unknown Kings: Oktober 2013

  • Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instant Messenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertiggestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen. Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.





    Cossu – Auge des Betrachters


    Cossu aus Freiburg hat mit "Auge des Betrachters" seine erste EP veröffentlicht. Inhaltlich wandelt der Rapper darauf zwischen der Erforschung seiner eigenen Person, den elementaren Dingen menschlichen Lebens wie dem Glück ("Auge des Betrachters") und der Problematik unserer Gesellschaft. Diese öfter anzutreffende Kritik äußert sich im Track "Evigliare", dem meiner Meinung nach besten Song des Releases, am stärksten – passend dazu steigt auch die Spannung im Beat hörbar an, gipfelnd in einem dramatischen Chor-Sample. Diese gelungene Produktion stammt, wie die übrigen Instrumentals der EP, von Beatmaker Tarantino. Bestechen können sie durch ihre Qualität und den Abwechslungsreichtum: Da wechselt sich ein langsamer, leicht sphärisch klingender Beat ("Eckkneipe") mit einem an Dirty-South-Rap erinnernden inklusive aggressiven Streicher-Samples ("Blockbusta Actionheld") ab. Cossu liefert auf diesem Sound verschiedene Arten von schnellen und langsamen Flowpassagen sowie einen sehr variationsreichen Stimmeinsatz ab. Wirkt er zunächst aufgrund seiner Betonung und Rhythmik schon fast hypnotisierend auf den Hörer ein ("Auge des Betrachters"), switcht er danach um und liefert beispielsweise auf "Trueschool" energisch Representer-Battleraptexte. Auf diesem Track finden wir auch das einzige EP-Feature, Rap-Urgestein und BahnCard-Fan MC René, wieder. Seine beigesteuerte Hook geht wahrscheinlich auch deshalb so angenehm ins Ohr, weil sein Flow und der von Hauptprotagonist Cossu einfach prima zusammenpassen. Mit insgesamt sechs Tracks ist "Auge des Betrachters" zwar insgesamt überschaubar geraten, aber Bock auf mehr macht das Gehörte absolut. Fazit: Diese EP ist eine Betrachtung wert.


    Facebook-Page von Cossu – kostenfreier Download





    Metrickz – Ultraviolett


    Der aus der Nähe von Osnabrück stammende Metrickz veröffentlichte jüngst in Eigenregie sein Debütalbum namens "Ultraviolett". Die vom Rapper gewählte klangliche Unterlage ist hauptsächlich elektronisch geprägt: Einflüsse aus dem Dubstep-Bereich und beschleunigte, Drum'n'Bass-ähnliche Grundelemente sind in fast jedem Song klar erkennbar. Aufgebrochen wird dies hin und wieder durch langsamere ("Schwarze Perlen") oder gitarrenlastigere Anspielpunkte ("Ich bin (Rapper)"). Dadurch entwickelt sich ein ausgewogenes Verhältnis von Abwechslungsreichtum einerseits und einem konkreten Wiedererkennungsfaktor des Sounds Metrickz' auf der anderen Seite. Passend zum vorwiegend kräftigen Sound werden die Texte vom Künstler meist druckvoll präsentiert. Dabei befasst er sich inhaltlich hauptsächlich mit Aspekten seiner eigenen Persönlichkeit als junger, aufstrebender Rapper. So wird auf "Fick dein Abitur" eine etwas andere Vorstellung von Bildung proklamiert, während wiederum "Eine Million" den Weg zum Erfolg und die Selbstsicherheit der eigenen Person hervorhebt. Sound, Vortragsweise und Inhalt gehen hier souverän Hand in Hand. Auch bei der Feature-Auswahl zeigt der 20-Jährige Qualität: JokA ("500 Grad"), der Hamburger MC Swiss ("Plus Minus Null"), die Düsseldorfer Kayef & Liont ("Kleiner Drei") sowie Maskulin-Member Silla ("Puls explodiert") fügen sich auf ihre Weise gewinnbringend in das Klangbild ein, Metrickz selbst bleibt aber weiterhin der leistungsstarke Hauptakteur. Wenn dann bald die kalte Jahreszeit anbricht, sollte jeder Metrickz-Fan oder jene, die es noch werden wollen, eine Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor griffbereit haben, denn Rap-Deutschland strahlt ab sofort "ultraviolett".


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    Samian.Danillo – Sinnflut


    Eine Beatbauer-Rapper-Kollaboration erwartet den Hörer auf "Sinnflut". Dabei handelt es sich um die gemeinsame LP des MCs Nitch und des Produzenten Jazztronaut aus Duisburg, die für dieses Projekt unter dem Namen Samian.Danillo auftreten. Jazztronaut liefert, seinem Namen gerecht, eine musikalische Vorlage aus chilligem Oldschool-Sound, der geprägt ist von locker schlagenden Drums sowie Jazz- und Soul-Melodien, die mich persönlich, wiederholt positiv, an die Musik von Al Green erinnert. Diese daraus entstehende, entspannte Atmosphäre ist perfekt geeignet, um locker im Rhythmus mit dem Kopf zu nicken – oder um einfach die Augen zu schließen, sich zurückzulehnen und die eher deepen Textinhalte auf sich wirken zu lassen. Denn in seinen Zeilen setzt sich Nitch hauptsächlich mit Themen rund um die Menschheit und unsere Gesellschaft im Speziellen sowie ihre Auswirkungen auf die Künstler auseinander. Beispielsweise dient "Guter Vorsatz" zur Darstellung von Nitchs eigener Persönlichkeitsentwicklung, wohingegen "Mahnmal" Aspekte von Religion und das Wesen der Menschen allgemein behandelt oder "Metropolis" die Verzweiflung und Probleme des Individuums im System ausdrückt. Auch der sonst innerhalb der Szene häufig positiv berappte Cannabis-Konsum wird auf "Nebel" mit Featuregast Dikkn einer kritischen Betrachtung unterzogen. Nitch harmoniert aufgrund seiner ruhigen Vortragsweise und der leicht rauen Stimme vollkommen mit Jazztronauts Beats, wobei jedoch deutlich wird, dass die Arbeit des Beatschraubers anteilig genauso im Vordergrund steht wie die Raps seines Kollegens. So hört man häufiger in einzelnen Tracks zwischen Nitchs Parts länger andauernde Instrumentalpassagen, die aufgrund ihrer Qualität den einzelnen Liedern noch einen zusätzlichen Pluspunkt verschaffen. Doch auf den insgesamt 22 Anspielstationen findet der Hörer ohnehin kaum Tiefen; das Album lässt sich mit großer Freude und ohne Betätigung der Skip-Taste von vorne bis hinten durchhören. Wer auf inhaltsstarke Texte über ansprechende Beats steht und sich vom ausgewogenen Verhältnis zwischen Produzent und Künstler überzeugen will, sollte sich Samian.Danillos "Sinnflut" besser heute als morgen anhören.


    Facebook-Page von Samian.Danillo – kostenfreier Download





    Provo featuring ... – Monaco Moll


    20 Künstler, ein Producer – so lässt sich das Projekt des Münchner Musikproduzenten und Komponisten Provo verknappt zusammenfassen. Am Ende seiner Zusammenarbeit mit mehr und weniger bekannten Münchner Sängerinnen und Sängern sowie Rappern steht der 15 Tracks umfassende Sampler "Monaco Moll". Dabei ist die leitende Position Provos erkennbar; seine Beats scheinen im Vordergrund zu stehen. So wird durch klanglichen Spannungsaufbau, jazzige Drum- und Trompeten-Sounds, variable Pianoklänge und elektronische Einflüsse ein sehr organischer, dichter und gleichzeitig abwechslungsreicher Soundteppich geschaffen. Dieser ist im Ergebnis irgendwo zwischen klassichem Rap, Soul und Elementen des Trip-Hop anzusiedeln. Die auf "Monaco Moll" aufgebotenen Gäste ergänzen das herausragende Klangbild, ohne sich dabei zu sehr vor dieses zu drängen. Auf Tracks wie dem Boshi San-Feature "Aus. Vorbei.", Manekin Peace & Esthers "Sticks'n'Stones" oder "Flashin' Lightz" mit Koka Devigny entstehen so teils perfekte klangliche Symbiosen aus Instrumental und Gesang beziehungsweise Rap. Die aktuellen Aushängeschilder für Münchner Rap, Edgar Wasser und Fatoni, liefern auf "Pretty Girlz" gewohnt starke, (schwarz-)humorige Zeilen ab, Grämsn ("Da Bua") und Monaco Fränzn ("Diese Bayern") brillieren mit Raps in bayerischem Dialekt und sorgen für Schmunzeln und genaues Zuhören – letztgenannter Song ist mein persönlicher Geheimtipp des Releases. Aber auch die restlichen der insgesamt 15 Titel sowie die dazugehörigen Features, unter ihnen Juse Ju, moe2mee und Keno, können durchweg durch ihr Gesamtbild aus Produzenten- und Künstlerleistung überzeugen. Also: Auch wenn "Monaco Moll" mittlerweile schon ein paar Tage alt ist, lohnt sich ein Reinhören in die Arbeit von Provo und seinen Mitstreitern für Rap-Fans voll und ganz.


    "Monaco Moll"-Internetpräsenz – kostenfreier Download




    Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "Unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor Kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass wir nicht auf jede Anfrage persönlich antworten können. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!



    SK-pe (Sascha Koch)

  • Viel behinderter ist das Album Cover. GUCK MICH AN BREIT GEBAUT, BRAUN GEBRANNT, 100kg HANTELBANK! Mein Körper soll meine schlechte Technik ersetzen und allen Angst einflößen! RATATATATATATEEE MIT DER BRATATATATATEEEE.

  • Seriously? Wir haben zwei Kolumnen dieser Art, wenn Ihr Meckerziegen das ggf auch auf dem Schirm habt, könnt Ihr Euch ja auf die Kurzreviews freuen. Diese Konsumenten-Haltung und der Ausdruck davon, indem Ihr Redakteuren hier schriftlich vor die Füße spuckt, ist zum Kotzen.

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