Review: Bosca – Solange es schlägt



  • 01. Intro
    02. Hunde vor die Tür
    feat. Timeless
    03. Platz in meinem Herzen
    04. In einer Welt
    05. Wieder unterwegs
    feat. Vega
    06. Jeden Tag der selbe Scheiss
    07. Der mit den Adlern fliegt
    08. Grauschwarz
    09. Unsere Zeit
    10. Dunkle Wolken
    11. Schrei's in die Welt (Skit)
    12. Letztes Lächeln
    13. Welche Worte
    14. Tunnelblick
    15. Outro


    Nachdem der Frankfurter Rapper Vega 2011 das Label Freunde von Niemand aus dem Boden stampfte, konnten dessen Künstler in den darauffolgenden Jahren viele, teilweise unerwartete, Erfolge erzielen – sowohl Bizzy Montana als auch Timeless und Liquit Walker, der damals noch Bestandteil der Plattform war, sicherten sich mit ihren Soloplatten ansehnliche Platzierungen in den Charts. Label-Oberhaupt Vega selbst hievte FvN mit seinen beiden Soloalben "Vincent" und "Nero" sogar bis in die Top 5. Doch obwohl er von Anfang an zum festen Repertoire der Crew zählte, schien Vs jahrelangem Weggefährten Bosca für die Käuferschicht noch irgendetwas zu fehlen – oder die Zeiten wollten ihm nicht so wirklich die Chance geben, die er verdient. Denn während sein Solodebüt "Fighting Society" damals das erste Release der Freunde von Niemand darstellte und der Weg zur festen Etablierung erst noch geebnet werden musste, soll "Solange es schlägt" einem, nach den Ereignissen der letzten Monate von manchem Rapfan schon tot geglaubten Label, jetzt wieder Leben einhauchen. Denn nach der Bekanntgabe diverser Trennungen zwischen dem Label und Künstlern wie Liquit Walker, Migo, Jumpa und zuletzt sogar Manager Hadi El-Dor wurde erst in jüngster Vergangenheit in vielen Ecken des Internets über ein mögliches Aus der Plattform spekuliert. Mit der kürzlichen Platzierung auf Position zehn der deutschen LP-Charts dürfte Bosca zumindest verkaufstechnisch gezeigt haben, dass FvN definitiv noch lebt. Aber schafft er es auch soundtechnisch, seine Position in der Rapszene weiter auszubauen?


    "Das ist Mucke aus dem Land mit dem Löwen als Emblem/
    Meine Leute ham' gesagt: 'Du musst töten statt zu reden'/
    Und diese Chabos kommen wahllos in dein' Ort/
    Mit Bandana vorm Gesicht und 'nem Bangalo in der Shox/
    "
    (Bosca auf "Intro")


    Was sowohl Vega als auch Bosca stets gemeinsam hatten, ist die Geradlinigkeit ihrer Mucke. Die beiden haben nun mal ein genaues Ziel vor Augen und experimentieren nicht gerne herum – in Zeiten, in denen jeder zweite Rapper schon fast zu experimentierfreudig wird, ist das für mich persönlich einerseits zwar löblich, andererseits besteht so natürlich auch die Gefahr, auf Dauer zu variationsarm zu erscheinen. Das war von vornherein auch meine Befürchtung, doch sobald das "Intro" von "Solange es schlägt" einsetzt und man wie automatisiert einen Vergleich zu "Fighting Society" ziehen möchte, registriert man eben doch einen Unterschied zu den früheren Werken des Wiesbadeners: "Solange es schlägt" ist viel musikalischer. Das "Intro" und auch die ersten nachfolgenden Songs weichen zwar nicht wirklich von der rauhen Straßenthematik, den zahlreichen Résumés von Erlebnissen mit den Frankfurter Ultras und dem Platzhirsch-in-der-Rapszene-Spielen ab, die schon auf Vorgänger-Releases einen erheblichen Anteil am Inhalt hatten, gehen allerdings viel flüssiger ins Ohr als noch vor ein, zwei Jahren. Das mag nicht nur daran liegen, dass die Instrumentals von Cubeatz, Johnny Pepp, Cristal, Drumz N' Roses, Rooq, Allrounda Productions und Bizzy Montana größtenteils noch viel mächtiger, epischer und durch den richtigen Einsatz von Piano, Violinen und Choir-Samples weitaus melodischer als zuvor wirken ("Platz in meinem Herzen", "In einer Welt", "Der mit den Adlern fliegt"), sondern auch daran, dass Bosca seine Zeilen zum Ende hin nicht mehr "abhackt". Bei früheren Werken fiel es mir immer wieder auf: ein nicht ganz rundes Zeilenende, das noch Platz für ein paar Millisekunden gelassen hätte oder nicht stilhaft genug betont war. Das schafft Bosca dieses Mal auf voller Linie zu vermeiden – und auch wenn sich das so anhört, als hätte sich außer ein bisschen Silbengeraderücken nicht viel getan, macht der Hörgenuss damit einen gewaltigen Schritt nach vorne.


    "Da, um zu kämpfen, wahllose Menschen/
    Eine Hand voller Chabs, die im Chaos verenden/
    Drauf, bis der Kopf platzt/
    Und du siehst eine Welt zwischen Schauspielern, Rauschgift und Boxsack/
    "
    (Bosca auf "Grauschwarz")


    Thematisch lässt Bosca zunächst einmal in aggressiver Haltung gemeinsam mit Timeless "die Hunde vor die Tür", reflektiert auf einem unheimlich melodiösen Cristal-Instrumental seine Vergangenheit ("Platz in meinem Herzen"), übt bildgewaltige Gesellschaftskritik "in einer Welt, wo du Geschäfte mit dem Teufel machst" und ist mit Vega "wieder unterwegs mit der Kapuze im Gesicht", um natürlich den größten Banger der ganzen Platte zu liefern. Die Bässe dröhnen dabei laut in den Ohren, die düsteren und eingängigen Pianomelodien, Streicher und Choir-Samples erzeugen eine episch-drückende Atmosphäre und jeder Track ist für sich genommen einfach nur rund. Auch seine Storyteller-Kenntnisse bringt Bosca einmal mehr zur Geltung. Käufer der letzten "UltraKaos"-EP haben etwas in der Richtung bereits gehört – auf "Jeden Tag der selbe Scheiss" beweist der Wiesbadener im ersten Part einmal mehr, dass er Bilder im Kopf malen kann, wenn er von einem ganz normalen Morgen, dem alltäglichen Weg zum Briefkasten und dem Krach, den die Bauarbeiter vor dem Fenster anrichten, berichtet. In eine ähnliche Richtung geht auch "Tunnelblick", der retrospektiv von Stadtrundgängen und Saufgelagen erzählt. "Grauschwarz" scheint beim ersten Hören der Hook ein typischer Kopf-hoch-Song zu sein, allerdings mit altbewährter Chabo-Mentalität, hört man in die Parts rein. Der Mix stellt sich aggressiv-deep dar – und fruchtet. Gut, dass diese aggressive Deepness den Grundtenor, den sich Bosca auf "Solange es schlägt" zu eigen macht, darstellt, denn jetzt mal ganz ehrlich: Mir persönlich ist diese Art, Ereignissen einen Namen zu geben, deutlich lieber als musikalisches Rumgeweine. Ehre, Stolz, Perspektivlosigkeit, aber dennoch irgendwie ein Ziel vor Augen, obwohl die Welt ihn täglich "abfuckt" – prägende Elemente in Boscas Leben und damit auch auf dem Album. Aber auch Gänsehautmomente sind drin. Wenn diese nicht gerade schon ohnehin von den Beats kommen, dann spätestens bei dem wohl persönlichsten Song der Platte, "Letztes Lächeln". Dieser ist eine Widmung an eine verstorbene Freundin, in keinster Weise klischeebehaftet und deshalb top.


    "Was du konntest, war, dein' Freunden Gutes zuzureden/
    Und warst du draußen, warst du laut, mit deinem sturen Schädel/
    Du hattest so viel Freunde, warst immer gut zu Leuten/
    Auch, wenn ein paar davon leider nicht immer Gutes wollten/
    "
    (Bosca auf "Letztes Lächeln")


    Wenn nun schließlich das "Outro" läuft, bestätigt sich der erste Eindruck: Jeder Song ist für sich genommen rund. Hier liegt aber zeitgleich auch der Haken: für sich genommen. Addiert man die Tracks alle zusammen, hat man nach wie vor ein, wie es bei Freunde von Niemand-Releases eben häufig der Fall ist, fast schon zu einheitliches Klangbild. Zwar sorgen Titel wie "Letztes Lächeln", "Jeden Tag der selbe Scheiss" und "Tunnelblick" für inhaltliche Variation, dennoch schleicht sich auf Dauer Monotonie in den Longplayer ein. Und auch, wenn Boscas Musikalität in Sachen Betonung sich deutlich verbessert hat und den Hörgenuss damit um ein Weites nach oben hievt – schlussendlich fehlt es noch ein wenig an Flowvariation und dem Spielen mit der Stimme, um nicht auf jedem Song allzu identisch zu wirken. Einen ersten Schritt in diese Richtung macht "Schrei's in die Welt (Skit)", das mit einer seichten Instrumentalkulisse und einem beinahe schon flüsternden Bosca aufwartet, dessen Stimmgewalt sich unter nach und nach einsetzendem Drumset erst zum Finale hin vollends entfaltet. Schade eben, dass es genau dann nur bei einem Skit bleibt – davon auf Album Nummer drei bitte mehr!


    Fazit:
    "Solange es schlägt" ist im Vergleich zu "Fighting Society" nicht nur noch reichhaltiger an Straßenbangern, sondern auch noch persönlicher geraten. Sprich: Bosca hat es geschafft, die beiden Elemente, die ihm am meisten liegen, fast perfekt miteinander zu kombinieren und eine aggressiv-deepe Haltung als roten Faden für seine Platte zu nutzen. Ein großes Fundament für diese Glanzleistung liegt natürlich in den Instrumentals. An den Inhalten und Texten hat sich im Vergleich zu früher zwar wenig geändert, aber dafür vieles an der Darbietung, die sich weitaus musikalischer und flüssiger präsentiert. Dennoch bleibt ein kleiner Wermutstropfen: Die thematisch abgerissenen Aspekte wiederholen sich über die Spielzeit verteilt dann doch ein wenig zu oft, um auf Dauer überzeugen zu können und aus ihrer Kurzweiligkeit auszubrechen. Alles in allem lässt sich allerdings sagen, dass "Solange es schlägt" sich so anhört, als sei es genau das Album geworden, das Bosca immer schon machen wollte. Wenn dem so war, ist das Vorhaben geglückt.



    Pascal Ambros (ProRipper)

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  • da wäre es intessant gewesen mal eine andere meinung zu hören als von einem fanboy, nix gegen dich pascal, schreibst das natürlich wunderbar wie immer und kannst nix dafür, dass dir das album so gut gefällt, aber das album klingt für mich 1zu1 wie jedes album von vega oder bosca oder ähnliches lablegewächs, fvn arbeiten gut, aber sehr monoton in eine richtung, sowas hätte ich lieber gelesen als nur lobeshymnen und hohe bewertungen

  • Zitat

    Original von x-ZiTe
    da wäre es intessant gewesen mal eine andere meinung zu hören als von einem fanboy, nix gegen dich pascal, schreibst das natürlich wunderbar wie immer und kannst nix dafür, dass dir das album so gut gefällt, aber das album klingt für mich 1zu1 wie jedes album von vega oder bosca oder ähnliches lablegewächs, fvn arbeiten gut, aber sehr monoton in eine richtung, sowas hätte ich lieber gelesen als nur lobeshymnen und hohe bewertungen

  • Zitat

    Original von x-ZiTe
    da wäre es intessant gewesen mal eine andere meinung zu hören als von einem fanboy, nix gegen dich pascal, schreibst das natürlich wunderbar wie immer und kannst nix dafür, dass dir das album so gut gefällt, aber das album klingt für mich 1zu1 wie jedes album von vega oder bosca oder ähnliches lablegewächs, fvn arbeiten gut, aber sehr monoton in eine richtung, sowas hätte ich lieber gelesen als nur lobeshymnen und hohe bewertungen


    Naja das Album ist einfach sehr Stark, wieso sollte ers schlecht reden?

  • Klasse Album, teils vielleicht noch zu sehr am experimentieren teilweise.

  • Nein, dass es keine Innovationen aufweist, ist Fakt. Da brauchste jetzt nix schönreden. Hat mit Geschmack oder Meinung nix zu tun.
    Aber es muss ja auch nicht immer innovativ sein. Reicht auch oft altbewährtes gut/schön zu verpacken.



    Mir gefällt es trotzdem nicht.

  • Zitat

    Original von NateH8red
    Nein, dass es keine Innovationen aufweist, ist Fakt. Da brauchste jetzt nix schönreden. Hat mit Geschmack oder Meinung nix zu tun.
    Aber es muss ja auch nicht immer innovativ sein. Reicht auch oft altbewährtes gut/schön zu verpacken.



    Mir gefällt es trotzdem nicht.


    Nur weil es keine Innovationen aufweist, heißt es nicht das es schlecht ist,
    darum geht es mir, also warum sollte ers dann runter ziehn?


    Wenn man das Produkt als hörer gut findet, weils einem zusagt hats wenig damit zu tun.
    Und wenn das sein eindruck ist ist das sein eindruck.
    Nur weils einem nicht zusagt - oder man die Meinung nicht teilt, dann eine Schlechte review zuerwarten, ist iwie ...., es muss ja nicht jedem alles gefallen aber wen ers so wahr nimmt ist das doch auch okay.

  • Gutes Album, gut geschriebene Review!


    Ich kann nachvollziehen, wie Leute die FvN-Realeses für zu monoton halten, jedoch kann ich aus meiner Sicht auch sagen: Das ist genau die Musik, die mich anspricht und genau darum feier ich das Album von Bosca, genau wie das von Vega!


    Das ich damit nicht alleine stehe, zeigt ein kurzer Blick auf die Fangemeinde und die Verkaufszahlen ;)


  • ich habs ja nichtmal schlechtgeredet und mir auch keine "schlechte" review erwartet, ich habe es nur kritischer betrachtet und mir auch an potenziell "guten" alben etwas mehr hinterfragende kritik gewünscht, das muss nichtmal negativ sein, klar könnt ihr euch alle eure lieblingsalben für reviews aussuchen, damit ihr die cd umsonst bekommt, aber eigentlich wäre es doch mal schöner eine review zu lesen, die nicht immer nur alles feiert und mit sternen umsich schmeißt oder selbst wenn man als redakteur tatsächlich alles feiert vielleicht einfach mal die position einzunehmen, warum es andere leute vielleicht nicht feiern könnten, um den hörer einfach ein ausgewogeneres bild zu geben, aber hey, alles cool, bosca guter rapper, gutes album, mir persönlich nur wirklich nix neues, aber niemand ist perfekt, gebe dem vorsprecher allerdings mit der aussage recht, dass nicht vorhandene innovation ein fakt ist und keine ansichtssache, vielleicht hat er es auf diesem album besser gemacht als auf dem letzten output, trotzdem ist es der gleiche sound, die gleichen themen, das gleiche schema mit dem hier bei freunde von niemand gearbeitet wird, was ebenfalls nicht direkt schlecht sein muss, wenn es einem gefällt... trotzdem seh ich es zumindest als erwähnenswert, auch gerade für mögliche hörer, die da nicht so tief drin stecken oder solche, die bosca schon kennen, sich aber vielleicht mal etwas anderes von ihm erhofft haben

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