Review: MC Fitti – #Geilon



  • 01. Intro
    02. Brummer
    feat. Udo Zwackel
    03. Fitti mitm Bart
    04. #Geilon
    05. Schöne Mädchen
    06. Fancy
    feat. Moonbootica
    07. Du willst so sein wie Fitti
    08. It Boys
    feat. Felix Brummer
    09. Grüne Welle feat. Bonnie Strange
    10. Aerobic (Skit)
    11. Roflcopter
    12. WG Party
    13. 18 Zoll
    feat. Marsimoto
    14. Penn in der Bahn
    15. Whatsapper
    16. 30 Grad
    17. Vollgas
    18. Schnelle Ponys
    19. Flamingo Girls


    Fittis Universum reicht von der Corner zur Chickenhütte, von der Touristenmeile zum Park, vom Wasserturm bis zu den Sitzbänken vor dem 24-Stunden-Spätkauf. Sprich: Es gehört alles dazu, was einen Steinwurf vom S-Bahnhof Berlin-Ostkreuz entfernt ist. Der gelernte Elektroinstallateur hinter dem voluminösen Rauschebart ist auch nach Platz zwei in den Charts überraschend bodenständig geblieben und plaudert bei Markus Lanz über Alltagsthemen wie seine Lieblingsserie "Miami Vice", den Humor aufm Bau und alte Freunde. Lanz und seine Gäste überschlagen sich fast vor Sympathiebekundungen: Während FDP-Minister Dirk Niebel seine vom Lachen beschlagene Brille putzt, macht Johanna Klum dem Rapper die schönsten Augen und Lanz schreit mit schriller Stimme nach mehr "GAAAAIHLON". Dann können wir ja demnächst mal wieder Massiv oder Haftbefehl in das ZDF-Studio schicken.


    Aber wie schafft es ein Durchschnittstyp wie MC Fitti, so einen Hype um sich auszulösen? Das Geheimnis versteckt sich hinter der Sonnenbrille: Fitti hat viereckige Augen. Denn wenn der Berliner mit Jeansjacke und Cap an der Corner lehnt, dann nicht ohne sein Smartphone in der Hand. Fitti hat "vollen Empfang, vier Striche WLAN". #Jackpot. Der erste Social-Media-Rapper der Welt erklärt auf "Whatsapper", warum es ohne die Messenger-App nicht mehr geht: Sprachnotizen nach einer durchzechten Nacht! Die dicksten Emoticons! Und sowieso: Standorte, Gruppenchats, ständige Erreichbarkeit. Simple Aussagen, verpackt in knackigen Sätzen – der Rapper orientiert sich auch beim Texten an den Grundstrukturen des Web 2.0 und hangelt sich von Keyword zu Keyword. Und obwohl "Whatsapper" eigentlich nur eine Aufzählung aller WhatsApp-Funktionen ist, finde ich es doch bemerkenswert, dass eine Handy-App auf diese Weise Material für einen ganzen Song bietet. Der Berliner geht aber eh keine bewanderten Pfade: Während sich deutschsprachige Rapper nicht zwischen Benzer und Beamer entscheiden können, post Fitti einfach im VW-Bus und pumpt sein Remake von "Here Comes The Hoodstepper". Natürlich mit Smartphone in der Hand. #Läuft.


    "Sonnenbrille, mieser Style/
    Wie der Typ von CSI (Fitti, MC Fitti)/
    [...]
    Mach' für euch den Hoodcheck/
    Und übelst geilon Clubtracks (Geilon, übelst geilon)/
    "
    (MC Fitti auf "Fancy")


    Ihre Sternstunde in der Produktion hatten Udo Zwackel und Fitti, als sie der Image-Hymne "Fitti mitm Bart" eine Hook im DJ Bobo-Style spendierten. Der trashige Humor der 80er zaubert mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. "Fitti mitm Bart" ist zusammen mit dem titelgebenden "#Geilon" der stärkste Song auf dem Album. Spätestens, wenn Udo Zwackel zu Konfettiregen in seine 808 haut und Fitti auf einem Delfin in die Booth einreitet, sollte sich auch der letzte darüber im Klaren sein, auf was er sich eingelassen hat: Der selbsternannte "Geilon" versetzt euch zurück in die heile Welt unserer Elterngeneration, als noch Honig in Bächen floß und Gummibärchen auf Bäumen wuchsen. So schaut also ignoranter Gute-Laune-Sound aus. Und Reime sind überbewertet.


    "Du siehst sie jeden Tag/
    Eulen, Rehaugen, geile Schnecken/
    Ich hab' alle auf dem Radar/
    Ich glaub', ich bin im Zoo und warum liegt hier eigentlich Stroh/
    "
    (MC Fitti auf "Schöne Mädchen")


    Heute macht Fitti einen Ausflug in den Zoo. Sonnenbrille, Cap, Rauschebart – sitzt. Und während er in seinem VW Polo II – Fitti hat ein ganzes Arsenal an VWs – durch die Innenstadt kurvt, kann er die Griffel einfach nicht von der Hupe lassen: Zu viele Mädchen in Mini-Rock, High Heels und enger Jeans laufen auf dem Bürgersteig entlang. Da hat aber einer Einiges zu gucken. Und der Urvater aller schlechten Pornodialoge, der dank YouTube nationalen Kultstatus erreicht hat, wird auch gleich eingebaut. Dass genau dieser Dialog eingebracht wird, beweist Fittis unglaubliches Fingerspitzengefühl für seine Zielgruppe. Kaum jemand außerhalb der Generation Internet könnte mit obiger Anspielung etwas anfangen – bis in die Dreißiger sollte die Pointe aber für jeden greifbar sein. Gleichzeitig beweist Mc Fitti seinen Wortwitz: Den Jutebeutel mag der Hipster sich lässig über die Schulter hängen, die Club Mate wird trotzdem mit Wodka gemischt! – OMG! Bei soviel Kontextuierung tanzt Fitti erstmal den "Roflcopter" und schreit zusammenhanglos "ADHS", "Chartbreaker ASAP" und "NFL" durch den Club. WTF! Nicht, dass wir dem Album noch zuviel Substanz nachsagen.


    "NFL, WTF/
    Mein Snapback ist von N-E-doppel-F/
    Volkswagen T6, Multivan/
    MC Fitti auf der Autobahn, du bist Fan/
    "
    (MC Fitti auf "Roflcopter")


    Ein lauer Sommerabend am Berliner Ostkreuz, rote Ampel. Fitti chillt in seinem tiefergelegten Golf mit Carbon-Lackierung und "18 Zoll"-Felgen, als Marsimoto im Lowrider neben ihm zum Stehen kommt. Das Green Berlin-Mitglied kurbelt das Fenster seines umgebauten Opel Kadett herunter und hängt den Ellenbogen lässig aus dem Fenster. Pechschwarze Rauchwolken strömen aus dem Wageninneren. Marsi mustert Fitti von oben bis unten, fordert den Golf dann zum Rennen heraus. Langsam schaltet die Ampel auf Grün ... der Kadett fährt aber natürlich schon bei Gelb los. Doof gelaufen, Fitti! Wer schneller ist? MC Fitti hat auf jeden Fall 'ne "grüne Welle" und fährt anschließend mit Gonzalez-Ex Bonnie Strange in Richtung Sonnenuntergang. Was wohl der Wilson dazu sagt?


    Diese wirklich lustigen Momente sind aber so spärlich auf der Platte verteilt, dass ich mich öfters beim Vor- und Zurückskippen ertappe. Was nach den ersten fünf Tracks noch amüsant gewesen sein mag, geht mir in voller Albumlänge zunehmend aufn Keks: Der reimfaule Fitti handelt ganz nach dem Prinzip "YOLO" und lässt den immergleichen Inhalt in Dauerschleife über 19 Anspielstationen laufen. Irgendwie fehlt da die Abwechslung, und auch der zehnte potenzielle Soundtrack für 'ne neue "Miami Vice"-Staffel nervt irgendwann nur noch. Die Beats orientieren sich immer noch stark an dem bekannten 80er-Synthiesound von "30 Grad", dem ersten Lebenszeichen Fittis im Sommer 2012. Ich hätte nicht gedacht, dass Fittis stumpfer Humor so schnell seinen Reiz verliert – obwohl der Hipster nicht einmal "YOLO" gegrölt hat. Und so wollte ich in dieser Review eigentlich auch aufs "YOLO" verzichten. Nur beschreibt das böse, böse Wort Fittis Machwerk "#Geilon" einfach viel zu gut: Denn "YOLO" muss sich Fitti gedacht haben, als er mit breitem Grinsen einen identischen Haufen trashiger Party-Songs auf CD gebrannt hat.


    Fazit:
    Fittis Erfolg kommt nicht von irgendwoher: Der Ostkreuz-Rapper versteht sich darauf, mit den Klischees und Insidern einer Generation zu spielen und findet die richtigen Wörter, um eine Generation mitzureißen, ohne dabei zu provozieren. Das Konzept ist durchdacht, die Texte nicht – so, wie es sich für ein sonniges Gute-Laune-Album gehört. Jedoch sage ich dem Album ein kurzes Haltbarkeitsdatum nach: Was in kleinen Dosierungen seinen Status als Sommerhit verdient, präsentiert sich auf Albumlänge leider ziemlich eintönig. Hab' ich Fitti auch grad per WhatsApp gesendet: "Ein wenig Abwechslung hätte zwischen Hashtags, Internetsprache und Vollbart nicht geschadet." Doppelhaken.


    (Der_Lektor)

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  • Selbst für so ein nichtssagendes reines Partyalbum sind mir zu wenige Ohrwurmsongs auf dem Niveau von 30 Grad dabei. Qualität vor Quantität.

  • Zitat

    Original von EinAndererGordon
    Review viel zu gut für das Album. Und eher traurig, wenn man sieht, welche Sachen hier schlechter bewertet werden.


    Verschiedene Redakteure legen verschiedene Maßstäbe an. Trotzdem ist die Bewertung irgendwie nicht ganz nachvollziehbar.

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