Tracklist:
01. Eure Hoheit
02. Kollegah
03. Big Boss
04. Straßenapotheker
05. In der Hood
06. Kokamusik
07. Bad Boy
08. Doubletime Freestyle
09. 30,3
10. 1001 Nacht
11. Selfmade Hustler
12. Gangstaarroganz
13. Halftime Freestyle
14. Herbst
15. Ghettobusiness
16. Bis zum Tag
17. Outro
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Review von lupa:
„Vor nicht mal zwei Jahren, da tickte ich noch Pep in der Hood/
heut hat/ ganz Deutschland/ auf die Goldkette gekuckt!/“
So schallt es einem entgegen auf „Kollegah“, dem zweiten von insgesamt siebzehn Anspielpunkten auf „KOLLEGAH“, dem zweiten Langspieler von – richtig: Kollegah. Und besagtes edelmetallenes Geschmeide funkelt dieser Tage heller denn je, möchte man meinen. Wo das keine zwölf Monate alte Debüt „Alphagene“ für viele am – im Vorfeld propagierten – Anspruch, „alles zerbersten“ zu müssen, scheiterte, scheint sein schlicht betitelter Nachfolger nun alles richtig zu machen. Unser aller selbsternannter Boss befindet sich auch in der Spielzeit 2008 weiter unbeirrt auf seinem „Weg nach oben“, „Vom Dealer zum Star“.
Dass es sich bei jenem Weg auch um einen ebensolchen und nicht etwa um fortwährende Stagnation auf hohem Level handelt, das macht diese CD auf beeindruckende Art und Weise deutlich. Das vorherrschende, sommerlich entspannte Soundbild wird immer wieder durch Club-Anleihen und den ein oder anderen Kollegah-typischen, düsteren Banger durchbrochen. Verschiedene Flow- und Stimmvariationen, Leitmotive und Bridges, sowie vor allem auch die – überwiegend gelungenen – Gesangseinlagen lockern das Werk zusätzlich nicht nur ungemein auf, sondern dürften zudem auch so manchen Kritiker, der da noch immer von Kollegahs „monotonem Sound“ spricht, als unverbesserlichen Spielerhasser entlarven. Aber genug der warmen Worte! Zeit für eine Bestandsaufnahme:
Nach einem straffen Intro inklusive Punchlines, Pathos und panisch im Wald umherrennenden MCs, dem titelgebenden Rückblick auf drei Jahre K-O-doppel-L-E-G-A-H und dem, mittels einer Gesangsbridge und einem bitterbösen
„Doch es ist wie Ventilatoren: Wenn du Wind davon bekommst, wirst du kaltgemacht!“,
aufgewerteten Vorabtrack „Big Boss“ kommen wir zur ersten echten Überraschung. Über einen entspannt-melodischen Gute-Laune-Beat mit Westcoast-Synthies macht Kollegah den geneigten Hörer mit seinem neuesten a.k.a. vertraut und bietet uns – immer vorausgesetzt, die Kohle stimmt – als der „Straßenapotheker“ an,
„für eine Dreiviertelstunde/ vom Weißen high wie Bisswunden“
zu sein. Nicht weniger als ein waschechter Hit, mit dem der urbane Medizinmann seinen angestammten Kundenkreis – bei richtiger Vermarktung – noch einmal deutlich erweitern könnte.
Mit „In der Hood“ und „Kokamusik“ folgt dann Stand der bossschen Kunst anno 2008: Zweimal bewährt gute Reimstafetten und Wortspiele kombiniert mit eingängiger Hook, performt auf einem treibendem Klangteppich.
An dieser Stelle darf jedoch der finale dritte Part der großen Nasenpuder-Abfahrt nicht unerwähnt bleiben: Auf eine, Fans der ersten Stunde noch aus einer RBA-Begegnung mit Untergrundrapper boZ bekannte, gestellte Bitte, der Boss möge doch noch mal „so krass abflowen“, hin, entfacht jener dann auch prompt ein knapp einminütiges nonstop-Doubletimefeuerwerk. Höchst beeindruckend – muss man gehört haben!
Und immer heiter weiter: Kollegah, der „Bad Boy“, nimmt uns zu den Klängen des 90er Jahre Eurodance-Hits „Omen 3“ einen Abend lang mit in den Club. Hier will ihm die Geschlechtsverkehr mit dem Boss gegenüber durchaus nicht abgeneigte Damenwelt augenscheinlich einen Umtrunk ausgeben. Zum ersten und einzigen Mal greift Monsieur Blume hier auf den umstrittenen Autotune-Effekt zurück. Überhaupt ist der gesamte Track ein weiteres Paradebeispiel für diese unbeschwerte Experimentierfreudigkeit, die „KOLLEGAH“ um so vieles interessanter und erfrischender macht, als es noch sein Vorgänger war.
Mit dem „Doubletime-Freestyle“ und „30,3“ folgen weitere Ohrwürmer, auf denen der böse Junge, unter Beihilfe von Haus- und Hofproduzent Rizbo, Takt um Takt hörbaren Sommer versprüht, ohne dabei je aus der bosshaften Rolle zu fallen. Ebensowenig als singsangender „Selfmade Hustler“, beim in Gedanken versunkenen durch-den-Park-Schlendern auf dem Quasi-Sequel „Herbst“ oder gar bei den allerersten Gehversuchen in Sachen musikalischer Liebeserklärung („Bis zum Tag…“).
Im Anschluss dann ein abermals sommerlich dahinplätscherndes Instrumental, auf dem einem einige der wahnsinnigsten Punchlines („… und das Treffen ist wie Vulkanlava: Es läuft nach dem Knallen auf Abhängen hinaus!“) und Reime ("Silikonimplantaten"/ "chilischotenzermahlend"/ "Kidneybohnensalate") um die Ohren fliegen, bevor die Hook schließlich die wichtigsten Stationen der letzten 60 Minuten noch einmal zusammenfasst. Spätestens hier und jetzt, mit diesem vor Witz nur so sprühenden, im süffisanten Ton zum Besten gegebenen Outro, dürfte aber auch für wirklich jeden, der je auf die Idee kommen könnte, sich dieses Album anzuhören, das ein oder andere dabei gewesen sein. Versprochen!
Das alles macht eins klar: Kollegah ist heute weit mehr als nur anspruchsvolle, aber monoton vorgetragene Battleraps. Kollegah, das sind abwechslungsreiche Flows. Kollegah, das ist eine bunte Mischung an Beatstyles. Kollegah, das sind scheinbar selbstverständliche Ausflüge in verschiedenste musikalische Genres und Subgenres. Und nicht zuletzt: Kollegah, das ist der Titel eines der wohl spannendsten Deutschrapalben der letzten Jahre!
Sicher, es ist auch diesmal kein zweites Zuhältertape Vol. 1 geworden, das sich einige scheinbar noch immer wünschen. Genausowenig wie „Herbst“ ein zweites „Sommer“ ist oder dein jetziger Partner eine zweite erste Liebe. Aber braucht das wirklich jemand? Ich behaupte jetzt einfach mal: Wenn sich der Staub erst gelegt hat, wird man sich beim nächsten Release eher ein zweites „KOLLEGAH“ wünschen! Sicherlich: Die absoluten Dauerbrenner unter den Kritikpunkten werden unseren echthaltenden Freunden auch zukünftig erhalten bleiben. Kollegah ist und bleibt eben immer ein Stück weit ein Kunstprodukt. Und ein Ferraris nicht als Luxusgüter erachtender Big Boss, dem Dinge wie Depriphasen nicht bekannt sind und bei dem die Frauen Schlange stehen, nur, um ihm einmal einen Drink spendieren zu dürfen, dürfte wohl nur für die allerwenigsten unter uns zur Identifikationsfigur taugen. Ebenso dürften sich wohl auch zukünftig eventuelle Ausweitungen des inhaltlichen Spektrums in Dingen wie der Ergänzung des Anrede-Repertoires rund um „Kid“, „Mois“ und „Johnny“ erschöpfen.
Aber jetzt mal ernsthaft: Kollegah mangelnde Themenvielfalt vorzuwerfen, ist, als kritisiere man bei Pornos die zu seichten Dialoge. Und all jenen, die sich mit den ganz eigenen Naturgesetzen, die in diesem Mini-Universum herrschen, das T-O-N-I auf seinen Tracks stetig weiter definiert, nun mal partout nicht anfreunden möchten, sollte der Titel dieses Albums dann auch als Warnung dienen: Wo Kollegah drauf steht, ist nun mal auch Kollegah drin. Ich für meinen Teil kann – heute mehr denn je – nur hoffen, dass das auch weiterhin so bleiben wird...
Redakteur-Bewertung der CD:
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Review von Snikka:
Wir schreiben die Sternenzeit 2008. Captain Kollegah und seine Selfmade-Crew reisen von ihrem Heimatplaneten Düsseldorf aus in eines der interstellaren Reiche der Hip-Hop-Heads: Deutschland. Hier wollen sie mit ihrem Mutterschiff, das denselben Namen wie sein Captain trägt, neue Anhänger für ihre Bewegung gewinnen, um so zur Großmacht aufzusteigen. Momentan wird die Nation noch von selbst erklärten „guten Jungen“ und aggro… Verzeihung, aggressiven Hauptstädtern regiert. Viele feiern die Neuankömmlinge bereits als Befreier, doch es gibt auch kritische Stimmen…
Kollegah selbst will mit seinem zweiten Album endgültig beweisen, dass er zu den ganz Großen gehört. Doch der zweite Track ist nicht mal ganz verklungen, da muss ich, zugegebenermaßen nicht wirklich überrascht, bemerken, dass die Tracks genauso, und zwar eins zu eins, bereits auf dem Vorgänger „Alphagene“ hätten Platz finden können, ohne dass es mir aufgefallen wäre.
Dennoch sollte sich auch bis zum letzten Hinterwäldler herumgesprochen haben, dass „Kolle“ die unangefochtene Spitze, was Puchlines und Wortspiele im Deutschen Rapbuisness angeht, darstellt. Lines wie…
„Deine Breitling-Uhr ist 'ne miserabele Imitation/
Meine ist voll mit "Ayes" wie 'n Piratenfilmdialog/“
„Denn diese Rapper und ihre ständigen Moraltexte/
Treiben mich bis zum Äußersten wie Zentrifugalkräfte/“
… findet man so nur sehr selten und in der Anzahl bei keinem anderen MC in Deutschland. Dennoch sollte er sich vielleicht auch mal an die so gehassten „Moraltexte“ setzen. Denn immer das Gleiche zu hören, sind die Punchlines auch noch so gut und würden jeden anderen Rapper im Battle alt aussehen lassen, langweilt auf die Dauer. Doch Kollegah versucht auch diesen Kritikpunkt zu beseitigen. Tracks wie „Herbst“, „Bis zum Tag“, „30,3“ und mit Abstrichen auch „Straßenapotheker“ weichen vom Zuhälter-Image ab und sind stellenweise trotz wenig innovativen Ideen durchaus gelungen.
„Der Glanz dieser Welt, doch nichts auf der Erde hält für ewig/
Alles was uns bleibt, wenn wir sterben, ist die Seele/
Und wir möchten im Leben keine Schlösser, wir beten/
Weil wir wissen, dass wir nach dem Tod dem Schöpfer begegnen/“
Nervig hingegen sind die ständigen Gesangspassagen des Boss, der lieber beim Rappen bleiben oder sich alternativ einen Gesangstrainer zulegen sollte. Den Flow als monoton zu bezeichnen, wäre sicherlich übertrieben und nicht ganz richtig. Ein passabler Halftime- und ein beim besten Willen nur durchschnittlicher Doubletime-Flow sind zwar ganz nett anzuhören, aber nichts, was mich ernsthaft vom Hocker reißen würde.
Daran ändern auch die Beats nichts, die von wirklich gut („Bis zum Tag“) bis ziemlich marode („Ghettobuisness“) alles zu bieten haben. Hier und da ein nettes Sample und vor allem viele Synthies zeichnen einen Kollegah-Beat aus. Allerdings erkennt man diese Art von Beat auch sehr schnell, was dafür sorgt, dass man sich das ein oder andere Mal wünscht, die Instrumentals wären etwas vielfältiger. So hatte ich bei „Big Boss“ und „1001 Nacht“ ernsthaft das Gefühl, ich würde zweimal denselben Beat lediglich etwas abgewandelt hören.
Fazit:
Selfmade wirft mit „Kollegah“ ein sauberes Werk auf den Markt und hat mit einem großen Hype in der Szene den nötigen Rückenwind, um gute Zahlen zu erwirtschaften. Doch der Boss ist und bleibt Geschmackssache. Technisch anspruchsvolle Reimketten und Punches halten sich die Waage mit dauernden Wiederholungen, Monotonie und thematisch fast nicht vorhandener Tiefe. Nimmt man das Ganze also etwas genauer unter die Lupe, bleibt von einem Hype nicht mehr viel übrig, dennoch wird einem hier die Möglichkeit geboten, die Plattensammlung um ein weiteres solides Selfmade-Release zu erweitern. Die Eroberung der Galaxie muss allerdings vorläufig verschoben werden…
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