Interview: FiST


  • Anlässlich des Releases seiner neuen "Sturmzeit"-EP und der "Jeden Tag Wochenende"-Tour von Weekend, auf der er kürzlich gemeinsam mit Persteasy als Supportact unterwegs war, führten wir mit dem Bielefelder Rapper FiST einmal mehr ein kleines Interview. Das letzte Mal trafen wir ihn vor knapp drei Jahren – klar, dass da einiges an Gesprächsstoff nachzuholen war. So redeten wir unter anderem über seine aktuelle EP, sein im Gegensatz zu früher verändertes Soundbild und über seine bisherigen Live-Erfahrungen.


    rappers.in: In unserem letzten Interview von vor drei Jahren war eines der großen Themen, die wir behandelt haben, der "Hunger", der in deiner Stimme zu hören ist, wenn du aggressiver rappst. Auf "Sturmzeit" hört man allerdings weniger Aggressivität als zuvor – klar, du behandelst auch andere Themen. Trotzdem würden wir zu Beginn gerne mal wissen, ob du heute noch denselben "Hunger" auf mehr empfindest wie damals oder ob sich das verändert hat?


    FiST: Der Hunger ist auf jeden Fall noch dageblieben – vielleicht nur in anderer Form. Also nicht mehr im Battlerap, sondern insofern, dass man wirklich versucht, das Allerbeste rauszuholen. Und das hab' ich auch auf der, wenn man so will, eher ruhigen "Sturmzeit"-EP so gehandhabt und mit den No-Budget-Möglichkeiten, die wir haben, versucht, das Beste rauszuholen. Und da hört man den Hunger hoffentlich auch raus. Zwei Battletracks hab' ich mit Weekend und Lance ja auch drauf und so kommen dann auch die Battlerap-Fans auf ihre Kosten.


    rappers.in: Kannst du ein kurzes Résumé ziehen, ob es dir deiner Meinung nach gelungen ist, das "Beste" aus deinen Möglichkeiten herauszuholen?


    FiST: Bis jetzt voll. Von der Produktion her bin ich auf jeden Fall sehr zufrieden. Da war natürlich auch ein bisschen Zeitdruck, um das Ganze noch vor der Tour herauszubringen, aber trotzdem bin ich komplett zufrieden. Es ist auch das erste Mal so, dass ich die Songs nach einem Release noch immer hören kann und nicht denke: Ja, den hätt' ich jetzt vielleicht noch runtergenommen. So war es bei vorherigen Produktionen, die ich gemacht habe. Jetzt, ist das Ganze stimmiger, würde ich sagen. Die Produzenten haben alle gut gearbeitet und sich dafür auch Zeit genommen, Maxat hat gut gemischt und SuiGeneris hat gut gemastert. Produktionstechnisch bin ich auf jeden Fall komplett zufrieden – und mit den Reaktionen genauso. Da hätt' ich ehrlich gesagt viel weniger erwartet. Bis jetzt ist alles komplett positiv und die Leute nehmen's gut an.


    lupa: Ich empfinde es so, dass die Resonanz auf deine Musik in den letzten Wochen und Monaten auch sehr stark angestiegen ist – siehst du das genauso oder bekommt man das irgendwann auch gar nicht mehr mit?


    FiST: Doch, ich krieg' das schon alles mit. Das freut einen auch und spornt einen weiter an. Die beliebten Klickzahlen auf Facebook wachsen auch stetig – man merkt einfach, dass mehr Leute Interesse haben, um sich mit dir als Musiker zu befassen. Ich würde jetzt noch nicht von einem Hype sprechen, sowas finde ich immer gefährlich. Aber es geht alles step by step gut voran und entwickelt sich weiter – und da merkt man halt auch, dass es Sinn macht, dran zu bleiben, sag' ich jetzt mal, und dass man nicht völlig ins Nichts arbeitet. Auf jeden Fall merkt man 'nen Anstieg zu den vorherigen Produktionen oder dem Interesse an mir.


    rappers.in: Wir würden das "Hunger"-Thema und das letzte Interview gerade nochmal gerne aufgreifen. Damals hast du gesagt: "Meiner Meinung nach verlieren viele Rapper diesen hörbaren Hunger. Nach ihrem ersten Album und den nachfolgenden Alben hören die sich dann verkopft an und verlieren an Leichtigkeit." Kannst du dem nach wie vor zustimmen und was tust du jetzt, drei Jahre später, um diesem Prozess selbst entgegenzuwirken?


    FiST: Ja ... das ... hab' ich gesagt? (grinst)


    lupa: Ja, das hast du gesagt!


    FiST: Also ... Ich würde sagen, das mit dem "verkopft" oder mit der Leichtigkeit ... die hab' ich halt nicht. Bei der Soloproduktion hab' ich gemerkt: Das ist ein ganz anderes Arbeiten, als wenn du das mit jemandem zusammen machst, wie zum Beispiel das "Ohne Worte"-Album mit Maxat. Das hast du halt immer noch einen an deiner Seite, der dir sagt: Ja, ist gut so, den Song können wir raushauen. Und wenn du auf dich alleine gestellt bist, musst du halt einfach für dich selbst entscheiden: Mach' ich jetzt das Song-Konzept? Bleib' ich dabei? Wie stell' ich das am besten dar? Ist die Line cool? Und so weiter. Ich war da auf jeden Fall sehr verkopft bei und will dann natürlich auch was Gutes liefern. Aber heutzutage würde ich sagen, dass das nicht unbedingt den Hunger mindert. Diesen Hunger würde ich einfach in einer anderen Form beschreiben – der kommt halt, wie ich schon gesagt habe, daher, dass man versucht, das Beste rauszuholen und keine 08/15-Dinger raushaut, um irgendwas rauszuhauen. Ich versuche einfach, nicht auf der Stelle zu stehen, was Song-Konzepte, Themen und Beats angeht. Dass man sich da stetig weiterentwickelt und auch den Bock drauf hat und es zulässt, sich weiterzuentwickeln, und nicht sagt: Okay, das hat jetzt funktioniert, ich bleib' jetzt dabei. Ich versuche schon, immer noch innovativ zu sein und etwas Neues für mich zu schaffen. Und das ist dann die Form von Hunger, die ich da mit einfließen lasse.


    rappers.in: Das heißt auch, dass sich dein Soundbild stetig weiterentwickelt?


    FiST: Ja, das würde ich so sagen. Ich würde "Sturmzeit" auch erst einmal als Startschuss ansehen, auf dem ich weiter aufbauen werde. Ich mach' beim ersten Soloalbum, das kommt, nicht irgendwelchen Electro- oder Techno-Rap. Es geht einfach darum, auf der Grundlage oder dem Soundbild, das man jetzt kreiert hat, zu versuchen, eine gesunde Weiterentwicklung zu schaffen.



    rappers.in: Wenn du gerade schon dein Soloalbum erwähnst – kann man daraus schließen, dass schon etwas in Planung ist?


    FiST: In Planung auf jeden Fall, aber jetzt kommt erstmal die Tour und "Sturmzeit" ist ja auch gerade erst draußen. Ich hab' schon so ein paar Ideen, die ich umsetzen würde, aber das ist alles noch nichts Greifbares, was man jetzt äußern sollte.


    rappers.in: Kommen wir mal konkret auf "Sturmzeit" zu sprechen: Was genau assoziierst du mit dem Titel? Ist das allgemein auf die heutige Zeit bezogen, direkt auf deine Musik oder auf dich als Person? Oder auf etwas ganz Anderes?


    FiST: Eigentlich von allem, was du gerade gesagt hast, etwas. Den EP-Titel hatte ich auch schon ziemlich früh – direkt nach dem Album mit Maxat, als ich mich dann solo dran gesetzt hab'. Ich finde einfach, da kann man sehr viel Schönes reininterpretieren. Soundmäßig auch, weil es da dieses "Auf und Ab" auf der EP gibt. Da ist mal mehr Energie zu spüren und mal weniger. Und auf meine Person bezogen könnte man da von positiven oder negativen Phasen im Leben oder Alltag sprechen und das kann man dann natürlich auch auf die ganze Generation der Jugendlichen beziehen. Deswegen fand ich das ganz gut. Weil "Sturm" einfach eine schöne Metapher und "Sturmzeit" ein schönes Wort ist, meiner Meinung nach. Und darum hab' ich das gewählt.


    rappers.in: Du lässt damit, wie du eben gesagt hast, auch viel Interpretationsspielraum für deine Hörer und gibst ihnen keine konkrete Richtung vor, in die sie sich denken müssen – ist das auch ein Punkt, der wichtig für dich ist?


    FiST: Ja, das find' ich wichtig. Es soll halt nicht ganz so plakativ sein, sondern so, dass die Leute für sich selbst noch einen Spielraum haben und eigene Interpretationen entwickeln können. Das ist bei den Songs genauso. Ich hab' bei der EP auch zum ersten Mal versucht, nicht zu genau zu werden, sondern eher eine Atmosphäre und Emotionen zu bringen, damit die Leute selbst nachdenken und reflektieren können.


    rappers.in: Deine Musik hat sich in den letzten Jahren in eine etwas andere Richtung entwickelt – kam dieser Wandel bewusst oder eher unbewusst?


    FiST: Der kam echt unbewusst, muss ich sagen. Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass ich in meiner Entwicklung abrupt einen krassen Bruch drin hatte, aber ich hatte ja immer schon ein oder zwei persönliche Songs auf jedem Kollaboalbum, das ich bisher gemacht habe. Aber dass es jetzt zu fast 80 Prozent persönlich geworden ist, kam mit der Zeit einfach irgendwie. Als ich mit dem Soloprojekt angefangen hab', hab' ich mir halt überlegt: Okay, was willst du solo jetzt überhaupt machen und was macht dich aus? Was möchtest du an Musik vermitteln? Und da war es dann komischerweise so, dass mir die persönlichen Tracks leichter gefallen sind als Battlerapsongs, die ich früher eher bevorzugt hab'. Weil das auch einfach eine neue Herausforderung war. In den letzten drei Jahren ist auch so viel in meinem Leben passiert, dass ich da auch viel Input hatte, den ich in die Musik einfließen lassen hab'. Ich wollte auch inhaltlich etwas bieten und nicht nur eine reine Battelrapplatte machen.


    rappers.in: Deine EP ist damit ja ein Stück weit auch aus dem Moment heraus entstanden – es könnte also auch sein, dass du in ein paar Jahren wieder Lust auf Battlerap hast, oder? Oder schließt du das vorerst komplett aus?


    FiST: Ich schließe das nicht komplett aus – ich höre auch viel Battlerap und mag das. Mit Weekend und Lance hab' ich ja, wie gesagt, auch zwei Battlerapsongs drauf, nur eben mit einem kleinen Thema. Das wird sich jetzt nicht komplett verlieren – ich mache nicht nur persönliche Songs, sondern eher Musik nach Lust und Laune.


    rappers.in: Bestehen aktuell eigentlich auch Pläne mit deinem alten "Ohne Worte"-Kollegen Maxat? Soweit wir wissen, habt ihr nach wie vor regen Kontakt, wobei er sich, ähnlich wie du, musikalisch auch in eine andere Richtung entwickelt hat. Denkst du, dass eure aktuelle Musik noch zusammenpasst?


    FiST: Erstmal ist er ein guter Kumpel und wir haben wirklich extrem viel Kontakt. Wir spielen Live-Gigs zusammen, er hat die komplette Platte aufgenommen und auch gemischt. Aber das stimmt: Wir sind soundmäßig vielleicht ein bisschen auseinander gedriftet, kann man sagen. Er war ja fleißig und hat mehrere EPs rausgehauen. Aber ich denke, dass da immer noch eine Konstante oder eine Schnittstelle ist, wo man sich treffen und gemeinsame Songs machen kann. Und da hab' ich auch Bock drauf – es ist jetzt nicht so, dass wir musikalisch gar keine Lust mehr aufeinander haben. Jetzt wollte ich halt erstmal ein Soloprojekt machen und er arbeitet gerade, glaube ich, auch an einem Soloalbum. Wir schauen mal, was die Zeit bringt.


    rappers.in: Beeinflusst ihr eure aktuelle Musik eigentlich gegenseitig?


    FiST: Jeder hat halt seinen eigenen Geschmack, der mittlerweile in verschiedene Richtungen geht. Aber ich find' das auch nicht schlimm – jeder soll sein Ding machen und er macht's halt ein wenig anders als ich. Alles ist gut soweit.



    rappers.in: Du warst ja vor Kurzem mit Weekend und Persteasy auf deiner ersten eigenen Tour. Deswegen würden wir gerne von dir wissen, wie du dir konkret das Tourleben vorgestellt hast und ob deine Erwartungen oder Befürchtungen auch eingetreten sind.


    FiST: Also, eine genaue Vorstellung hatte ich vorher nicht. Ich habe einfach auf eine gute Zeit gehofft und die hatte ich dann auch. Die Auftritte waren durchgehend geil und die Stimmung innerhalb unserer Truppe war auch perfekt. Obwohl, ich hatte vorher die Angst, krank zu werden. Und das wurde ich leider. Deswegen konnte ich in Kassel und Hannover leider nicht auftreten. Aber dank eines Apothekengroßeinkaufs war ich dann fix wieder fit. Also, alles in allem echt 'ne wahnsinnig geile Zeit und erste Tour.


    rappers.in: Bist du eigentlich alleine aufgetreten oder hattest du einen Backup?


    FiST: Der emkay war für die Tour mein Backup und hat 'nen super Job gemacht.


    lupa: Habt ihr denn vor der Tour jede Menge geübt oder seid ihr quasi "spontan und improvisierend" mitgefahren?


    FiST: Wir haben in Münster beim Soundcheck das erste Mal geprobt ... Also: Ja, wir hatten 'ne richtig professionelle Vorbereitung. (lacht) Hat aber zum Glück alles schnell funktioniert und wir waren live ein gutes Team, würde ich jetzt mal behaupten.


    rappers.in: Und bist du bisher denn auch mal allein aufgetreten?


    FiST: Nein, komplett allein noch nicht. Ich glaube, dass es für mich aber nicht so eine krasse Schwierigkeit wäre, weil ich, auch wenn ich live rappe, fast immer alles selbst rappe und nie Worte auslasse, die jetzt nur ein Backup rappen muss, um die Lücke zu füllen. Deswegen denke ich, dass das auch möglich wäre, aber mit einem Backup ist das natürlich schöner und hat mehr Power, sag' ich mal.


    rappers.in: Ist das nicht unfassbar anstrengend?


    FiST: Ich hab' jetzt nicht die mega Kondition, aber irgendwie die Luft. Ich weiß auch nicht, woher die kommt, aber bis jetzt hatte ich noch nie das Problem, dass ich mitten in einem Song dachte: Okay, jetzt bin ich komplett tot und kann gar nicht mehr rappen.


    rappers.in: Denkt man eigentlich noch nach, wenn man seine eigenen Texte live rappt, oder rappt man die einfach auswendig runter und beachtet den Text gar nicht mehr?


    FiST: Mir ist aufgefallen, dass ich die eigentlich nur runterrappe, weil wenn man an diesen Punkt kommt – an dem war ich halt auch schon –, an dem man sich fragt, wie jetzt die nächste Zeile weiterging, ist's schon zu spät. Dann hast du irgendwie einen Hänger, obwohl du keinen haben müsstest, nur weil du drüber nachgedacht hast. Und deswegen fließt das zumindest bei mir einfach alles runter. Ich hab' mir auf jeden Fall angewöhnt, dass man auch ins Publikum guckt – früher hab' ich immer nur so vor mir hergerappt und gedacht: Ey, verkack' den Text nicht, zieh's durch, mach' den Song gut. (lacht) Mittlerweile kann ich es zwischendrin auch ein bisschen genießen, wenn die Leute zum Beispiel die Hook mitgrölen oder so. Dann bekommt man halt auch dieses Feedback mit, das ich früher nicht hatte – ich hab' einfach durchgeballert und erst nach dem Auftritt überlegt, ob das jetzt gut war. Weil man da selbst in so 'nem kleinen Film drin ist. Aber auch, wenn man mal 'nen Hänger hat ... meine Güte, das ist menschlich. Und bis jetzt hatte ich noch nie einen Totalausfall, wo ich 'nen Song hätte abbrechen müssen, weil ich ihn gar nicht mehr drauf hab'.


    lupa: Du bist aktuell ja auch noch auf einer Stufe, auf der du üben darfst. Und ich glaube, dafür hat sich diese Tour bestimmt auch super angeboten. Du warst nicht der Headliner, aber auch niemand Unbekanntes für das Publikum. Du bist genau in diesem Mittelfeld, in dem du noch üben "darfst", finde ich.


    FiST: Genauso sehe ich das auch. Die Tour als Voract mitzumachen war da ein gutes Livetraining.


    rappers.in: Es gibt ja Leute, die immer ihre eigenen Rituale vor einem Gig haben. Hast du da auch so etwas?


    FiST: Dieses Aufgeregtsein kommt bei mir manchmal schon ein, zwei Tage vorher, in ganz schlimmen Momenten. Ansonsten bin ich direkt vor dem Gig auch kaum ansprechbar, sitz' einfach nur im Backstage und überlege, ob ich die Texte noch kann. Dann geh' ich die alle nochmal durch und da machen sich die Kollegen wie Maxat oder der DJ schon darüber lustig – die wissen praktisch schon Bescheid, dass man mit mir dann nicht mehr viel anfangen kann, in der Zeit vor dem Gig. (lacht)


    rappers.in: Dir gehört das letzte Wort – willst du unseren Lesern noch etwas ausrichten oder jemanden grüßen?


    FiST: Ich bedanke mich erstmal für das Interview! Jeder, der sich noch die "Sturmzeit"-EP zulegen will, kann das unter phoenix-clothing.com oder auf iTunes, Amazon und so weiter tun. Ansonsten nochmal vielen Dank an jeden, der so krass mit uns auf der "Jeden Tag Wochenende"-Tour gefeiert hat, es war 'ne super Zeit. Bis zum nächsten Mal! (lacht)



    (Florence Bader & Pascal Ambros)

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