein rundes, gelungenes Stück Musik und Young roDDie ein Künstler, den man in Zukunft auf dem Schirm haben sollte.


    Amazon – zu kaufen





    Cameo – Planlos


    Der Wahl-Gießener Cameo ist aktuell im Begriff mit seiner "Planlos"-EP auf sich aufmerksam zu machen und eine breitere Hörerschaft für sich zu gewinnen – und das mit gerade mal 19 Jahren und circa einjähriger praktischer Erfahrung in Sachen eigene Rapmusik. Umso beachtlicher ist das Ergebnis, denn auf insgesamt sechs Tracks bekommt der Hörer starke Reime über gut klingende, interessante Beats geliefert. Klanglich und inhaltlich bewegt sich das Release in Wellenform auf und ab: Hört man zu Beginn mit "Planlos" und "Ganz oben" zwei lockere Gute-Laune-Songs, erwarten einen danach eher melancholisch-drückende, teils schon balladige Töne; alles getragen von starken Einflüssen der Electronic Dance Music. Gerade das "Outro (Glücklich)" mit dem Sample des EDM-Künstlers Robert DeLong ist allein schon wegen des Beats hittauglich. Und über diese klangliche Unterlage, die neben dem Produzenten Stiff.Scratch ("Davon") hauptsächlich vom Künstler selbst gezimmert wurde, bringt Cameo dann Texte, die sich mit der Lebensweise der "Generation YOLO" ("Ganz oben"), eigenem und allgemeinem Motivations- und Antriebsmangel ("Muse (Morgen ist auch noch ein Jahr)") sowie der Planlosigkeit im Zwischenmenschlichen und Zukunftsfragen beschäftigen. Zunächst erscheint das recht trivial, allerdings präsentiert Cameo diese Thematiken abwechslungsreich und überzeugend, weil sie auf den Künstler bezogen schlicht authentisch wirken. Hinzukommt, dass der MC trotz seines Alters schon über eine sehr ausgefeilte Technik und souveräne Vortragsweise verfügt, und man sich daher als Hörer voll und ganz auf die Inhalte konzentrieren kann. Da ist es egal, in welchem Bereich sich Cameo als "planlos" erweist – mit dieser EP zeigt er jedenfalls, dass sein Plan von Rap ein sehr guter ist.


    Bandcamp-Page von Cameo – kostenfreier Download





    Dead Poets Society – Dead Poets Mixtape Vol.2


    Zwei Jahre nach ihrer Gründung und der Veröffentlichung ihrer bisher einzigen EP meldet sich die Dead Poets Society zurück. Die Dortmunder Crew, bestehend aus DLG, Tweazy Cortex, Kenika, Exzact, ChEv und DeeStripez, releaste bereits zum Ende des letzten Jahres das "Dead Poets Mixtape Vol.2". Auf 30 Tracks representen sich die sechs Künstler meist selbst, verteilen Battleansagen und hin und wieder auch kleine Seitenhiebe an Genrekollegen; dann philosophieren und rappen sie wiederum über all die positiven und negativen Momente und Situationen im Leben. Der Sound wirkt dazu passend und folgt dem Stil der MCs, er ist aber gleichzeitig recht abwechslungsreich geraten. Mal besteht das Instrumental beispielsweise aus kräftigen, teils drückenden Straßenrapsounds mit Piano- und Chor-Samples, ein anderer Beat klingt mehr nach amerikanischem Westcoast-Sound um die Jahrtausendwende. Diese starke Instrumentalgrundlage berappt die Dead Poets Society durchgehend solide und variantenreich. Auch wenn der Versuch einer gesungenen Hook mal nicht hundertprozentig sitzt, fällt trotzdem auf, wie gut die einzelnen Künstler miteinander harmonieren und gleichzeitig individuell überzeugen können. Und das fast über die gesamte Spielzeit von 110 Minuten, bei fast jedem Track. Ein Release mit der Menge an Songs, das man ohne Probleme von vorne bis hinten durchhören kann, findet man nicht oft – im Falle von "Dead Poets Mixtape Vol.2" allerdings schon.


    Homepage von Dead Poets Society – kostenfreier Download




    Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "Unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor Kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass wir nicht auf jede Anfrage persönlich antworten können. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!



    SK-pe (Sascha Koch)

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