Review: Sido – 30-11-80



  • 01. Hier bin ich wieder
    02. Es war einmal
    03. So wie du
    04. Papa, was machst du da
    05. Irgendwo wartet jemand
    feat. Mark Forster
    06. Enrico
    07. Einer muss es machen
    08. Arbeit
    feat. Helge Schneider
    09. Einer dieser Steine feat. Mark Forster
    10. Liebe
    11. Maskerade
    feat. Genetikk & Marsimoto
    12. Grenzenlos feat. Marius Müller-Westernhagen
    13. Fühl dich frei
    14. 30-11-80
    feat. Eko Fresh, Lakmann, Laas Unltd., Nazar, Frauenarzt, Manny Marc, Bushido, BK, Olli Banjo, Tarek, Smudo, Erick Sermon, MoTrip, Moses Pelham, BSH, Afrob, Dr. Renz & B-Tight


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    Review von FreyreVer:


    Es gibt eine Menge besonderer Momente im Leben. Für einige wohl der Gehaltsscheck am Monatsanfang, für andere sicherlich der Schulabschluss oder das Eigenheim. Es gibt aber auch Detailmomente: Zum Beispiel eine fantastische Party, ein besonderes Konzert oder, für einen Redakteur, die Veröffentlichung eines Artikels. Am Abend des 29.11.2013 durften so einige unter uns wieder einen dieser besonderen Zeitpunkte erleben, die vermutlich die meisten Rap- beziehungsweise Musikfans kennen. Denn was gibt es Schöneres in der Musik, als ein lang erwartetes neues Album, in diesem Fall "30-11-80" von Sido, in das dafür vorgesehene Gerät einzuschieben, sich aufs Sofa zu legen und die Play-Taste zu drücken? Speziell bei Sido wird dieser Moment aufgrund der zahlreichen Spekulationen bezüglich der neugewonnenen Reife des 33-Jährigen für den Hörer ein sehr entscheidender sein – passt die neue Einstellung zu ihm?


    "Höchste Zeit, dass ich mich mal wieder melde/
    Ohne mich ist deutscher HipHop nur ein Kinderspielplatz/
    Wenn ich nicht da bin, ist es einfach nicht dasselbe/
    Aber hier bin ich wieder, na, wie findet ihr das?/
    "
    (Sido auf "Hier bin ich wieder")


    Mit einer eindeutigen Ansage wird der Hörer auf dem ersten Track "Hier bin ich wieder" begrüßt. Ob Sido seinen vierminütigen Versprechungen auf den folgenden 13 Anspielstationen gerecht werden kann, wird sich zeigen. Doch was auch immer ihm alteingesessene Fans vorzuwerfen haben, die Technik wird es nicht sein. Denn Dinge wie Rhythmusgefühl, Reimschemata und Flowvariationen hat der gebürtige Ost-Berliner optimiert. So merke ich schon im ersten Part von "Hier bin ich wieder", dass Sido sich nicht nur in Sachen Inhalt, sondern auch, was angenehme Ausformulierungen deutscher Prosa, abwechslungsreichere Wortwahl und geübte Rhetorik angeht, enorm gesteigert hat – Lyrik statt Lausbub. Hinzu kommt aber ein Sympathiefaktor, der durch die Brücke zwischen Erwachsensein und kindlicher Seite ausgelöst wird. So ist "Maskerade" mit den Kollegen Marsimoto und Genetikk fast schon ein Battletrack, in dessen Video auch noch einmal die legendäre Maske in leicht abgeänderter Farbe aufgesetzt wird. Passend, denn die Thematik des Tracks führt von kleinen Anekdoten über das Konsumieren von Marihuana bis hin zum auffälligsten äußeren Erkennungsmerkmal der drei Rapper. Eine weitere Battlenummer stellt der von insgesamt 18 Features bestimmte Titeltrack am Ende der Platte dar, in dem noch einmal die Relevanz des ehemaligen Gangster-Rappers anhand seiner Freunde und Gastbeiträge präsentiert wird. Was sich signifikant gewandelt hat, ist, dass diese Lieder nicht mehr die Regel sind – sie stellen vielleicht ein Viertel des Albums, wenn überhaupt, dar. Denn eines ist eindeutig: Paul Würdig hat sich in 16 Jahren Karriere genauso verändert wie der musikalische Charakter Sido. Waren es 2003 noch raue Straßenbeats und Samples, gespickt mit Phrasen und Geschichten über das Leben im Ghetto, sind heute verantwortungsorientierte Balladen, retrospektive und objektive Darstellungen eigener Erfahrungen sowie ein sozialkritischer, subtiler Humor die Devise. Exemplarisch für die Entwicklung seiner Persönlichkeit stehen Titel wie "So wie du", "Papa, was machst du da" und "Enrico". Denn Paul Würdig ist nicht mehr der unzufriedene Marginalcharakter, der schlicht und ergreifend Aufmerksamkeit will. Er hat etwas zu sagen, etwas zu verarbeiten und vor allem etwas zu lehren. Nachdenken auf hohem Niveau, bis ins kleinste Detail gelungene Geschichten über Verantwortung, Erziehung und Einschränkung, ohne dabei in phrasenähnliche Fremdwortgeflechte abzudriften:


    "Er will so sein wie sein Bruder, so sein wie du/
    Pass lieber auf ihn auf, lass den Scheiß nicht zu/
    Nimm ihn an der Hand und zeig ihm, dass es besser geht/
    Führ ihn auf den rechten Weg/
    "
    (Sido auf "So wie du")


    Eine weitere einzigartige Fähigkeit des Berliners: Die Zeilen im Refrain sind stets die bedeutsamsten, zusammenfassenden Quintessenzen; Ohrwürmer ohne Frage. Und wenn der Protagonist nicht selbst den eingängigen Sound krönt, tun es die wohl selten besser gewählten Features: Mark Forster liefert nicht nur auf "Einer dieser Steine" einen Beitrag zur eindrucksvollen Platzierung des Rappers in den Single-Charts auf Rang 4, sondern auch auf dem obligatorischen Mutmach-Außenseiter-Song "Irgendwo wartet jemand" einen musikalisch brillanten Part. Marius Müller-Westernhagen imponiert mit den gewohnt epischen Gesangseinlagen. Und nicht nur der Name des Stücks ist "grenzenlos", auch die weiten, stadionartigen Ausführungen und Betonungen des Gastbeitrags vermitteln diesen Eindruck, das Lebensgefühl des Leistungsprinzips und dem Traum von der unendlichen Freiheit. Bemerkenswert. Ganz im Gegensatz zu dieser Großspurigkeit steht das folgende, wohl überraschendste Feature des gesamten Langspielers. Hört man sich "Arbeit" mit dem klassisch kurios-komischen Helge Schneider an, fallen einem schnell die zahlreichen Parallelen von Artist und Gast auf – vor allem in den vielfältigen und außergewöhnlich unterhaltsamen Humorpassagen. Denn die stetige Unlust, die Kapitulation vor dem Leistungsprinzip und die kurzen, aber dennoch gewichtigen Aussagen passen wie die Faust aufs Auge – womit gleich der Beweis des vorigen "Irgendwo wartet jemand" mit der Grundaussage, dass es für jeden einen passenden anderen Menschen gebe, erbracht wäre.


    "'Du, Sido?' – 'Was geht?'/
    'Sag mal, haste nicht was zu tun?'/
    'Nee Helge, ich hab' doch keine Arbeit.'/
    'Hammer, fett, Bombe, krass!'/
    "
    (Sido und Helge Schneider auf "Arbeit")


    Nicht zu missachten sind natürlich auch die zahlreichen Solotracks. So ist "Einer muss es machen" beispielsweise eine weitere sozialkritische Hymne an all diejenigen mit "ekligen", vorbelasteten und von der Gesellschaft verurteilten Tätigkeiten, die wohl die Wenigsten gerne ausführen würden. "Liebe" wiederum vermittelt den Eindruck eines ehrlichen, verliebten Paul Würdigs, der sich in Schwärmereien und Erfahrungen ausdrückt, die wohl die Meisten von uns kennen, ohne sich aber in Schnulzen oder philosophischen Erklärungsversuchen zu verlieren. "Fühl dich frei" hingegen ist ein nahezu stereotypischer Motivationstrack, der aber aus dem Munde eines Mannes mit solch einer Geschichte und Lebensphilosophie der Eigenständigkeit ein wahrhaftig begründetes Fundament bietet und demzufolge keinesfalls in Klischees verfällt. Obendrein sind die soundtechnischen Untermalungen einwandfrei. Die Beats sind nicht derart melancholisch und hintergründig, wie es vielleicht von einigen Skeptikern nach dem ersten Single-Release erwartet wurde. Oft sind wieder einmal knallende Bässe, ausgereifte Sample-Einbindung und Elektro-Sounds zu finden – ein Gesamtprodukt, für das sich die Produzenten, unter anderem DJ Desue, zumindest von meiner Seite aus gehörig auf die Schultern klopfen lassen dürfen. So bleibt nur noch beispielhaft zu zeigen, was Sido für eine Entwicklung gemacht hat – vom Straßenrapper zum Mittelschichtpoeten, vom Konfliktbereiten zum Verliebten. Vom Opfer der Gesellschaft zum an der Gesellschaft Zweifelnden, dessen Kritik nicht mehr über alle Stränge schlägt, sondern im konventionellen Rahmen bleibt, ohne aber langweilig zu werden:


    "Immer, wenn sie etwas wollen, sagst du nicht: 'Nein'/
    Doch wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein/
    'Wer kriecht, kann nicht stolpern', denkst du dir/
    Doch wenn wir aufgeben, enden wir/
    "
    (Sido auf "Fühl dich frei")


    Fazit:
    Ich stehe vom Sofa auf, nehme die CD aus der Anlage und bin froh über den mehr als gelungenen Kauf. Viel wurde von Sido erwartet. Und mir hat er das beste Album seiner Karriere geboten – musikalisch, technisch und vor allem inhaltlich. Ohrwürmer über Ohrwürmer, Radiohits mit Anspruch. Wundervoll. Der Berliner scheint angekommen zu sein – als Persönlichkeit und als Rapper auf seinem langen, erfolgreichen Weg. Auf "30-11-80" wird eine unfassbare Bandbreite geboten, in der mir sozialkritischer Humor, persönliche Denkmäler, aber auch Representing und Anspielungen auf die frühere Karriere aufgezeigt werden. Er hat all diese Brücken geschlagen und somit lyrischen Wert in leicht zu verstehende, knappe Aussagen komprimiert, sodass die Texte auf mehreren Ebenen aufgenommen und verstanden werden können. Ein weiterer Grund, dieses Album noch einmal zu hören. Und noch viele Male mehr, denn ihn hat Sido mir auf jedem der 14 Tracks geboten: meinen besonderen Moment.


    Redakteur-Bewertung der CD:

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    Review von TagTic:


    Kennt ihr diese Kinder, denen man immer fünf Euro in der Schule zugesteckt hat, weil deren größtes Talent das Malen war? Und zwar diese Art von Zeichnen, bei der man sich schämt, weil die eigenen Skizzen wie Strichmännchen wirken? Das ist ein Talent, das nur wenige Menschen besitzen. Ein Bild genau so zu Papier zu bringen, wie man es im Kopf längst geformt hat, nur mithilfe eines Stifts. Exakt dieses Talent hat Sido zu einem der bekanntesten Rapper dieses Landes gemacht ... Nur, dass er seinen Stift zum Schreiben verwendet. Der Hörer malt sich die Bilder also selbst. Auch auf seinem mittlerweile fünften Soloalbum "30-11-80" verfolgt Sido diesen Sinn, wie er seinen Fans in einem Interview mit Falk vorher verriet.


    Was für ein gutes Album "Ich und meine Maske" rückblickend war. Nach so vielen Jahren merkt man immer noch die Wut, die Provokation und die Ehrlichkeit, die Sido in jeden Song hat einfließen lassen. Wie viele Rapper mir auch von ihrer ach so harten Kindheit auf der Straße erzählen wollen: Ich merke immer, dass er einer der wenigen war, bei dem ich das nicht komplett als Attitüde, vielleicht auch als Verkaufsmasche, auffasste. Denn exakt diesen harten Straßensound verkörperte er damals mit ganzer Seele – egal, ob auf Tracks wie "Halt dein Maul" oder auf "Herz", so thematisch unterschiedlich diese Lieder auch sein mochten. Ich habe immer gemerkt: Der Junge hat was zu sagen. Und er schämt sich nicht, es so auszudrücken, wie es ihm gerade in den Kopf geschossen kommt. Warum ich in so vielen Zeilen genau das über ein altes Album erzähle? Weil es dieses "Anderssein" ist, was mir beinahe komplett auf "30-11-80" fehlt. Das Schlimmste daran: Sido weiß durchaus darüber Bescheid, dass er einen kompletten Stilbruch auf seinem nunmehr fünften Solo-Release eingeht. Deshalb fühle ich mich auf "Es war einmal" selbst auch angesprochen.


    "Viele hätten gern den alten Sido zurück/
    Doch während sie das sagen, entferne ich mich wieder ein Stück/
    Und singe Lieder vom Glück/
    Nie wieder Rumgemecker/
    Das überlasse ich lieber jungen Rappern/
    "
    (Sido auf "Es war einmal")


    Dabei hatte das Album so wahnsinnig gut begonnen. Auf "Hier bin ich wieder" hören wir nämlich genau den guten, alten Sido, der souverän über den nach vorne gehenden Beat rappt. Ganz im Stile früherer Intros berichtet er davon, was zwischen den Alben so in seinem Leben passierte. Wenn er dann in der Bridge möchte, dass man ihm Papier und Stift hinlegt, baut sich der erste Gänsehautmoment auf, da der Beat plötzlich aussetzt und Sido beinahe schreiend seine Rückkehr verkündet. Demnach bin ich froh, dass er mich mit "Es war einmal" auf das Album vorbereitet und erzählt, was mich wirklich erwartet. Musikalisch bleibt der zweite Albumtrack weit hinter anderen Songs von ihm zurück. Das Echo in der Hook klingt nicht mal nach dem zehnten Hören wirklich gut, dafür aber ist das lyrisch unheimlich ansprechend. Er erzählt mir nämlich in der Ehrlichkeit, die ich früher schon an dem Rapper mochte, welche Attitüde er über die Jahre behalten hat: Wenn Sido über erwachsene Themen rappen will, rappt Sido auch über erwachsene Themen. Keiner redet ihm rein, was er zu tun oder zu lassen hat. Dies lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Der Künstler hat keineswegs seinen Stil verloren. Er hat ihn nur verändert, seiner Gefühlswelt angepasst. Themen, die früher noch von Unzufriedenheit und Unverständnis für die Gesellschaft geprägt und durch Provokation ausgedrückt wurden, zeugen heute von einem bodenständigen Mann, der seine Frau und seine Kinder an die erste Stelle geschoben hat. Demnach sind die Tracks "Liebe" und "Papa, was machst du da" seiner Familie gewidmet. Die Leidenschaft, welche er in die Songs packt, erinnert immer noch an alte Zeiten, nur die Art und Weise, wie er sie rüberbringt, ist eben anders geworden. So singt er sich selbst schief und mehr schlecht als recht durch die "Liebe"-Hook und rappt dann über einen viel zu langsamen Beat den Track für den Sohnemann. Er macht eben immer noch das, was er für richtig hält. Das erzählt er uns auch auf "Fühl dich frei", wo man eine weitere Änderung am neuen Sido feststellt: Er legt mittlerweile Wert auf Reime. An jeder Zeile klebt ein Doppelreim. Das neu entdeckte Gefühl für stimmige Zeilen lebt er auf jedem Track aus, ob es Sinn ergibt oder nicht. Eine technische Verbesserung sollte eigentlich nichts Schlechtes sein, nur geht ein weiterer Teil vom alten Sido dadurch verloren: So stimmige, klare Bilder, wie er sie früher eben zeichnete, kann man nicht technisch solide verpacken, ohne meist im sinntechnischen Nirvana zu landen. So hören sich Zeilen wie "Ich hab' geheiratet, yeah!" (Sido auf "Hier bin ich wieder") eher peinlich an, wenn sie nur dazu da sind, um einen ordentlichen Reim zu finden. Aber ich werde an diesem Stilwechsel wohl wenig ändern können, denn, wie schon erwähnt, zieht Sido sein eigenes Ding durch. Der gleiche Sturkopf ist wohl auch "Enrico", ein Junge, in dessen Geschichte Sido seine Abstammung von Sinti und Roma verarbeitet.


    "Nein, Enrico hatte es nicht einfach/
    Doch er hatte einen Plan, der ihn irgendwann mal reich macht/
    Ihm ist egal, dass er in Mathe keine eins hat/
    Er wär' lieber mal so krass wie Django Reinhardt/
    "
    (Sido auf "Enrico")


    Auf einem schnellen, folkloristisch angehauchten Beat erzählt er uns die Geschichte eines Berliners mit ausländischer Herkunft, der seinen Traum verfolgt ... na, klingelt es? Das Ganze präsentiert Sido in der vorher schon angesprochenen, altbekannten Manier, was "Enrico" fast schon zum besten Track von "30-11-80" macht. Komplett authentisch erzählt er uns hier nämlich die Geschichte des Jungen, der sein Geld mit dem Putzen von Fensterscheiben verdient – ob die Autofahrer wollen oder nicht. Man merkt hier so deutlich, wie viel besser sein druckvoller Flow zu schnellen Beats passt. Tja, schade nur, dass auf "30-11-80" beinahe ausschließlich langsame Instrumentals zu finden sind. Auf Tracks wie "Einer dieser Steine" oder "Irgendwo wartet jemand", die durch die weiche Gesangsstimme von Mark Forster in der Hook musikalisch wahnsinnig stark sind, kommt das vor allem zur Geltung. Man spürt förmlich, wie sich der Rapper zurückhält, nur um im Takt zu bleiben. Das führt zu diesem langatmigen Flow, der textliche Stärken betont, wie es auf "Einer dieser Steine" der Fall ist. Hier erzählt er uns authentisch seinen Weg ins Rap-Geschäft in einer beinahe poetischen Geschichte, die wohl nur seine Liebe zu HipHop bezeichnen möchte. Gleichzeitig aber werden durch die langsamen Instrumentals auch Schwächen offenbart, wie es auf "Grenzenlos" der Fall ist. Was ich damit meine? Es fehlt das, was man früher an Sido wertschätzte: Diese direkte Ader, die Fakten, ob sie nun politisch korrekt formuliert sind oder nicht, einfach ausspuckte. Keinen Honig ums Maul schmieren. Wo früher unglaublich konkrete Bilder, wie beispielsweise das Gespräch auf "Halt dein Maul" mit der Kanzlerin, gezeichnet wurden, stehen heute Phrasen wie "Jeder Topf braucht seinen Deckel" (Sido auf "Irgendwo wartet jemand") oder "Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum" (Sido auf "Fühl dich frei"), die man eigentlich nicht von diesem Rapper, sondern eher von Glückskeksen her kennt.


    "Du weißt nicht, woher, du kennst ihn nicht, doch/
    Irgendwo wartet jemand auf jemanden wie dich/
    Du wirst es wissen, wenn du ihn endlich triffst, denn/
    Irgendwo wartet jemand auf jemanden wie dich/
    "
    (Mark Forster auf "Irgendwo wartet jemand")


    Hinzu kommen die Tracks, die exakt so klingen, als wollten sie alte Lieder ergänzen. Auch "So wie du" zum Beispiel, der die Thematik des älteren Tracks "Augen auf", also das Verantwortungsgefühl der Mutter für das eigene Fleisch und Blut, um die Elemente des Vaters, der Schwester und des Bruders erweitert. Speziell die Vaterrolle glänzt durch die persönliche Note, wenn Paul Würdig für seinen Sohn nur möchte, dass er es einmal besser hat als der Papa. Auch nicht ganz ernstgemeinte Tracks finden sich, ähnlich seinen früheren Alben, wieder: Vom Feature mit Helge Schneider auf "Arbeit" kann man halten, was man will, doch die sinnvolle Geschichte vom arbeitsunwilligen Deutschen, der darauf auch noch stolz ist, ist herrlich erzählt. Und das Kunststück, mit sinnentleerten Phrasen ein schlüssiges Gesamtbild zu schaffen, muss man auch erst bewältigen.


    Fazit:
    Es war Zeit für einen Reifeprozess beim super-intelligenten Drogenopfer, "weil ein Erwachsener, der über Jugendthemen rappt, peinlich ist" (Sido auf "Es war einmal"). Komplett richtig. Das Problem ist nur: Der Rebell, der Paul Würdig zweifelsohne war, spiegelte sich immer in seiner Musik wider. Nun ist der harte Straßenrapper eben zum zufriedenen Hausmann geworden, der mit einem Lächeln auf die Probleme von früher schaut. Wer zufrieden ist, passt sich an, und dies zeigt sich auch auf "30-11-80". Die Themen sind angepasst, der Beef bleibt aus, Problematiken sind weg – und was bleibt, ist ein solides Album, das nicht an den Flair früherer Werke anknüpfen kann ... einfach, weil der Rapper alles erreicht hat, wovon er früher nur geträumt hat. Die Liebe zur Musik ist geblieben und so präsentiert er uns auf seinem fünften Soloalbum statt hartem Straßenrap seichte Songs, die ein kleiner Junge auch beruhigt laut abspielen kann, ohne dass die geschockte Mutter ins Zimmer stürmt. Auch wenn ich diese Veränderung nicht unbedingt schätze, weil für mich dadurch beinahe kein Track auf "30-11-80" komplett seine Wirkung entfalten kann, lasse ich ihn einfach die Mucke machen, die er heute produzieren will. Diese Freiheit hat er sich redlich verdient. Ich wünsche jedem Fan, der den Wechsel vom Rüpelrapper zum Familienvater begrüßt, viel Spaß mit den weiteren Alben von Sido. Ihr werdet eure helle Freude haben mit den Bildern, die dieser Mann euch präsentiert.

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  • Zitat

    Und mir hat er das beste Album seiner Karriere geboten


    würde ich nicht unbedingt zustimmen & die feats feier ich persönlich einfach nicht so ab wie manch anderer vielleicht.
    Dennoch echt schöne Review FreyreVer, lässt sich sehr gut lesen und meistens auch nachvollziehen.
    Einstieg und Fazit sehr gelungen :)!


    2. Review gebe ich mir auch gleich noch.

  • Mark Forster nervt mich übertrieben auf diesen Album.


    Leider finde ich das ganze Album relativ langweilig.


    Papa was machst du da ist für mich der beste Track :thumbup:

    Zitat

    Ich hab' während der Schwangerschaft Mama in den Bauch getreten
    Denn ich wollt' so schnell wie möglich raus, um mein' Traum zu leben

    :king:

  • Hab nur das Snippet zum Album gehört, die Singles waren okay. Ich find die "Einer dieser Steine" - Hook im Gegensatz zu vielen sogar ziemlich gut. :D Aber alles in allem ist das Album einfach nicht das, was mir wirklich zusagt.

  • Sehr schwach leider. "Hier bin ich wieder" und "Maskerade" (abgesehen von Marsi) sind die einzigen Tracks die mir gefallen, sehr schade.

    you son of a bitch, she said, I am
    trying to build a meaningful
    relationship.


    you can't build it with a hammer,
    he said.

  • Finds leider schwächer als "Aggro Berlin". Hat paar richtige Bretter drauf, aber im gesamten doch zu schwach.

  • Sind paar coole Tracks dabei,aber nichts was ich mir auf Dauer geben kann.
    Dafür das er sich 3 Jahre Zeit gelassen hat ist das Album eigentlich ganz schön mies.
    #beste war deutlich besser

  • Album finde ich als eigentlicher Sidokritiker ziemlich gut und 5 1/2 Mics wären für mich absolut gerechtfertigt, wenn da nicht dieser jämmerliche Possetrack am Ende wäre. Da sind zugegebenermaßen zwei, drei coole Parts drauf, die meisten Beteiligten haben aber einfach nur hingerotzt oder sind in sich schon echt überflüssige Rapper. Die zehn Minuten Album hätte man auch anders vollgekriegt, davon bin ich überzeugt.

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