Kaum ein deutscher Produzent ist so sehr Künstler wie der Stuttgarter Dexter. Der hat zwar bereits die eine oder andere Platin-Schallplatte an seiner Wand hängen, instrumentiert aber dennoch liebend gerne Platten von Untergrundrappern, die außerhalb ihrer Landkreise kaum jemand kennt. Erfolg scheint eben doch nicht alles zu sein. Im Mai dieses Jahres veröffentlicht Dexter nun sein neues Album "The Trip" – und nimmt den Hörer dabei in eine komplett andere Welt mit. In was für eine, erklärt er in unserem Interview ...
rappers.in: Auf der Webseite von Melting Pot Music findet man eine englische Beschreibung zu "The Trip". Wieso wird dein kommendes Album, auf dem kein Wort gerappt wird, als "one of the most free-thinking hip-hop albums of 2013" bezeichnet und wie definierst du für dich persönlich den Begriff HipHop-Album?
Dexter: Also, ich hab den Pressetext ja nicht selbst geschrieben, aber wenn Andere dieses Album so sehen, ist das natürlich eine schöne Sache. Beats sind genauso HipHop wie Sachen mit Rap, das habe ich schon immer so gesehen. Free Thinking bedeutet, denk' ich mal, dass ich da eben was gemacht hab', was es in der Form vielleicht noch nicht gegeben hat. Aber Pressetexte triefen ja eh immer vor Pathos, damit Leute wie ihr das halt interessant findet und mal reinhört. (lacht) Ein HipHop-Album ist ein Album, auf dem HipHop drauf ist. Ich mach' mir nichts aus Begriffen.
rappers.in: "The Trip" ist ein Album, welches Psychedelic Rock-lastig ist. Dein Vater hat dich zu dieser Musikrichtung inspiriert und du selbst hast nach vielen unbekannten Tracks gesucht, um sie auf deinem Album zu samplen. Hast du "The Trip" mal gemeinsam mit deinem Vater angehört? Was hat er zu deiner Arbeit gesagt?
Dexter: Mein Vater hört eigentlich grundsätzlich immer alles an, was ich so fabriziere, da er ja selbst großer Musikliebhaber ist. Natürlich hab' ich ihm "The Trip" gleich gebrannt, was er jetzt direkt dazu gesagt hat, weiß ich gar nicht mehr so genau. Aber ich denke, er findet das schon cool, dass ich mich mit der Musik seiner Generation beschäftige und das Ganze ins Jetzt transportiere. Das hätte er sich damals, als er im Auto Blues hören wollte und ich 2Unlimited, wohl nicht gedacht. (lacht)
rappers.in: Wenn du schätzen könntest: Wie viel Arbeit hast du in den Entstehungsprozess deines neuen Albums hineingesteckt und wie präzise hast du dir Tracks angehört, um sie als Samples zu benutzen? Wie darf man sich einen solchen Arbeitsalltag bei dir vorstellen? Sitzt du vertieft vor deinem PC, durchforstest das Internet nach Tracks, sammelst alles und hörst es dir nacheinander mehrere Stunden an?
Dexter: Eigentlich genau so, ja. Manchmal liege ich schon im Bett mit dem Laptop, durchforste Blogs und YouTube, schaue alte Filme, bestelle Platten bei Discogs und eBay. Andere Tage häng' ich einfach nur rum, mit Freunden oder alleine, lege nebenher die Sachen auf und merke mir die samplebaren Stellen oder genieße einfach nur die Musik. Dann gibt es wieder Tage, an denen ich die Sachen dann sample und Beats daraus mache. Das ist alles ein Prozess, der fließend ist, je nachdem, wie ich Zeit und Lust habe. Aber alles gehört dazu. So gesehen hat die Arbeit an "The Trip" schon zwei Jahre gedauert, wenn man alle Produktionsschritte mitzählt. Ein ordentlicher Suff, zwei bis drei Platten dabei hören und sich gut unterhalten, ist genauso ein wichtiger Teil der Produktion wie das Beats machen selbst.
rappers.in: Du bist ein großer Vinyl-Liebhaber und versuchst viele Platten von früher als Originalpressung zu erhalten. Würdest du gerne in der Zeit zurückreisen und die Musik sowie die Kultur damals miterleben? Wenn ja, welche Zeit würdest du bevorzugen und warum?
Dexter: Ich sage immer, dass ich das gern würde. Am besten jung sein, Ende der 60er. Aber eigentlich leb' ich schon ganz gern im Jetzt. Am besten wäre, ich könnte da mal für ein Jahr zurückreisen nach San Francisco, all die abgefahrenen Sachen erleben, die ganzen raren Platten kaufen und wieder ins Jetzt zurückkommen.
rappers.in: Auf deinem letzten Release "Jazz Files" hast du dich ausschließlich mit der Musikrichtung Jazz auseinandergesetzt, und nun auf "The Trip" vollständig mit Psych-Rock. Wird dein nächstes Album an eine bestimmte Musikrichtung angelehnt sein und hast du eventuell schon eine Idee, in welche genau?
Dexter: Im Moment hab' ich noch keine genaue Vorstellung. Ich habe einige Tracks, die sich mit Library Musik der 70er und analogen Synthesizern beschäftigen. Aber ich könnte mir auch vorstellen, demnächst was in Richtung Afrobeat oder Brasil Soul beziehungsweise Jazz zu machen. Die verschiedenen Beats aus aller Herren Genres existieren bei mir ja eh schon mehrfach, aber man muss sehen, was im Endeffekt noch mal das Zeug zu so einer Zeitreise im Stile von "Jazz Files" oder "The Trip" haben könnte. Ich lass' mich wie immer überraschen. Vielleicht rap' ich jetzt auch einfach wieder mehr.
rappers.in: Du bist einer der wenigen Produzenten, bei denen man das Gefühl hat, dass der Erfolg für sie nicht die höchste Priorität hat. Du arbeitest beispielsweise trotz Nummer 1-Erfolgen weiterhin mit sehr vielen unbekannten deutschen Rappern zusammen – deshalb möchten wir dir zum Abschluss die Möglichkeit geben, uns da einige Namen deiner letzten Projekte zu nennen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Dexter: Diese sogenannten "unbekannten" Künstler sind meine Freunde und Leute, die ich musikalisch sehr schätze. Ich würde mich freuen, würden sich noch ein, zwei Menschen mehr die Sachen aus unserem WSP Camp anhören wie zum Beispiel Jaques Shure, Waldo The Funk, Dennis Da Menace, Juke & Imun und vor allem die Demograffics, dessen Frontmann Maniac einfach einer der krassesten Künstler überhaupt ist.
(Florence Bader, Kristina Scheuner & Pascal Ambros)