Review: Kontra K – 12 Runden



  • 01. Vater & Sohn
    02. Gedankenaustausch
    03. W.I.R.
    04. Rücken zur Wand
    05. Fels in der Brandung
    06. So wach
    feat. Dieser Morten & Rosa
    07. Gönn dir
    08. K.E.L.L.E.R.
    feat. Skinny Al
    09. 101%
    10. Therapie
    11. Generation Crack
    12. Vergib uns
    13. Glaub mir
    14. Eigentlich
    feat. Rosa
    15. In der Stille feat. Rosa
    16. Nebel
    17. Mach was
    feat. Bonez MC
    18. Für die feat. Skepsis
    19. Schlaf gut
    20. Bis bald und auf Wiedersehen


    Boxer und Rapper haben viel gemeinsam. Die einen schlagen sich im Ring die Köpfe ein, die anderen verteilen ihre Punches auf verbaler Ebene. Wichtig ist in beiden Fällen die Technik. Einfach drauflos prügeln bringt nichts, ein Boxer ohne Beinarbeit und Präzision ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie ein Rapper ohne Reimstruktur und Flow. Auch Kraft spielt in beiden Welten eine Rolle. Schlagkraft auf der einen, Aussagekraft auf der anderen Seite. Nicht gerade klein geratene Egos zeichnen die dritte Parallele; Interviews von Boxern im Vorfeld des Fights erinnern stark an Beef in der Rapszene. Verständlich, schließlich geht es in beiden Fällen um Competition. Kampfsport und Rap haben sogar so viel gemeinsam, dass manch einer beiden Leidenschaften nachgeht. Einer davon ist Kontra K, der sein neues Album folgerichtig "12 Runden" genannt hat. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr vereint der Berliner Kickboxen und Rap, was man seiner Musik deutlich anhört: Düstere Beats und ehrliche Worte prägen den Sound, für ein Image hat er im Ring keinen Platz. Im Folgenden gilt herauszufinden, ob Kontra K über die volle Distanz überzeugt oder vorzeitig K.O. geht.


    Die Kampfsportmetapher zieht sich inhaltlich durch das gesamte Album. Banal ausgedrückt geht es um die alltäglichen Kämpfe des Lebens: Den Kampf gegen Existenzängste ("Gönn dir"), Perspektivlosigkeit ("W.I.R.") und zuletzt gegen das eigene Ich ("Therapie"). Kampfsportmetapher meint aber nicht, dass der Protagonist wild mit Beleidigungen um sich wirft. Im Gegenteil, K wählt Themen und Worte sorgfältig aus, um seine Schläge gezielt abzufeuern. Er bedient sich dabei einer ansprechenden Technik und verleiht den Texten so Nachdruck. Muhammad Ali sagte einst "float like a butterfly, sting like a bee". Das passt auf Kontra K wie die oft zitierte Faust aufs Auge. Oftmals gleitet der Rapper in Doubletime-Passagen filigran über den Takt, um dann im richtigen Moment mit drastischen Worten zuzustechen. Hin und wieder schleichen sich abgegriffene Worthülsen in die Texte ("mit dem Rücken zur Wand und mein Glück in der Hand"), über weite Strecken trifft die Wortwahl aber voll ins Schwarze. Die Texte funktionieren deshalb so gut, weil sie schlichtweg ehrlich sind. Wenn Kontra K von der Straße erzählt, glaubt man ihm jedes Wort. Wenn er von verflossener Liebe berichtet ("Glaub mir"), fühlt man mit ihm. Und wenn er vom Training rappt, bekommt man selbst sonntagabends Lust auf ein paar quälende Liegestütze. Die überstrapazierte und schwer auszusprechende Authentizität steckt in jeder Zeile und trägt das ganze Album. Selbst im Track für seinen Vater driftet der Rapper nicht in pathetischen Kitsch ab, sondern liefert das Highlight des Langspielers:


    "Mann oder Kind, dumm oder blind/
    Gib mir nur einen Rat, ich krieg's wieder hin/
    Egal was du gemacht hast, du bleibst für mich unantastbar/
    Und welcher eurer Superhelden schafft das/
    "
    (Kontra K auf "Fels in der Brandung")


    "12 Runden" funktioniert neben der Ehrlichkeit auch aufgrund der dichten Atmosphäre. Diese wiederum entsteht durch die Beats. Dieser Morton, Peedy Beats, 7inch und Big Flexx haben alles aus den Synthies rausgeholt, um die Nachbarn zu ärgern. Brummende Bässe, eine gute Prise Elektro und unzählige Vocalsamples fordern die heimische Anlage heraus. Gepaart mit Kontras kraftvollem Stimmeinsatz entsteht eine anhaltende Spannung, wie vor einem Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht. Das Problem ist, diese Spannung über die volle Spieldauer aufrechtzuerhalten. Denn mit zunehmender Dauer schleicht sich Redundanz ins Album, die leicht hätte vermieden werden können. Wenn sich ein aggressiver Wobble-Bass an den nächsten reiht, entsteht mit der Zeit ein schwer verdaulicher Soundbrei. Ja, die Beats sind gut gewählt, aber alle sehr ähnlich. Auch inhaltlich wiederholen sich die Themen stetig: hartes Leben, aber trotzdem kämpfen, Loyalität und Training. Dieses Schema wird vom lebensbejahendem "Eigentlich" durchbrochen; mehr solcher Tracks hätten nicht geschadet. Im Endeffekt sind 19 Songs und ein Skit deutlich zu viel, denn dem Werk fehlt die musikalische Vielfalt, um so lange zu unterhalten. Warum das Album nicht einfach "12 Runden" nennen, und dann auch konsequent zwölf Tracks draufpacken? Ein Boxer muss sich seine Kraft gut einteilen, um im richtigen Moment zuzuschlagen. Demnach wäre es auch für einen Rapper ratsam, die Qualität über die Quantität zu stellen. Das gilt auch für die Auswahl der Features. Skinny Al, Bonez und Skepsis liefern keine schlechte Arbeit ab, können das Album aber auch um keine neuen Facetten bereichern. Auch Sängerin Rosa überzeugt mich nur bedingt, bei ihrer Stimme fehlt mir das Alleinstellungsmerkmal. Doch ich jammere hier auf hohem Niveau. Denn über große Strecken gefällt das Album auf alle Fälle. Eigentlich ist eben doch alles okay:


    "Bruder, eigentlich, eigentlich ist alles ganz okay/
    Hier scheint die Sonne aus dem Fenster/
    Die Probleme lass ich gestern/
    Und reiß ein Blatt aus dem Kalender/
    "
    (Kontra K und Rosa auf "Eigentlich")


    Fazit:
    Kontra K liefert einen mitreißenden Kampf, geführt mit Herz, Ehrlichkeit und guter Technik. Auf Dauer droht ihm ein wenig die Luft auszugehen, weil sich seine Angriffsmuster wiederholen. So vorhersehbar wie ein Klitschko-Kampf sind seine "12 Runden" aber längst nicht, im Gegenteil: Der Berliner erinnert eher an einen jungen Rocky Balboa, dem zwar noch der letzte Schliff zum absoluten Champion fehlt, der aber trotzdem über die volle Distanz alles gibt und nicht K.O. geht. Wir werden über eine Stunde lang in Kontras raue Welt gerissen, was zwar manchmal etwas anstrengend, aber trotzdem immer packend ist. Deshalb ein verdienter Sieg nach Punkten – oder anders ausgedrückt: vier Mics.



    Marvin Nix (Woodfellas)

    [REDBEW]1256 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1256 [/reframe]
    [azlink]Kontra+K+%96+12+Runden [/azlink]

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!