01. Galerie
02. Drehmoment
03. Glücksprinzip
04. Alter
05. Mann über Board
06. An mir vorbei
07. S.O.T.P.
08. Erschossen
09. Ohne meinen Sohn
10. Kopfhörer
11. Hellwach
12. Das Portrait
13. Stein auf dem Weg
14. Immer unterwegs
15. Gentrifiziert
16. An der Line
17. Freies Feld
"Schön, dich zu sehen, sag, wie lang' ist es her, seit wir uns zum letzten Mal sahen?" – "Fünf Jahre", antworte ich Damion Davis auf seine Frage, die er mir am Ende seiner "Schön dich zu sehen"-EP stellt. Diese erschien als Vorbote für das neue Album "Querfeldein" des Berliners im März. Sehen konnte man das Multitalent ja durchaus öfter in den vergangenen Jahren – als Schauspieler wirkte er zum Beispiel in Sidos Film "Blutzbrüdaz" mit. Die große Wiedersehensfeier mit dem Rapper findet allerdings auf dieser LP statt. Denn die Musik betreffend wurde es um Damion seit seinem letzten Album "Lampenfieber", das 2008 erschien, ziemlich ruhig. Dementsprechend lange hatte er Zeit für sein neues Werk und man darf gespannt sein, ob die – natürlich auch hieraus resultierende – hohe Erwartungshaltung bestätigt werden kann. Es geht "querfeldein".
"Die Natur ist für mich wie ein Freiluftkino/
Kilometerlange Wildreservate zwischen Autobahn, Hauptstraßen, Windräderparks/
Vor deinem inneren Auge spielen sich Filmszenen ab/
Und du verstehst den Sound, wenn du ein Bild sehen kannst/"
(Damion Davis auf "Galerie")
Der erste Titel des Langspielers beschreibt, meist durch die Aufzählung diverser Lebewesen, Gegenstände oder Situationen aus der Natur, die Schönheit und Weite der Welt, die deutlich wird, wenn man mal genauer hinsieht. Musikalisch untermalt wird dies durch einen sehr melodischen Gitarrenbeat, der von Damion und SilenTone in Zusammenarbeit produziert wurde wie auch ein Großteil des restlichen Albums. Hier wird bereits angedeutet, was sich durch das ganze Album zieht: Während Damion in den Strophen souverän und technisch perfekt rappt, wird die Hook von ihm auf ebenfalls hohem Niveau gesungen. Auch der Beat ist kein klassischer HipHop-Beat, sondern weist poppige Einflüsse und Rock-Elemente auf, was hier absolut kein negativer Begriff ist. Das gesamte Album verfolgt somit zwar einen gewissen roten Faden, bleibt dabei aber stets sehr abwechslungsreich. Dies wird auch anhand mehrerer von Mortis One produzierten Tracks verdeutlicht, wie zum Beispiel an "Kopfhörer", die eher in die klassische HipHop-Schiene eingeordnet werden können. Bezüglich des Inhalts der einzelnen Tracks lässt sich sagen, dass der SpokenViewer in jedem Lied eine bestimmte Thematik verfolgt und eingängig beschreibt. Mal beruft er sich auf sein Dasein als Skater und seine Abneigung gegenüber der Polizei ("Mann über Board", "S.O.T.P."), dann baut er einen ganzen Track um die Bedeutung eines simplen Steins auf der Straße für einen jungen Mann auf ("Stein auf dem Weg") oder berichtet über seine Liebe zum Reisen ("Immer unterwegs"). Representer oder wirklich durchgehende Battletracks sind nicht zu finden. Dass Herr Davis skilltechnisch über den meisten MCs des Landes steht, macht er nebenbei in einigen Lines und allein durch seine immer wieder variierende und außergewöhnliche Vortragsweise klar. Flowwechsel, Reimschemata und Wortspiele en masse sind zwei Beispiele dafür, wie perfekt der Berliner seine Texte ausgeklügelt hat. So baut er beispielsweise in einem Lied die verschiedensten Bedeutungen des gebräuchlichen Wörtchens "Alter" in so gut wie jede seiner Zeilen ein.
"Ich bin kein alter Mann, ich bin ein Mann, Alter/
Und irgendwann heirat' ich meine Frau am Altar/
Ich bin noch lang' nicht in diesem Opa-Alter/
Aber geh' ab und zu mal in die Oper, Alter/"
(Damion Davis auf "Alter")
Weiterhin ist "Querfeldein" ein sehr persönliches Album. Damion setzt sich mit prägenden Ereignissen aus seinem Leben auseinander, speziell mit der Trennung von seiner Frau und damit auch von seinem geliebten Sohn. In Tracks wie "Ohne meinen Sohn" oder "An der Line" spricht er seine Frustration und auch seine Wut auf seine ehemalige Frau und ihre neue Beziehung aus. Er wirkt hierbei extrem authentisch und schafft es wirklich, mich ganz genau zuhören zu lassen. Die Emotionen sind aus jedem Satz, jedem Wort genau herauszuhören. Damion Davis fesselt mit jeder Geschichte, die er erzählt – wenn diese von ihm ganz persönlich handelt – umso mehr. Er schafft es wie wenige andere, mit Sprache ganz besondere Bilder zu erschaffen. Die Texte, mal bestehend aus Wortaufzählungen, mal aus kompliziert verschachtelten Sätzen, erscheinen einem direkt vor Augen. SpokenView eben, wie es Damion auch schon in Interviews betitelte. Das Gesamtkonzept des Albums ist einfach rundum gelungen. Florian Renner, so der bürgerliche Name des Hauptstädters, kommt aus dem Berliner Untergrund, ist ein waschechter HipHopper, der dir auf Anhieb einen mehrminütigen astreinen Freestyle hinlegt – doch er beschränkt sich nicht auf diese Sparte. Aufbauend auf Rap über verschiedene, meist durch Gitarre und Piano dominierte, alternative Beats, beeinflusst vom externen Produzenten SilenTone, erschafft der Berliner ein ganz eigenes Klangbild. Er spittet zwei Minuten lang perfekte Reimketten, legt danach eine fesselnde Gesangshook hin und macht einfach Musik – mit allen möglichen Mitteln, die ihm dazu gerade im Kopf herumschwirren. Mit Anpassung oder Kommerz hat dies nicht im Geringsten etwas zu tun.
"Fuck, ich hatte ständig Angst um dich/
Tief nachts, lieg' wach im Bett, wenn du einen ander'n stichst/
Ich wusste, dass du fremdgegangen bist und zwar/
Unter der Linie, entlang des Strichs/
Du bist an der Line, ich hänge an einem Strick/
Schüttel' jetzt den Kopf, aber ich brech' ihm das Genick/
Und ich weiß, es ist nicht fair, dass ich das veröffentlich'/
Doch ich teil' lieber meinen Schmerz, bevor mein Herz daran zerbricht/"
(Damion Davis auf "An der Line")
Fazit:
Auf "Querfeldein" wurde lange gewartet. Es hat sich gelohnt. Fünf Jahre nach "Lampenfieber" bringt Damion Davis ein Album, das Maßstäbe setzt. Auf 17 Titeln beweist er seine Daseinsberechtigung als einer der vielseitigsten und begnadetsten Interpreten, die deutscher Rap momentan zu bieten hat. An keiner Stelle des Albums wird ein Featuregast vermisst, auf den gänzlich verzichtet wurde. Der Berliner bietet Einblicke in sein tiefstes Seelenleben, zeigt die Welt aus seiner Sicht in schönsten Bildern, die er in Sprache zu verpacken weiß, beruft sich auf das Alte und schafft doch immer Neues. Damion Davis macht großartigen Rap – Damion Davis macht überragende Musik.
Alexander Hollenhorst (Holle)
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