Review: Tatwaffe & Born – Endstation EP



  • 01. Ich erklär dir das feat. DJ Yesta
    02. Du trägst mich feat. Marcella Mc Crae
    03. Wir kenn dich nicht feat. Olexesh
    04. Wenn die Welt schläft feat. Marcella Mc Crae
    05. Du bist nicht Michael
    06. Sommer, der bleibt
    feat. CJ Taylor
    07. Endstation


    Für gewöhnlich ergibt sich ein gemeinsames Werk zweier Deutschrap-Künstler durch häufige Zusammenarbeit, ein sich überschneidendes Umfeld oder sonstige verbindende Faktoren. Dementsprechend ähneln sich die beteiligten Interpreten dann auch meist, was etwa Stil, Genre oder den Bekanntheitsgrad angeht. Dass vor allem letzterer Aspekt aber natürlich nicht zwingend gegeben sein muss, beweist die EP "Endstation", welche das Ergebnis der Kollaboration eines Urgesteins des deutschen Rap mit einem noch recht unbeschriebenen Blatt darstellt. Der Frankfurter Born, Sohn eines US-amerikanischen Bassisten und einer Deutschen, begann seine Karriere im Jahr 2005, als sein EP-Partner Tatwaffe als Teil der Gruppe Die Firma bereits einige Chartplatzierungen sowie eine Echo-Nominierung vorweisen konnte. Mittlerweile hat sich auch Born die ersten Sporen verdient, war 2009 als Teil des Duos "Zuhboes" auf dem Sampler des ehemaligen Labels "Echte Musik" und als Supportact auf der Tour von Snaga & Pillath vertreten. Dennoch wirkt der Zusammenschluss mit dem Firma-Mitglied, dessen Single "Die Eine 2005" im Jahr 2008 Platin-Status erreichte, zunächst wie das Aufeinandertreffen von Altmeister und Newcomer. Ob die beiden von der Frische beziehungsweise der Erfahrung des jeweils anderen profitieren können, wird die "Endstation"-EP zeigen.


    "Ich erklär' dir das, ich hab den Scheiß studiert/
    Irgendwann ha'm sich Erfahrung und Talent summiert/
    Und egal, ob du seit gestern oder heute rappst/
    Hauptsache, das Zeug ist echt/
    "
    (Tatwaffe auf "Ich erklär dir das")


    Das über Ambivalenz-Music erschienene Werk wird von leisen Pianoklängen eingeleitet, auf welche eine Welle aus Bass und Drums folgt, die in Kombination mit sanftem Synthiesound im Hintergrund einen kraftvollen und doch sphärisch angehauchten Beat ergeben. Tatwaffe und Born beschreiben, was HipHop für sie bedeutet, erzählen von Selbstverwirklichung, der Möglichkeit, sich auszudrücken und szeneinternem Wettbewerbscharakter, aber auch von Neid, Missgunst und Hass aus diversen Richtungen. Abgesehen von einer kurzen Erklärung, worum es sich bei "Hashtag-Rap" handelt – wobei auch dadurch Zeilen wie "Du lebst was du rappst und bleibst der Shit – Wickeltisch" nicht besser oder sinnvoller werden – also nichts wirklich Neues. Recht schnell kristallisiert sich dieser Mangel an Innovation auf der gesamten EP als schwerwiegendes Manko heraus. So gut wie alles, was das Duo thematisiert, wurde bereits von verschiedenen Künstlern durch diverse Aspekte auf unterschiedlichste Art und Weise dargestellt, sodass die thematische Ebene stets legitim, aber nie wirklich herausragend wirkt. Tracks wie "Du trägst mich" werden daher weniger vom textlichen Inhalt, als vielmehr vom Klang selbst getragen, was hier vor allem durch die von Marcella McCrae, Tochter des US-Sängers George McCrae, gesungene Hook geschieht. Deutlich wird hier auch ein gewisser Unterschied zwischen den beiden Rappern, kann Tatwaffe doch durch mehr Erfahrung und Routine hinsichtlich seiner Technik punkten, während Born sich hin und wieder zu einfallslosen, viel zu simplen Reimen ("Du bist mehr als ein Wort, nein, mehr als ein Ort, ich lass' dich nicht fort") hinreißen lässt.
    Eine Eigenheit der CD, welche am Ende des zweiten Titels erstmals zum Tragen kommt, hier jedoch noch nicht so sehr auffällt wie im späteren Verlauf, ist vermutlich ein kleiner Produktionsfehler, durch welchen jedes Lied eine Länge von 4 Minuten 8 Sekunden aufweist. Da die eigentliche Laufzeit der Tracks meist jedoch kürzer ist, führt dies zu einigen Sekunden Stille am Ende einiger Anspielstationen. Die erste "Pause" dieser Art lässt sich eventuell noch mit einem leichten Stilwechsel erklären, da der Beat von "Wir kenn dich nicht" wesentlich aggressiver und im Hinblick auf Bass & Drum ein ganzes Stück drückender wirkt. Passend dazu wechseln Tatwaffe und Born aus dem bisher recht erzählenden Flow in einen battlelastigeren, um einen Representertitel zum Besten zu geben, auf dem sie vom 385ideal-Rapper Olexesh unterstützt werden. Dieser kann zwar durch einen gewissen "Azzlackcharme" bestechen, ist ansonsten aber genauso schnell wieder vergessen wie die recht standardisierten Texte der Hauptakteure.


    "Ich kann riechen wie die Szene stinkt, Gegenwind/
    Und ich bleib' so lange echt, wie ich am Leben bin/
    Jeder deiner Movies wird ein Flop, keiner pumpt dich an mei'm Block/
    Also mach hier nicht auf Gott, stopp!/
    "
    (Born auf "Du bist nicht Michael")


    "Wenn die Welt schläft" und "Du bist nicht Michael" muten ein wenig wie die Wiederholung der ersten Titel der EP an, zeichnen sich entweder durch eine McCrae-Hook oder einen härteren Beat aus, während inhaltlich vor allem Szene- und Gesellschaftskritik zum Tragen kommen. Der zunächst etwas sehr aufdringliche Synthiebeat von "Wenn die Welt schläft" dient als Unterlage für einen gewöhnlichen "Dies und jenes läuft auf der Welt schief"-Track. Born und Tatwaffe prangern den verantwortungslosen Umgang mit der Jugend und der Natur an, wobei auch hier wieder gilt, dass das Gesagte durchaus seine Berechtigung hat, auf diese Weise aber einfach schon zu oft thematisiert wurde. Wo hierbei die Stimme von Marcella McCrae erneut dafür sorgt, dem Track zumindest ein gewisses Potenzial zu verleihen, versucht sich Tatwaffe auf "Du bist nicht Michael" selbst an einer angedeutet gesungenen Bridge. Abgesehen davon ist die Kritik an der seelenlosen Musikindustrie und zu sehr auf kommerziellen Erfolg ausgerichteten Rap das Thema, welches auf einem finsteren Beat und durch entsprechend aggressiven Flow vermittelt wird.


    Hinsichtlich der Tatsache, dass alle sonstigen Themen bereits abgearbeitet wurden, die auf einer durchschnittlichen Deutschrapplatte vorkommen, welche unbedingt mit Message glänzen will, fehlt natürlich noch der obligatorische "Kopf hoch"-Track, den wir mit "Sommer, der bleibt" erhalten. Piano und Gitarre verschmelzen mit Synthiesound zu einem ruhigen, angenehmen Klangbild. Flowtechnisch befinden wir uns wieder auf einer "erzählenderen" Ebene und erhalten die Abrundung des Liedes durch eine Gesangshook, welche diesmal von CJ Taylor, ehemals Mitglied der Gruppe Rapsoul, stammt. Erneut gilt, dass die inhaltliche Materie eher anspruchslos wirkt, der Hörgenuss in gewisser Weise dennoch vorhanden ist. "Endstation" selbst erhält durch leise Chorgesänge im Hintergrund zunächst einen leicht orchestralen Klang, verläuft anschließend in eine Mischung aus Streichinstrumenten und snarelastigem Beat, ohne sich allzu sehr aus dem bisherigen Soundbild der EP zu wagen. Wo man normalerweise erwarten würde, dass der Titeltrack herausstechen müsste, handelt dieser erneut von einer zu hektischen, geldorientierten Welt, in der die Jugend zu oft zu kurz kommt. Einzig die Hook, die diesmal von Tatwaffe selbst gesungen wird, unterscheidet das Lied von der restlichen Titelliste, verblasst aber in Hinblick auf die gesanglichen Talente von Taylor und McCrae zuvor. Daher gilt sowohl für das Lied, als auch die EP "Endstation", dass sie zu sehr wie eine von vielen klingt, ohne sich wirklich mit herausstechenden Aspekten schmücken zu können.


    Fazit:
    Die "Ambivalenz" im Labelnamen findet insofern keine Wiederholung in der Zusammenarbeit von Tatwaffe und Born, dass die beiden durchaus eine gute Symbiose bilden. Gut reicht nur leider nicht immer aus und so leidet die "Endstation"-EP in erster Linie darunter, dass kein Titel wirklich hängen bleibt. Keiner der sieben Tracks ist schlecht oder schadet dem Hörgenuss, gerät durch mangelnde Innovationen hinsichtlich der Thematik beziehungsweise der Herangehensweise an die Themen aber zu schnell wieder in Vergessenheit. Flow- und beattechnisch bewegt sich das Ganze auf einem soliden Level, auch Gesang und Atmosphäre wirken nie fehl am Platz – und doch lassen sich dadurch die inhaltichen Mängel nur spärlich ausgleichen. Vielleicht sind sich die beiden Rapper zu einig, zu ähnlich gewesen, während der ein oder andere Reibungspunkt, ein thematisches oder musikalisches Experiment, dem Gesamtwerk einen wichtigen Wiedererkennungswert verliehen hätte.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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