Review: Sinan-G – Ob Du willst oder nicht



  • 01. Intro
    02. JVA
    03. Ihr seid keine Männer
    feat. Eko Fresh
    04. Grugabad Skit
    05. Bademeister
    06. Alter
    07. Ich und mein Bademantel
    08. Nackte Gewalt
    feat. Sido
    09. Free Sinan
    10. Die Waffen sind geladen
    feat. Kurdo
    11. Fuck Illuminati
    12. Gangbang Party
    feat. KC Rebell
    13. Richtung Himmel
    14. Scheiss drauf
    15. Ausbruch
    feat. PA Sports
    16. German Dream
    17. Sterne
    18. Mit Essen spielt man nicht


    Fünf Jahre ist es her, seit Sinan-G in der JVA Siegburg einsaß. Zwei Alben sind in der Zwischenzeit veröffentlicht worden, Nummer drei steht in den Startlöchern. Ob die neue CD "Ob Du willst oder nicht" erneut Sinans Zeit hinter schwedischen Gardinen zum Thema macht, oder ob sich der Kosmos des Esseners endlich verschoben hat: Die drei Songs "Bademeister", "Ich und mein Bademantel" und "Free Sinan" erzählen nicht nur beispielhaft ihre eigene amüsante Geschichte, sondern sind auch repräsentativ für alle weiteren Anspielstationen. Als Dreh- und Angelpunkt der ersten Anekdote dient ein RTL-Bericht aus dem Jahr 2003. Vorhang auf!


    "Vom Sinan der Ball?" – der Name wird herrlich deutsch ausgesprochen. "Ist vom Sinan. Wie immer." Bademeister Dominik verdreht die Augen: "Na, den Sinan werde ich mir jetzt mal vorknöpfen und 'n paar Takte mit dem sprechen." Wutentbrannt verlässt Dominik W. sein Häuschen im bekannten Essener Grugabad, um sich auf die Suche nach dem Pappenheimer zu machen. Herrisch pfeift Dominik in Richtung Schwimmbecken – und tatsächlich: Der 15-Jährige Sinan-G klettert aus dem Wasser. Der Königskettenträger ist leider noch nicht ganz so breit gebaut wie heute, deshalb hat er sich Rasierklingen unter die Arme geschraubt. Während die beiden streiten, posieren Sinans Freunde im Hintergrund vor der Kamera. Schließlich resümiert Bademeister Dominik: "Der Sinan ist halt einer, der gerne ein bisschen den Starken markiert. Für uns aber gar kein Problem."


    Zehn Jahre, ein Knastaufenthalt, einige Messerstechereien und eine Schießerei später: Sinan-G kehrt zurück in sein heißgeliebtes Grugabad. Na ja, fast. Zur ersten Videoauskopplung des Albums konnte German Dream wohl überraschenderweise nicht die Drehgenehmigung für das Freibad einfahren, darum stürmt Sinan-G halt ein x-beliebiges Hallenbad in weißen Socken und Adiletten – "ob Du willst oder nicht". Der Song zu dieser Begebenheit, "Bademeister", ist nicht nur der humorvollste, sondern auch der lyrisch versierteste des Albums. Neckische Posaunenklänge sind unterlegt, als Sinan sein Geschlechtsteil am Popo verschiedener Gespielinnen reibt, dicke Kinder ins Becken schmeißt und Pommes klaut. Der Iraner belästigt eben nochmal die Besucher des Schwimmbads mit seinem Ghettoblaster, verirrt sich in die Mädchenumkleide und pinkelt ins Becken, dann kann er resümieren: "Behalt doch deinen scheiß Ball!" – ist doch ein Witz, wegen solcher Kleinigkeiten einen Videodreh zu boykottieren.


    "Super Soaker, ich spritz' auf die Weiber/
    Guckt alle her, denn ich springe jetzt vom Dreier/
    Homie, du weißt, heute spielt Rot-Weiß/
    Ich hol' mir in der Bude eine Pommes rot-weiß/
    "
    (Sinan-G auf "Bademeister")


    Szenenwechsel. Wenn Sinan-G gerade keine Hanteln pumpt, klaut er ganz gerne "Bademäntel aus der Hotelsuite". So finden wir ihn im koksweißen Bademantel auf der Couch eines Hilton-Appartments. Mit einem Glas Scotch in der Hand und Zigarre im Mund fachsimpelt Sinan gerade über seine Schutzgeld-Deals mit deutschen Rappern, als im Hintergrund der Imagetrack "Ich und mein Bademantel" anläuft. Der Beat scheint an ein Dirty South-Instrumental angelehnt zu sein und unterstreicht gut den mit einem Augenzwinkern vorgetragenen Text. Oha: Sinan-G denkt laut darüber nach, ob Eko Fresh ihn wohl nur bei German Dream gesignt hat, um Schutzgeld zu sparen? Das Zimmermädchen klopft. Alles klar, der Rapper steckt sich einen Zahnstocher in die Backentasche und schlappt widerwillig zur Tür. Ein persischer Hugh Heffner – sagt er von sich. Sinan Gold schickt das Zimmermädchen eben schnell zum nächsten Kondomautomat drei Blocks weiter, dann schließt sich die Tür der Hotelsuite für uns. Wer bitte ist Chuck Norris?


    "Ich trink' kein' Alkohol, aber manchmal schon/
    Jacky-Cola, Wodka-O – gluck, gluck, gluck/
    "
    (Sinan-G auf "Ich und mein Bademantel")


    Nächste Szene. Sinan-G hat nicht nur "Haare wie Mr. T", sondern auch nichts als Verachtung übrig für die heutige Rappergeneration in rosa Hemd und enger Hose. So berichtet er vom Kulturschock nach seiner Zeit bei Prison Break: Wie er die JVA breitbeinig mit seinem Nokia 6210 in der Bauchtasche verlässt – und sich erstmal die Nase am Schaufenster des Multimediashops gegenüber plattdrücken muss, auf dessen Flachbildfernsehern ein 2Pac-Hologramm einen ganzen Part zum Besten gibt. Wie ein kleines Kind stürzt sich Sinan auf 3D-Filme, vergleicht DVDs mit BluRays und genießt die Vorzüge von Internet-Pornos. Wahrscheinlich im Bademantel. Bei ekligen Fettflecken auf dem iPad-Touchscreen und schrägem Autotune-Geträller vermisst der selbsternannte MSN-Sexgott aber die Zeiten, als Sentino & Co. noch "Free Sinan" auf Konzerten für ihn skandierten.


    "Hab' die Waffe mit am Block, das ist Essen/
    Komm bei uns in Dönerbude, Junge, das ist Essen/
    "
    (Sinan-G auf "Mit Essen spielt man nicht")


    Der ganze Saal erhebt sich letztendlich von seinen Kinosesseln. Nee, ganz so gut war's nicht. In der ersten Reihe ist ein Becher Cola umgefallen, deshalb mussten alle nacheinander aufstehen. Der Abspann läuft an, siehe da: Auch ein Sido war vertreten, ein KC Rebell, ein PA Sports, ein Kurdo ... ach ja, natürlich: Eko Fresh gibt sich die Ehre auf dem Album seines Schützlings. Moment, wer beschützt nochmal wen? Egal, bis auf das Sido-Feature sind mir die Parts eh nicht so gut im Kopf geblieben. Der erfolgreiche Musiker hat sich auf seine jungen Tage bei der Sekte besinnt und kredenzt 16 Bars auf "Nackte Gewalt", die man so nicht mehr von ihm erwarten würde. Nach der Vorstellung muss man aber sagen, dass sich die Begeisterung für das gesamte Soundbild eher in Grenzen hält. Sinan drückt seine dünn abgemischte Stimme auf langsame Beats, flowt deshalb eher monoton und reiht sehr oft Zweckreime aneinander. Die Instrumentals wissen zwar manchmal zu überraschen, beispielsweise das Dubstep-Outro des zweiten Tracks "JVA". Die Songs des Albums hören sich trotzdem alle sehr ähnlich an: Während an BPM gespart wird, finden sich leider auf jeder Anspielstation extrem helle Synthesizer und Reime, die gezwungen scheinen. Hand aufs Herz: Virtuose Mehrdeutigkeiten sehen anders aus.


    Gott sei Dank gleicht Sinan-G die Kritikpunkte durch seinen erfrischend stumpfen Humor aus und nach diesem Feuerwerk des guten Geschmacks lässt sich festhalten: Niveau ist doch 'ne Handcreme! Es wird geprotzt, gepöbelt und mit 2005er Gangsterrap-Klischees um sich geworfen. Sinan hat seinen Theaterkurs im Knast gut genutzt und präsentiert seinen Hörern den überzogensten Charakter, der weit und breit durch die deutschsprachige Raplandschaft geistert. Nahezu jeder Part der Kunstfigur Sinan-G zaubert mir mehr als nur ein schiefes Grinsen ins Gesicht. Und weil es so schön ist:


    "Weil ich auf den Straßen kontrovers pose/
    Stecke ich deinen Kopf in eine Konservendose/
    [...]
    Das ist Straßenrap-Philosophie/
    Heute Abend Gangbang mit Phil und Sophie/
    "
    (Sinan-G auf "Scheiss drauf")


    Fazit:
    Je nach Art der persönlichen Humorverirrung kommt Sinans neuestes Werk über weite Strecken unglaublich amüsant daher. Sinan kredenzt euch nicht weniger als das asozialste Straßenrap-Album des vergangenen Jahrzehnts. Etwas anderes sollte man auch nicht erwarten von jemandem, bei dessen Interview eine leergetrunkene Moët-Flasche wie durch Zauberhand immer und immer wieder ihren Weg vor das Kameraobjektiv findet. Für Sinans Entertainerqualitäten, mit Ausnahme einiger Aussetzer, gibt es von mir fünf Mics. Abzüge in der B-Note muss ich dann leider für das Soundbild vergeben: Bis auf den "Bademeister"-Song, der auch tatsächlich seinen Weg auf meine Sommer-Playlist gefunden hat, konnte sich kein Track für den längeren Gebrauch qualifizieren. Für meinen Geschmack fehlt da einfach die Abwechslung: Die Beats ähneln sich vom Aufbau zu extrem, der Flow ist mir irgendwie zu Standard. Summa summarum bleiben drei Mics. Vielleicht sind wir ja doch nicht ganz grundlos von unseren Sesseln aufgestanden.



    (Der_Lektor)

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  • Sehr gut geschrieben, Props. :D


    Habs mir noch nicht angehört, aber "Bademeister" fand ich überraschend witzig und gut gerappt, hätte ich nicht erwartet, muss mir mal die restlichen Tracks anhören.

  • Das ist mit weitem Abstand eines der schlechtesten Alben bzw. Rapper die ich jemals gehört habe...... wie kommt denn bitte so ein untalentiertes etwas an die Öffentlichkeit.... jeder Rappers.in Spitter is technisch besser als dieser lauch.... und glaubhaft ist der Lappen ja mal auf keinen Fall.... wenn man auf warme Pisse steht, ist Sinan ein absoluter Durstlöscher.... nicht mehr und nicht weniger
    das ist einfach Fakt

  • Zitat

    Original von Bäckz
    Das ist mit weitem Abstand eines der schlechtesten Alben bzw. Rapper die ich jemals gehört habe...... wie kommt denn bitte so ein untalentiertes etwas an die Öffentlichkeit.... jeder Rappers.in Spitter is technisch besser als dieser lauch.... und glaubhaft ist der Lappen ja mal auf keinen Fall.... wenn man auf warme Pisse steht, ist Sinan ein absoluter Durstlöscher.... nicht mehr und nicht weniger
    das ist einfach Fakt


    So isses!


    Sieht man schon am Cover dass es Rotz sein muss, find ich...

  • Zitat

    Original von Bäckz
    Das ist mit weitem Abstand eines der schlechtesten Alben bzw. Rapper die ich jemals gehört habe...... wie kommt denn bitte so ein untalentiertes etwas an die Öffentlichkeit.... jeder Rappers.in Spitter is technisch besser als dieser lauch.... und glaubhaft ist der Lappen ja mal auf keinen Fall.... wenn man auf warme Pisse steht, ist Sinan ein absoluter Durstlöscher.... nicht mehr und nicht weniger
    das ist einfach Fakt


    Ihr müsst mal das Vorgängeralbum hören, das ist schlecht.


    Habe ich damals leider völlig überbewertet. Von seiner "Halt-die-Fresse"-Folge war ich eigentlich extrem positiv überrascht, weil es im Vergleich zu seiner Vorgängerscheibe eine echte Steigerung ist. Sogar Humor. Und nicht sooo viele Zweckreime.


    Aber dass ein Rapper zwei Jahre nachdem er "Hood schnell" auf "Schutzgeld" gereimt hat, sich nicht minimal verbessern würde, wäre auch ein großes Wunder.

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