Interview: Lucky Looks


  • Vier Jahre lang hat Lucky Looks an seinem Debütalbum gearbeitet, dabei immer wieder Songs ausgetauscht, umgeschrieben und komplett verworfen. Der Name des Langspielers, der noch aus den alten RBA-Zeiten des MCs stammt: "Rotznase". Am Freitag erscheint das Werk zum digitalen Verkauf und stellt damit nach zahlreichen Free-EPs Looks' erstes kommerzielles Release dar. Was sich in den letzten Monaten durch unter anderem den Vertrag mit Bohemian Grove Music für den aus Bietigheim-Bissingen stammenden Rapper verändert hat und wo seine musikalische Karriere ihn noch hinführen wird, erzählt er in unserem Interview.


    rappers.in: Zu Beginn würden wir gerne mal von dir wissen, welche Aspekte deines Verhaltens dich denn zu einer "Rotznase" machen? Oder ist das tatsächlich nur krankheitsbedingt?


    Lucky Looks: Ich bin tatsächlich schon relativ oft verschnupft, aber damit hat's eigentlich recht wenig zu tun. (lacht) Generell bin ich eher der ruhigere Typ und auch sehr nachdenklich, aber ab und zu, wenn ich mal gute Laune hab', werd' ich schon auch relativ vorlaut und frech. So hat sich das auch mit der Zeit im Battlerap etabliert.


    rappers.in: Bist du selbst auf den Namen gekommen oder hast du vielleicht auch von anderen, die dir das gesagt haben, einen Anstoß in die Richtung bekommen?


    Lucky Looks: Das war so, dass ich früher, als ich noch in der RBA aktiv war, sehr viele Battles gemacht habe. Die Jury hat da halt immer so ein Text-Feedback gegeben mit Begründungen, warum die und die Runde jetzt an den geht. Und ein paar Leute da fanden, dass ich eine relativ nasale Aussprache hätte, also durch die Nase rede – was ich selbst aber eigentlich nicht finde. Und dann hat sich daraus, vor allem in meinen Battles, dieser Rotznase-Stil festgesetzt. Die Leute haben's gehört und das ist dann hin und wieder auch in den Kommentaren und Bewertungen gefallen. Da hieß es dann immer, dass ich halt 'ne Rotznase bin – keine Ahnung, wie die Leute darauf gekommen sind, ehrlich gesagt. Und das war dann die Grundidee für das Album, und der Arbeitstitel. Und im Endeffekt wurde dann die Scheibe draus.


    rappers.in: Deine RBA-Zeit ist ja schon ein wenig länger her – wie lange hast du konkret an deinem Album gearbeitet?


    Lucky Looks: Ich hatte noch eine EP gemacht, "Einer wie keiner", und danach wollte ich eigentlich schon direkt das nächste Teil machen, weil ich es übel geil fand, mal so ein komplettes Werk gemacht zu haben. Dann war ich relativ begeistert davon, noch ein Album zu machen – aber dieses Mal eben ein richtiges Album. Ich hatte auf der EP noch ein paar Beats, die nicht exklusiv waren, wollte aber bei den Produzenten der EP bleiben. Menace hat damals schon mitproduziert ... und Mintendo. Buskapé ist neu dazugekommen. Ich glaube, ich habe mehr oder weniger vier Jahre lang an dem Album gearbeitet. Die Tracks von der EP waren eigentlich auch schon alle für das Album vorgesehen, aber es lag relativ viel dazwischen. Wir mussten erst mal noch gucken, in welche Richtung das Ganze geht und ob's den Leuten auch wirklich gefällt. Die EP kam dann super an, aber wie gesagt: Die Tracks waren auch schon alle für das Album gedacht. Ich hab' vier Jahre lang hin und wieder Tracks gemacht, die dann teilweise umgeschrieben und wieder aufgenommen. Aber ich bin auch nicht so der Typ, der diesen Raptraum lebt. Ich schreib' halt ab und zu ein bisschen was, nehme das auf meinem Dachboden auf, aber ich bin nicht wirklich heiß drauf.


    rappers.in: Deine bisherigen Video-Singles haben von witzig über deep bis hin zu ein wenig Gesang sehr viele verschiedene Stile kombiniert ... Wie würdest du konkret das Soundbild von "Rotznase" beschreiben?


    Lucky Looks: Puh, das ist schwer. Soundtechnisch liegen viele Tracks sehr weit auseinander, aber es ist trotzdem irgendwie ein rundes Ding. Das kommt auch daher, dass ich mich auf fast nur drei Produzenten beschränkt habe, mit zwei Ausnahmen – Jolly und Johnny Crooks. Das geht alles schon in dieselbe Richtung, aber spricht halt unterschiedliche Aspekte und Facetten an.


    rappers.in: Könnte man dann auch sagen, dass du noch auf der Suche nach "deinem" Soundbild bist?


    Lucky Looks: Ich hab' eigentlich kein finales Soundbild vorgesehen. Ich will auf jedem Track das machen, was mir vor allem der Beat hergibt. Ich warte immer nur auf die Beats meiner Produzenten und dadurch entstehen dann die meisten Tracks. Klar, ich schreib' Texte hin und wieder auch ohne Beat, aber das sind dann meistens Fragmente, die zum Schluss eigentlich immer zu einem Track werden.



    rappers.in: Findest du es als Rapper wichtig, ein Soundbild zu haben, mit dem man dich ganz konkret einordnen kann? Bei einem Casper kann man beispielsweise ja schon sagen, dass er ein ganz eigenes Soundbild hat. Ist dir so etwas auch wichtig oder bleibst du beim Facettenreichtum?


    Lucky Looks: Das Soundbild an sich ist schon immer gleich. So, wie bei Casper, auch bei Lucky Looks. Aber ich könnte das in keine Schublade packen.


    rappers.in: Wobei Schubladendenken ja auch nicht unbedingt so toll ist ...


    Lucky Looks: Ja, aber wichtig für die Leute, um einen einordnen zu können. Das ist bei mir ein bisschen das Problem. Ich hatte "DoppelpunktKlammerAuf", dann kam erst mal ewig nichts und dann die EP, die auch wieder in so eine deepere Richtung geht. Viele Leute sind hauptsächlich durch "DoppelpunktKlammerAuf" auf meine Facebook-Page gekommen – was für mich heutzutage ja das Marketinginstrument Nummer eins ist und das einzige, das mir bleibt. Ich hab' 120 Follower auf Twitter und Instagram benutz' ich nicht. Dann hab' ich "Rezept" und "Endlich tot" rausgebracht, was schon wieder in eine andere Richtung ging. Und da war es dann so, dass die Leute das nicht mehr wirklich gefeiert haben. Zumindest die auf meiner Facebook-Page nicht.


    rappers.in: Du bezeichnest dich selbst als "Streber von der Newschool" ...


    Lucky Looks: (unterbricht) Mehr oder weniger zumindest. Ich bin jetzt nicht so der Skill-fixierte Rapper, aber ich glaube, dass ich verstanden habe, was wichtig ist.


    rappers.in: Okay. Aber wie definierst du persönlich die "Newschool" im deutschen Rap?


    Lucky Looks: Puh, das ist schwer. Ich hab' darin eher meine Generation HipHop gesehen, die diesen HipHop-Film nicht mehr so wirklich schiebt, wie die damaligen Leute noch. Ich kenne relativ wenige Rapper aus meinem Umfeld, die wirklich auf Jams gehen und so weiter. Die Grundwurzeln von HipHop sind für mich eigentlich oldschool. Dieses Auf-Jams-Gehen und bei Cyphers mitmachen. Sowas mach' ich gar nicht. Ich lebe dieses Rappersein nicht.


    rappers.in: Wie stehst du dann allgemein zu Imagerap? Das ist heutzutage ja auch eine kontroverse Debatte ...


    Lucky Looks: Ich finde das wichtig und höre mir auch relativ viel Imagerap an. Zum Beispiel ist ein Haftbefehl für mich auch eigentlich ein Imagerapper. Der präsentiert halt diesen Film und den spielt er auch gut. Oder auch DCVDNS – ich bin mir sicher, dass er sich in seiner Freizeit nicht so gibt wie in Interviews und so weiter. Der verkörpert das cool, es kommt gut rüber und dann kann ich's auch durchaus feiern.


    rappers.in: Was uns an deinem Album aufgefallen ist: Du hast keinerlei Featuregäste auf "Rotznase". Hattest du den Anspruch an dich selbst, dein Debüt alleine zu bestreiten? Oder hatte das andere Gründe?


    Lucky Looks: Es sollte einfach mein Werk werden. Ich hatte dann immer wieder mal Featuretracks, die auch für "Rotznase" geplant waren, aber die es im Endeffekt nicht drauf geschafft haben. Die sind trotzdem cool geworden, aber haben halt nicht wirklich gepasst. Und dann kam es eben so zustande, dass ich das erst mal ganz allein gemacht habe.


    rappers.in: Aber du könntest dir schon allgemein vorstellen, auf deinem nächsten Album vielleicht den ein oder anderen Featuregast zu begrüßen, oder?


    Lucky Looks: Auf jeden Fall. Das finde ich eigentlich auch wichtig, für ein bisschen Abwechslung. Ich würde dann eher auf Leute aus meinem privaten Umfeld zurückgreifen, um die vielleicht, wenn's gut läuft, ein bisschen zu pushen. Die verkörpern mich und meine Persönlichkeit ja auch ein Stück weit. Dann sieht man, mit was für Leuten ich rumhänge und so weiter. Fremde Features, die einfach nur da sind, um ein Album zu pushen, würde ich nicht wirklich machen.


    rappers.in: Hast du vielleicht trotzdem ein Traum-Feature? Jemanden, den du persönlich nicht kennst, mit dem du aber auf jeden Fall was machen würdest?


    Lucky Looks: Dann wäre meine erste Wahl natürlich Eminem, aber das ist unmöglich. (lacht) Aber es gibt schon so ein paar Leute ... Favorite würde ich, glaube ich, auch noch machen, dadurch, dass ich den früher unglaublich gepumpt habe. Zurzeit kommt von dem halt nichts mehr, glaube ich. Ich bin aber auch nicht auf dem neuesten Stand. Mit Savas müsste ich eigentlich etwas machen, nur um sagen zu können: Ich hab' mit ihm einen Track gemacht. Ganz geil wären auch Maeckes und/oder Tua. Einfach, weil sie so unglaubliche Künstler sind. Es gibt viele. Ich hätte auf viele Leute Bock, aber es ist schwer, sich das vorzustellen.



    rappers.in: War es ein bewusster Schritt, dein Debüt nur zum Download und nicht auf CD zu veröffentlichen? Vielleicht auch wegen deiner vermehrten Internetpräsenz, da du außerhalb der Online-Welt momentan noch keinen so hohen Bekanntheitsgrad hast?


    Lucky Looks: Ich habe lange mit meinem Label darüber gesprochen und am Ende haben wir einstimmig entschieden, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn macht, 3.000 CDs zu pressen und in den Handel zu stellen. Jeder, der sich schon einmal damit beschäftigt hat, weiß, wie viel der Spaß kostet – von den Abgaben für den Vertrieb über die GEMA bis hin zu den Retouren. Klar, es wäre megageil, mal meine eigene CD, mein erstes Werk, in den Händen zu halten, aber nicht um jeden Preis. Wenn das Ding jetzt unglaublich durch die Decke geht, haben wir vereinbart, nochmal zu sprechen und gegebenenfalls eine kleine limitierte Auflage zu pressen und über einen Mailorder anzubieten. Aber nicht auf dem Stand gerade ...


    rappers.in: Vor gut einem Jahr konntest du mit deinem Track "DoppelpunktKlammerAuf" einen kleinen Hype kreieren, aus dem dann sogar ein Vertragsschluss mit Bohemian Grove Music resultierte. Hat es dich überrascht, dass BGM in dieser Form auf dich zugekommen ist?


    Lucky Looks: Ja, auf jeden Fall. Ich war damals schon übel überrascht, dass "DoppelpunktKlammerAuf" über Nacht 4.000 Klicks oder so hatte. Das war für mich für die damalige Zeit schon megakrass. Das hat mich sehr gefreut. Dann hat MeinRap es gepostet und dann kam auch schon der Phillip (Anm. d. Red.: Phillip Böndel, Geschäftsführer Bohemian Grove Music) ins Haus und hat mit mir drüber gequatscht. Ich hab' mich auf jeden Fall mega gefreut. Davor kamen immer wieder mal kleinere Sachen von irgendwelchen Dreckslabels, die mir nichts hätten bieten können oder wo ich auch kein Interesse an einer Zusammenarbeit hatte. Aber Phillip war relativ sympathisch und dann hab' ich mir überlegt: Das kann man auf jeden Fall mal probieren.


    rappers.in: Wie lief das genau ab? Hat er dich angeschrieben? Wie kann man sich euer erstes Gespräch vorstellen?


    Lucky Looks: Zuerst hatten wir via YouTube Kontakt, er hatte mir aber davor auch schon auf meine alte E-Mailadresse geschrieben. Da hatte ich dann eben ewig nicht drauf geantwortet. Dann haben wir gequatscht und ein paarmal telefoniert. Er hat mich gefragt, ob ich ihm mal neues Zeug schicken könnte, das hab' ich dann auch gemacht. Danach haben wir uns in Stuttgart getroffen und er hat mir erzählt, was das Label mir so bieten kann. Und dann war es mir auch schon klar, dass ich das mache.


    rappers.in: Kommen wir mal auf Doc Cock zu sprechen – das ist unseres Wissens nach ja so etwas wie dein Alter Ego, richtig?


    Lucky Looks: Jein, nicht wirklich. Ich war in der RBA halt gesperrt, weil ich dort Scheiße gebaut hab'. (lacht) Und dann hab' ich mir irgendwann den Fakeaccount Doc Cock gemacht und hieß im RBA-Forum und auf rappers.in auch so. Dann hab' ich meine Facebookseite eben auch mit diesem Namen gemacht ... Und bis 100 Likes hätte ich das noch ändern können, aber das hab' ich halt nicht. Und ich hab' deswegen jetzt so ein Gesicht ... (lacht) Alter Ego kann man nicht wirklich sagen. Ich bring' nur noch über Lucky Looks Sachen raus. Das bereu' ich auch heute noch – ich hab' Facebook schon geschrieben, ob sie das rausnehmen können, aber ich bin halt nur ein kleiner Fisch.


    rappers.in: Normalerweise ändert Facebook das nach einiger Zeit ja schon, aber dauert ein paar Monate.


    Lucky Looks: Ja, aber ich hab' denen vor eineinhalb Jahren geschrieben, glaube ich.


    rappers.in: Zum Abschluss würden wir gerne ganz banal wissen, wo du dich persönlich in ein paar Jahren innerhalb der Deutschrapszene siehst – durch den Vertrag mit Bohemian Grove Music ist bei dir erstmals ja alles etwas "größer" geworden. Bis wohin reicht dein musikalischer Werdegang deiner Meinung nach eventuell?


    Lucky Looks: Das ist echt richtig schwer. Bis jetzt bin ich ja noch ein Niemand. Das Album hat auf jeden Fall das Potenzial, dass daraus was Größeres werden könnte, aber ich bin nicht enttäuscht, wenn's nicht so ist. Ich werde, denke ich, immer Musik machen. Ob ich in zehn Jahren noch was rausbringe, ist 'ne andere Sache. Aber wenn's jetzt gut laufen sollte, werd' ich trotzdem noch mein Studium zu Ende machen. Ich denke auch nicht, dass es so groß wird. Ich seh' mich jetzt nicht als Rapstar, sondern als jemanden, der irgendwann mal bei 20.000 Likes rumdümpelt, wenn's das in zehn Jahren noch gibt. (lacht) Ich hab' auch eigentlich gar keine Lust darauf. Ich will mein Studium machen, mit meiner Freundin ins Ausland ziehen und dann mein eigenes Ding machen. Musik muss nicht sein.


    rappers.in: Die letzten Worte gehören dir – möchtest du unseren Lesern noch etwas ausrichten oder jemanden grüßen?


    Lucky Looks: Jajaja ... sowas hasse ich auch übel. Ich hab' auch keinen Bock, jetzt Werbung zu machen, aber ich muss. (lacht) "Rotznase" erscheint am 01.11.2013. Wer Bock hat, kann es sich direkt kaufen und wer sich erst noch überzeugen will, kann da auf Spotify und ähnlichen Seiten reinhören. Keine Ahnung, wo das jetzt überall ist, das macht auch das Label. Ich denke, es ist eine super Platte. Wer "Hallo, ich bin Lukas" gemocht hat, wird "Rotznase" lieben. Mehr will ich dazu eigentlich auch nicht sagen. Ich grüße Jorcho! Und wenn ihr mein Album abgefeiert habt, könnt ihr euch mal am 24.11. die EP von Caz runterladen.



    (Florence Bader & Pascal Ambros)

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