Review: Funkverteidiger – FV



  • 01. Moselfeuer
    02. FV
    03. Dinnertime
    04. Tag eins
    05. Illusionz
    06. Es heißt
    07. Funky Beretta
    08. Fürs Kombinat
    09. Anomalie
    10. Last Days
    11. Eff Fau Army
    12. Schlangen
    13. Basiscamp
    14. Nonsens Interview
    15. Outback
    16. Von wegen
    17. Outro


    Kürzlich feierte HipHop seinen 40. Geburtstag. Im August 1973 schmiss DJ Kool Herc in der Bronx die erste HipHop-Jam der Geschichte, indem er Soul- und Funkplatten auf seinen Tellern mischte. 40 Jahre später hat sich die Kultur und die Musik über die ganze Welt verstreut und überall ihren ganz eigenen Stil entwickelt. In Deutschland scheint die Szene gerade so vielfältig wie nie zu sein. Azzlackz, Hipster, Oldschool und Newschool – alles hat seinen Platz, jeder akzeptiert jeden. Die Charts sind voll mit deutschem Rap – Friede, Freude, Eierkuchen. Doch manch einem scheint diese Entwicklung doch übel aufzustoßen. Die Funkverteidiger um den Kern der MCs Pierre Sonality, The Finn, Mase, Katharsis, Maulheld und Lars vom Dorf hätten sich auf besagter Jam wohl um einiges wohler gefühlt, stehen sie doch noch immer vor allem für die alten Werte und Traditionen der HipHop-Kultur ein. Zwei Jahre nach den letzten gemeinsamen Releases haben sich die Mitglieder des Kombinats aus Leipzig, Magdeburg, Berlin und Hamburg einmal mehr zusammengetan, um ihre Ansichten auf Vinyl zu pressen. Der simple Titel für Sample-Beats, Scratches, Cypher, Battleraps und Straßenpoesie: "FV".


    "Legt diese Platte auf die Teller und ihr relativiert/
    Eure Ansicht von Rap auf die Schnelle zwischen Schwelle und Tür/
    [...]
    Deine Definition von Rap dreht sich um Modegags, Trainingshosen und Caps/
    Schick, schick, doch wo ist dein Text?/
    "
    (Maulheld auf "Funky Beretta")


    Von Beginn an ist dem Hörer dieser Platte klar, welcher Sound, welche Attitüde und welche Art von Texten ihn erwarten. Die Funkverteidiger bleiben sich selbst treu. Schallplattenknistern leitet den düster scheppernden Beat von "Moselfeuer" ein und untermalt die punktgenauen Raps der MCs, die mit kurzen Parts eine erste Probe ihrer Fähigkeiten zum Besten geben. Dies wird auf den ersten Tracks des Albums fortgesetzt. Auf dreckigen, oldschoollastigen Beats, wie man sie in dieser Form ansonsten kaum noch hört, wird gegen den gemeinen Wack MC, Hipster und kommerzielle Musik in jeder erdenklichen Weise geschossen. Ausgefallene Wortspiele, Doppeldeutigkeiten und Punchlines, raptechnisch perfekt auf die Instrumentals verpackt, gestatten es hierbei den Interpreten, von oben auf das imaginäre Gegenüber herabzublicken. Das meist düstere Klangbild sowie gelungene und passende Scratches, oftmals ans Ende der Titel gesetzt, unterstützen die Atmosphäre dieser Titel perfekt. Produziert und eingespielt wurde dies wie immer von Mitgliedern des großen Funkverteidiger-Teams um Marcus B, der hauptsächlich für die Produktion verantwortlich zeichnet, Odd Job, DJ Skala, DJ MetaZwo, DJ LuKutz, DJ Ronny Montecarlo, DJ Mirko Machine, DJ Dextar sowie Mr. Lipster. Neben dem lyrischen Wack MC-Mord legen die Funkverteidiger großen Wert darauf, die Bedeutung der eigenen Crew hervorzuheben, und schildern Beispiele des normalen Alltags der Mitglieder. Durch die authentische und emotionale Erzählweise fesseln Titel wie "Illusionz" oder "Fürs Kombinat" den Zuhörer und erzeugen nie den Eindruck, hohle Phrasendrescherei zu sein. Die instrumentale Untermalung dieser Tracks fällt weniger düster aus, sondern kommt positiver und mit etwas mehr Funk daher. "Tales from the Hood" werden hier mit einem positiven Unterton erzählt, Liebe zur Musik in jeder Lage wird vermittelt und gelebt.


    "Boxender Bass, knackende Snares, staubiger Sound/
    Aufsteigender Rauch in einem viel zu kleinen Raum (State of Flavour!)/
    [...]
    Ein paar Stunden weiter saßen sie nach der Party im Bus/
    Aus dem Club in den Morgen und atmeten frische Luft/
    Die ersten Schwalben zeigten es an/
    Es wird ein funky Tag für kaltes Bier mit der Bande im Park/
    "
    (The Finn, Mase und Pierre Sonality auf "Fürs Kombinat")


    Neben den Erzählungen aus dem eigenen Leben und den Schüssen gegen Hipster, Kommerz und andere neumodische Erscheinungen im HipHop-Geschäft sind gesellschaftskritische Passagen Bestandteil der Texte von "FV". Die Vorstellungen von der klassischen vorbestimmten Karriere in Anzug und Krawatte, gesellschaftliche Normen und Zwänge sowie zu geringer Horizont und das Streben nach Berühmtheit werden angeprangert. Der Mensch soll frei denken und handeln und sich nichts vorschreiben lassen – von niemandem. Am deutlichsten wird diese Haltung im Track "Es heißt". Als Kritikpunkt an "FV" lassen sich höchstens die sich in gewisser Weise ähnelnden Lyrics und die Beschränkung auf wenige Themen- und viele Battleraps der MCs nennen. Themenvielfalt geht der Platte tatsächlich etwas ab. Doch der Battlecharakter, auch was keine reinen Battletracks angeht, ist eben genau wie das Scratching, die Produktion et cetera fester Bestandteil des Oldschoolcharakters von "FV" und der Attitüde des Kollektivs. Durch die außergewöhnlichen und immer wieder variierenden Flows der Rapper, vor allem Pierre Sonality, Maulheld und Mase sind hier hervorzuheben, kommt auch nach mehrfachem Hören keine Langeweile auf und immer neue Feinheiten können entdeckt werden. Die Raps der MCs gehören definitiv zur obersten Klasse in Deutschland. Technisch perfekte, komplexe Reimketten werden in einer Qualität auf die Beats gelegt, wie es in dieser Art nicht viele vermögen. Trotzdem bleiben die Texte stets auf höchstem Niveau und weichen keinerlei leeren Phrasen oder Textfüllern und weisen ebenfalls eine Authentizität und Echtheit auf, die einfach etwas wirklich Besonderes ist.


    "Wir bleiben jung und verpeilt, reichen Lunten in die Runde/
    Gib uns einfach noch 'ne Stunde und wir heizen's in die Lunge/
    High sein, frei sein, hier sein, dort sein/
    Das Bier schmeckt am Besten mit den Jungs auf dem Bordstein/
    "
    (Katharsis auf "Es heißt")


    Fazit:
    Mit "FV" bringen die Funkverteidiger eine echte, authentische HipHop-Platte mit Ecken und Kanten. Dreckige Beats und Samples werden von MCs auf die bestmögliche Art beackert und von perfekten Scratches veredelt. Jeder Text für sich sowie das Gesamtwerk der Künstler drücken aus, welchen Stellenwert die Musik für jeden einzelnen an diesem Album Beteiligten hat. Am Ende ist alles wie es sein soll: Jeder Wack MC liegt auf dem Tisch zur "Dinnertime", die Nadel des Plattentellers setzt die Nacht durch nicht mehr ab, das Bier ist kühl und die Köpfe nicken. Doch klar ist auch: Das Ganze ist "Fürs Kombinat". Von Heads für Heads – "FV".



    Alexander Hollenhorst (Holle)

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    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1227 [/reframe]
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  • Zitat

    Original von Dracon
    Die Review ist ganz ordentlich, hat mich dann doch mal heiß auf die CD gemacht, auch wenn ich vorher nichts von Funkverteidiger gehört habe.


    Ich will dich nicht enttäuschen, aber soweit ich weiß gibts keine CD-Version.
    Musst dir entweder die mp3 laden oder das Ganze auf Vinyl kaufen.


    Topic
    Ich habs auf Vinyl bzw. von meiner Schallplatte ne mp3 gezogen und geschnitten und ich glaube das FV so bis jetzt mein Tape des Jahres ist bzw. auch bleiben wird.


    Unglaublich gutes Teil.

  • Krasse Platte, geile Review, die es schafft die Intention der Macher und der Hörer zu vermitteln. Einziges Manko wäre, du lässt die Funks hier ein bisschen so aussehen als würden sie die einzigen in Deutschland sein, die Boom-Bap machen. mMn bildet sich da gerade eine dicke Community von Mainz über Heilbronn nach Leipzig, Magedburg und Berlin, für die es nichts besseres zu geben scheint als Vinyls, Jazz & Funk, 90 BPM und die 90er Jahre :smoke: . Holt euch das Ding und genießt es.

  • Hab dem Namen mal wo gehört, kann aber auch sein, dass ich das irgendwie durcheinander gebracht hab.


    Kenn FV garnicht, hab auch auf wikipedia nichts zu denen gefunden. Review klingt aber richtig gut, hört sich an als wären sie aus ner ähnlichen Sparte wie Huss & Hodn und die beiden feier ich übelst. Muss mir mal was von denen anhören.

  • Zitat

    Original von Vaas Tyler
    Hätte ja gern die Instrumentals, aber die gibt es leider nur auf Vinyl. Schade.


    Plattenspieler kostet nicht die Welt.
    Tu dir selber was Gutes und besorg dir einen, wenn du einen mit usb-Anschluss investierst kannste dir die Platte ja auch aufnehmen.

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