01. Besonders sein
02. Systemfehler feat. Petrus
03. Kontraste feat. Inzoe
04. Papa
05. Placebo
06. Antihelden feat. Lakmann
07. Katharsis feat. Nazz
08. Aussenseiter
09. Weg zum Glück
10. Ausgegrenzt
11. Prometheus
12. Rockyskit
13. Fels in der Brandung
14. Rückenwind
15. Yin und Yang feat. Cr7z
16. Sonnenschein feat. Petrus
17. Schattenspiel
Schlägt man das Wort "Aussenseiter" nach, findet man folgende oder eine ähnliche Definition: "Der Begriff bezeichnet individuelle Menschen oder Gruppen von Menschen, die einer sozialen Gemeinschaft zwar zugehören, in diese Gemeinschaft aber nicht vollständig integriert sind." "Aussenseiter" ist aber ebenso der Name des neuen Albums des Wuppertaler Rappers Sinuhe. Worum geht es also auf diesem Release? Fehlende Zugehörigkeit, Einsamkeit und Abgeschiedenheit? Das sind die Erwartungen, die ich bei einem solchen Titel an das Album habe. Oder kann der Begriff "Aussenseiter" auch positiv behaftet sein? Gespannt starte ich die Wiedergabe.
"Lass dich nicht irre machen und geh deinen Weg/
Du musst es nicht jedem recht machen, nur dir, das genügt/
Halt dich fern von den Lügnern und den negativen Typen/
Halte dich an die Familie – sie wird dich behüten/"
(Sinuhe auf "Besonders sein")
Schon im ersten Lied des Albums lässt sich erahnen, wohin die Reise thematisch gehen wird. "Besonders sein" ist ein Aufruf an die eigene Einzigartigkeit und Vernunft des Menschen. Auf einem stimmungsvollen Piano-Beat von Epic Infantry, die übrigens das gesamte Werk produziert haben, flowt Sinuhe mit seiner sehr eigenen Aussprache und erzeugt damit eine äußerst dichte Atmosphäre. Nur schade, dass diese ab und an durch platte Lines wie "Es is' Zeit, jetzt ihr Leben in die Hand zu nehmen wie ein iPad" unterbrochen wird. Von der Thematik der Hoffnung geht es weiter zum Gegenteiligen. Mit "Systemfehler" übt Sinuhe Gesellschaftskritik. Der Staat, Arbeitslosigkeit, Lebensumstände und auch die Menschen selbst. Alles läuft falsch. Petrus, wie sich der werte Herr nennt, der Sinuhe bei dieser Schwarzmalerei unterstützt, ist in seinem Part ganz ähnlicher Meinung. Thematisch ist das aber leider nicht das Innovativste. Zu oft schon gab es vegleichbare Deutschrap-Tracks mit ähnlichen Inhalten. Man hat beim Hören andauernd das Gefühl, alles schon mal gehört zu haben. Rübergebracht wird das Ganze auf einem Beat, bestehend aus kraftvollen Drums, Geigen und einem Sängerinnen-Sample im Hintergrund. Dieser Beat fängt die Stimmung und den Rapstil der beiden Interpreten perfekt ein. Auch raptechnisch harmonieren Sinuhe und Petrus super durch ihre ähnlichen Stimmlagen und Flows.
"Du hast genug harte Schule hinter dir, schau, ich weiß es/
Die Welt ist ein einsamer, kalter Ort – grau und scheiße/
Vergiss den Streit, ich will alles wieder gutmachen/
Nur Platten um die Welt schicken, so wie Grußkarten/"
(Sinuhe auf "Papa")
Dennoch hat "Aussenseiter" wirklich eine Menge zu bieten. Neben der genannten Kritik an der Gesellschaft und motivierenden Tracks zeigt Sinuhe auch oftmals eine sehr persönliche Seite und lässt tief in sein Privatleben blicken. So fungiert der Track "Papa" quasi als ein Brief an den eigenen Vater. Sinuhe rappt über Vergangenes, Verlorenes, aber auch über die Zukunft und wie er die Situation verbessern möchte. Das alles mit dem gewohnt passenden, emotionalen Stimmeinsatz, der wieder perfekt mit einem von Geigen durchzogenen Beat untermalt wird. Leider gibt es für mich auch hier wieder einen Stimmungskiller: die Hook. Denn diese besteht nur aus einer Line mit hochgepitchtem Gesang, der sich wiederholt. Das passt leider so gar nicht zu Sinuhes ansonsten so kräftiger, fast schon schreiender Stimme und lässt das Gesamtpaket etwas schwächeln. Auch im Titeltrack "Aussenseiter" erzählt Sinuhe wieder aus seinem eigenen Leben. Auf einem ruhigen Klavier-Instrumental reflektiert der Wuppertaler sich selbst, sein Umfeld und seine Entscheidungen. Vor allem aber geht es wohl um seine Liebe zur Musik – wie er all seine Kraft und Zeit in diese investiert und dass er niemals ein "normales" Leben führen kann. Textlich und flowtechnisch wird dies total authentisch präsentiert. Zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, dass Sinuhe Schwachsinn erzählt oder Dinge erfindet. Seine Musik klingt, nicht zuletzt dank seiner markanten Stimme, echt. Und so ist es wohl auch mit seiner Liebe zur selbigen.
"Nenn mich Dickkopf, der an Träumen hängt, wie Affen an den Bäumen/
An 'nem Plug-in zwei, drei Stunden, mindestens vergeudet/
An 'ner Session bis um sechs schraubt, bis es hell ist/
Wenn Leute erst zur Arbeit gehen, sich erst ins Bett legt/"
(Sinuhe auf "Aussenseiter")
Neben all der Ernsthaftigkeit und den Problemen findet sich auf "Aussenseiter" auch ein ziemlich klassischer Raptrack. Auf "Antihelden" battlet Sinuhe mit Featuregast Lakmann um die Wette. Hier wird real gekeept und werden Punchlines gespittet. Passend dazu gibt es einen druckvollen Battle-Beat, auf den die beiden Intepreten Rhymes und Vergleiche pressen, dass es nur so knallt. Das Ganze hat durch die Flows der beiden einen schönen Oldschoolflavour, der noch zusätzlich vom Leitsatz "Heute haben Rapper nur auf YouTube Erfolg" unterstützt wird. Man scheißt auf den Mainstream und macht sein Ding, so wie man es selbst für richtig hält. "Aussenseiter"-mäßig eben. Und dennoch sehr sympathisch.
Besonders hervorzuheben sind vor allem noch einmal die Beats auf "Aussenseiter". Da das Album komplett von Epic Infantry produziert ist, sind die Instrumentals durchgängig auf einem sehr hohen Niveau. Fast immer fangen sie perfekt die Atmosphäre des jeweiligen Tracks ein oder helfen viel mehr dabei, diese dichte Stimmung überhaupt erst zu erzeugen und zu festigen. Außerdem umfassen sie ein ganzes Spektrum an Instrumenten. Von den anfangs genannten Geigen über kräftige E-Gitarren bis zum nachdenklichen Piano. Auch hier zeigt sich eine große Vielfalt. Das kommt dem Album extrem zugute und lässt den einen oder anderen thematisch altbackenen Track dennoch in modernem Glanz erstrahlen.
Fazit:
Wie schon auf dem Cover des Albums zu sehen, hat Sinuhes "Aussenseiter" wirklich viele Facetten. Auch wenn thematisch alles zunächst sehr düster und grau zu sein scheint, blitzt doch fast überall Hoffnung und Motivation zur Besserung auf. Die Message von "Aussenseiter" ist doch eine positive und gefällt mir besser, als ich erwartet habe. So geht es mir insgesamt mit dem ganzen Album. Die vielen unterschiedlichen Thematiken lassen trotz des manchmal etwas monotonen und einschläfernden Flows von Sinuhe kaum Langeweile aufkommen und sind durchgehend für jeden Menschen nachvollziehbar. Der Flow und Stimmeinsatz bleibt Geschmackssache, aber wird fast zur Nebensächlichkeit, denn beattechnisch ist alles nahezu perfekt untermalt und auch die Features sind passend gewählt. Entgegen seiner Definition muss sich "Aussenseiter" also nicht in der Abgeschiedenheit verstecken.
Florian Peking (Florginal)
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