01. Barfuss
02. Augen Zu
03. Niemand An Dich Denkt
04. Wir Wolln Sommer
05. Geisterstadt
06. Mitnehm
07. Gewinner
08. Schreibe Dir
09. Keinen Zentimeter
10. So Sein Wie Du
11. Utopie
12. Verlierer
13. Pause
14. Jede Stadt
15. So Sehr Dabei
16. Abspann (Weck Sie Nicht Auf)
Erfurt. Die beschauliche Landeshauptstadt des Bundeslands Thüringen. Bis auf die Tatsache, dass zahlreiche Mitglieder der Familie Bach im 17. und 18. Jahrhundert dort ihr Unwesen trieben, scheint sie in der Neuzeit eher einer Brache in der Musiklandschaft gleichzukommen. Doch ein Mann versucht das seit Jahren vehement zu ändern – mit Erfolg. Ein Mann, der seine Friseurlehre abgebrochen, einen Plattenvertrag bei Four Music bekommen und für das Goethe-Institut Reisen angetreten hat. Der Vorgruppe von Herbert Grönemeyer war, zweimal beim Bundesvision Songcontest (beim letzten Male sogar als zweiter Sieger) dabei gewesen ist und seiner Stadt immer noch die Treue hält. Sein Name? Clueso!
Nachdem er „Text und Ton“ zusammenbrachte, „Gute Musik“ machte und „Weit Weg“ war, ist er nun „So Sehr Dabei“. Dem will ich natürlich in nichts nachstehen und widme all meine Aufmerksamkeit dem vorliegenden, mit 16 Tracks bestückten Silberling.
Dass aus den HipHop-Wurzeln Cluesos nach und nach ein popmusikalischer Spross mit Singer-Songwriter-Blättchen heranwuchs, wird wohl nicht mal dem letzten Musikbanausen entgangen sein. Dass das aber nicht immer auch Verwelken, Verdorren, Eingehen nach sich ziehen muss, beweist er mit seiner Entwicklung eindrucksvoll. Schon mit „Barfuss“, dem Intro, bewegt sich seine Stimme leichtfüßig über akustische Gitarrenklänge und stellt klar:
„Doch ich fühl mich federleicht, weil es sich fast immer lohnt/
Und so erscheint, dass nichts so bleibt, wie’s ist, fast schon wie gewohnt/“
Die beiden Singles „Keinen Zentimeter“, mit der er eben Zweiter bei Raabs Bundesvision Songcontest wurde, und „Mitnehm“, die eine gesunde Prise Lockerheit und Wärme ausstrahlt, erweisen sich als gut gewählt und radiotauglich. Mit dem Wissen, dass das Album in einer spanischen Finka aufgenommen wurde, erscheint ein Track wie „Wir Wolln Sommer“ jedoch etwas grotesk. Hat aber genauso wie „Geisterstadt“, in dem die Umstände im Osten thematisiert werden, seine Daseinsberechtigung, denn das muss ja auch mal gesagt werden!
Höhepunkte bilden gewiss „Augen Zu“, „Utopie“ – das erst elektronisch, fröhlich beginnt und plötzlich in melancholische Sichtweisen, teilweise dissonante Töne switcht – und „So Sein Wie Du Willst“. Ersterer ganz klar durch den Stimmungswechsel von härteren Klängen in den Strophen zu sanften, ja schon träumerischen in der Ohrwurmhook. Letzterer wohl durch den ersten gesungenen Battletext:
„Worum geht’s in deinen Songs? Um Kleinigkeiten, die für dich selber scheinbar alles sind/
Nicht nur jetzt, sondern auch sonst machst du mir deutlich: Du und ich, wir sind nicht gleichgesinnt/
Du kannst mal schauen, wie weit du kommst auf meiner Bühne, bis mein Publikum dich kurz bei Seite nimmt/
Denn wir kennen kein Pardon, wenn’s darum geht, dass Typen wie du endlich leise sind/“
Klar, singender Punchlinekönig wird er wohl eher nicht werden, aber vielleicht bald als der Schöpfer des Battle-Pops gepriesen. Wer weiß?! Auch der Track „Gewinner“, der durch eine lyrische Meisterleistung auf einem dafür Platz lassenden entspannten Akustik-Beat hervorsticht, setzt ein Highlight auf „So Sehr Dabei“. Auffällig wird zusätzlich, dass Clueso dieses Mal keinen Gastvokalisten zu Worte kommen ließ, wie es bei seinen vorherigen Alben mit z.B. Blumentopf der Fall war. Damit gibt er sich (und seiner Band) den Raum zur freien und eigenen Entfaltung. Hätte schief gehen können. Ging es aber nicht. Denn auf die Art und Weise, wie sie es machen, beinhaltet es kein fehlgeschlagenes Experiment, sondern vielmehr eine musikalische Weiterentwicklung als auch stimmige Glaubwürdigkeit.
Was man als kleinen Kritikpunkt nennen muss, ist, dass Clueso mit seinem neuesten Streich etwas zu melancholisch, zu schwermütig, zu nachdenklich daherkommt. Mir fehlen die lustigen, humorigen Songs, die etwas abgespaceten, verrückten Lieder, schlichtweg Tracks, die zu diesen tiefergehenden ein Gegengewicht bilden und dadurch ein Gleichgewicht hervorrufen könnten.
Und dennoch bleibt mir nur eins zu sagen:
„[...] Und solang die Musik noch läuft und mein Tabak noch reicht, nehm ich das volle Programm!“
(„So Sehr Dabei“)
Mein Fazit:
Die lyrischen Welten, die er in Kombination mit den brillant geknüpften Soundteppichen erzeugt, suchen in diesem Genre ohne Weiteres ihresgleichen. Clueso hat sich mit jedem Album weiterentwickelt und scheint mit „So Sehr Dabei“ den momentanen Höhepunkt seiner musikalischen als auch kommerziellen Karriere erreicht zu haben. Und trotzdem scheint es noch Luft nach oben zu geben. Die eingefleischten HipHop-Nerds werden mit seinem jetzigen Sound wohl nichts mehr anfangen können. Jedoch kündigte er in Europas größtem HipHop-Printmagazin an, wieder Lust auf ein Rapalbum zu haben. Na, wir sind gespannt!
(Uli Mativ)
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