Review: Teesy – Fernweh



  • 01. Luftblasen feat. Ali H
    02. Dieses Haus
    03. Die Berge
    04. Die Lippen, die die Welt bedeuten
    05. Die Gunz (Interlude)
    06. Zu kool
    07. Mein Job
    08. N69
    09. Sturmgewehr
    10. Felsenfest
    11. Der letzte Ton
    12. Trau mir


    Bonustracks:
    13. Glücksrad
    14. Dein Weg
    15. Sturmgewehr (Remix)
    feat. KAAS



    Neue Wege zu beschreiten ist essenzieller Teil einer Weiterentwicklung. So findet sich auch deutscher Rap des Öfteren auf frischen, teils ungewohnten Pfaden wieder. Nicht selten enden solche Reisen schnell in einer Sackgasse oder erweisen sich als Irrweg seitens Erfolg oder der Aufnahme innerhalb der Szene. Andere wiederum werden zu festen Bestandteilen und prägenden Elementen der Musik. Ein nicht allzu neuer und experimenteller, aber dennoch oder vielleicht gerade deshalb immer häufiger eingeschlagener Pfad ist der, Rap und Gesang zu kombinieren. So ist es mittlerweile schon lange kein Einzelfall mehr, wenn ein Künstler seine Hooks selbst einsingt oder sich in einer Bridge zum Gesangspart hinreißen lässt. Noch einen Schritt weiter geht da ein junger Mann namens Teesy, dessen musikalische Werke fast immer eine Symbiose aus Rap und RnB darstellen, wie sie im deutschen Raum noch nicht allzu häufig zu hören war. Bei ihm gehen Gesang und Rap Hand in Hand, wobei die Übergänge innerhalb seiner Musik teils so fließend sind, dass eine klare Trennung schwer fällt. Sein Auftritt in der Chimperator Cypher und sein Feature auf Cros Mixtape "Sunny" deuteten bereits etwas an, was sich Ende Juli dann bewahrheitete, als der Wahl-Kieler bei Chimperator gesignt wurde. Um der Hörerschaft die Möglichkeit zu bieten, den Neuzuwachs des Stuttgarter Independent-Labels kennenzulernen, wurde sein bereits 2012 erschienenes Mixtape "Fernweh" mit zwei zusätzlichen Titeln und einem Remix re-released und zum kostenlosen Download auf seiner Internetseite angeboten. Also lassen wir uns gemeinsam mit Teesy vom "Fernweh" treiben.


    "Du kannst's nicht und ich kann nicht erwarten, dass du's kannst/
    Was ich mach'? Ich geh' mit Bruno Mars Granaten für dich fang'/
    Es fing alles an mit dieser 'Fremdwerden'-Hürde/
    Und 'nem 'Hi, ich würd' mich freu'n, wenn du mich kennenlernen würdest'/
    "
    (Teesy auf "Luftblasen")


    Den naheliegenden Vergleich mit dem Kanadier Drake scheint Teesy weder zu scheuen, noch scheint er ihn zu stören, tauchen wir zur Einleitung doch in die sphärischen Klänge von "Lust for Life" ein, welche den instrumentalen Untergrund für "Luftblasen" bilden. Der Track, der zusammen mit Ali H aus Teesys Berliner Kollektiv "Juno" entstand, ist ein sehr ruhiger, leiser Einstieg, auf dem die Verschmelzung aus Rap und Gesang bereits zu erahnen ist. Die teils fast schon etwas quäkige Stimme des Künstlers drängt sich durch die ruhige, im leichten Singsang vorgetragene Art nie auf, lässt sich dennoch aber nicht vom Beat übertönen oder verschlucken. Textlich drückt Teesy sich meist sehr lyrisch aus, auch wenn der Inhalt selbst oft dann doch etwas trivial ausfällt und so der Tiefgang auf der Strecke bleibt. Liebe, Sehnsucht und das Reifen durch inneres und äußeres Reisen sind die hauptsächlichen Aspekte auf "Fernweh". Und so verlässt der Sänger "dieses Haus" und streift in die Ferne, um bei seiner Rückkehr auch die alltäglichen Dinge wieder schätzen zu lernen. Hier beweist er vor allem sein gesangliches Talent, wobei von weiteren Ausflügen in die Welt autotuneähnlicher Effekte dringlichst abzuraten wäre, da die in Bridge und Hook im Grunde gut gesungenen Parts unangenehm verzerrt klingen, statt die vermutlich beabsichtigte Variation einzubringen. Neben Rap und Gesang versucht Teesy sich auch selbst als Produzent und so erklimmt er "die Berge" sowie "die Lippen, die die Welt bedeuten" komplett in Eigenregie. Ersteres ist ein eher leises Stück über die Hürden des Lebens mit dumpfem Bass, auf dem Teesys Stimme unauffällig mit dem Beat einhergeht, während das zweite Lied nicht nur vom Instrumental, sondern auch vom Stimmeinsatz des Künstlers her kräftiger und energiegeladener wirkt. Teesy singt laut und klar über den Umstand, dass aus platonischer Freundschaft plötzlich mehr wird, während schnelle Streich- und Snaretöne dem Ganzen eine fast schon euphorische Note verleihen. Als er dann "die Gunz" zückt, wird es sogar noch dynamischer und der Rapper in Teesy kommt vollends zum Vorschein. Ohne Singsang-Spielerei rappt er einen sehr schnellen Part, der statt malerischer Lyrik auf direkte, unverschnörkelte "ich bin der Geilste"-Texte setzt. Besonders interessant ist hier aber nicht nur die völlig andere Seite, von der sich der Künstler zeigt, sondern auch die Tatsache, dass er mitten im Text stoppt und nach einer kurzen Bridge noch mal neu ansetzt. Statt die Aufnahme wie gewöhnlich zu wiederholen, kriegen wir den Part samt "Patzer" zu hören, was eher den Eindruck eines Skits anstelle eines richtigen Tracks verleiht. Ungewöhnlich, aber nicht unbedingt negativ auffallend.


    "Und dieses Lied hier dreht sich ganz um mich selbst/
    Nenn mich 'Firefox', ich wickel mein' Schwanz um die Welt/
    Und jetzt spiel' ich an 'nem Strand um die Welt/
    Und bin am Verlieren, doch hab' schon den Schampus bestellt/
    "
    (Teesy auf "Die Gunz (Interlude)")


    Die Idee, Musik zu personifizieren, ist alles andere als neu und kreativ – und doch wagt sich auch Teesy daran, sie als seine Geliebte und gleichzeitige Berufung zu beschreiben. So fällt "Mein Job" textlich nicht sonderlich originell aus, auch wenn sich hinsichtlich des Sounds ein wenig darüber hinwegsehen lässt. Tempiwechsel, kurze, basslastige Bridges und andere Variationen im Beat können so ein wenig über den recht banalen Inhalt hinwegtrösten und verleihen dem Track trotz fadem Thema noch etwas Interessantes. So wie "Mein Job" wurden unter Anderem auch "Dein Weg", "Trau mir" und "Felsenfest" von T-No, seines Zeichens Mitglied der Hamburger Tracksetters und Teesys Stammproduzent, musikalisch untermalt. Wo das Zusammenspiel von Stimme und Beat meist problemlos verläuft und angenehm klingt, fällt nur "Felsenfest" hier etwas deutlicher aus dem Rahmen. Der durch die kurze, aber auffällige Pause innerhalb des Loops abgehackt wirkende Beat enthält einen sich kontinuierlich wiederholenden, schrillen Ton, der es oftmals schwer macht, sich auf Teesys sanfte Gesangsstimme zu konzentrieren. Im Gegensatz dazu dominiert der Künstler das selbstproduzierte "Glücksrad" trotz rückwärts laufendem Sample und hartem, ab und an etwas aus dem Takt geratenen Bass durch ordentlich Druck und Kraft in Rap und Gesang. Insgesamt zeigt sich das Mixtape durchaus musikalisch vielfältig und wenn mal nicht Teesy oder T-No den instrumentalen Beitrag eines Tracks leisten, wird zum Beispiel der Beat von Kanye Wests "Blame Game" verwendet. Wir steigen in die "N69" und Teesy philosophiert über Vergangenes und die Zukunft, wobei hier, wie an einigen anderen Stellen auch, der Eindruck von Tiefgründigkeit immer ein wenig am regelmäßigen Einsatz von Teesys Lieblingswort "Diggi" – wohl ein Diminutiv von "Digger" – zu scheitern scheint. Zumindest auf den an Frauen gerichteten Tracks verzichtet er darauf, sodass etwa "Sturmgewehr" "diggifreien" Text verspricht. Stattdessen stellt Teesy sich als eine Art Retter in der Not dar, der seiner Freundin zu Hilfe eilt. Wie sehr er hier in Eile zu sein scheint, spiegelt sich auch im Taktgefühl wieder, harmonieren Beat und Rap/Gesang teilweise nur schwer bis gar nicht. Auch auf dem Remix des Tracks ändert sich daran nicht viel, allerdings klingt der Beat deutlich lauter und klarer, wohingegen Featuregast Kaas alles andere als klar, an einigen Stellen sogar absolut unverständlich rappt. Dennoch gibt sich der Ausklang des Mixtapes insgesamt sehr vielseitig, sodass ruhige Gesangs-, schnelle Rapparts und ein abwechslungsreicher Beat noch einmal die verschiedenen Facetten von "Fernweh" verinnerlichen.


    Fazit:
    Dass die Kombination von Rap und Gesang durchaus funktionieren kann, wurde schon des Öfteren bewiesen. So ist es auch keine wirklich große Überraschung, dass "Fernweh" kein gescheitertes Experiment, sondern das Produkt eines Künstlers mit vielen Fähigkeiten und Leidenschaften ist. Zwar fallen die lyrisch großen Worte seiner Texte meist etwas inhaltslos aus, doch stört dies eher die Aussage als den vielfältigen, meist angenehmen Klang der Tracks. So liefert das Mixtape nicht unbedingt eine tiefgründige Botschaft, ist aber allemal der Beweis dafür, dass der in Kiel studierende Teesy sowohl des Singens, als auch des Rappens und sogar des Producens mächtig ist. "Fernweh" treibt Teesy also durchaus zurecht nach draußen und auf einen Weg, den er mit dem Signing bei Chimperator und der Wiederveröffentlichung dieses Mixtapes gerade erst betreten hat.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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  • Läuft ganz gut durch so als Album, textlich häufig leider nicht meins.


    Fand lustigerweise grade den hier kritisierten Sturmgewehr Remix mit Kaas irgendwie am mitreißendsten. Diese leichte Dissonanz zwischen Takt und Teesy gefällt mir am besten vom ganzen Tape.

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