Review: Jason – Lebenszeichen



  • 01. Intro
    02. Antihelden
    03. Groupie Love
    04. Bei Nacht
    feat. Marsin
    05. Homies (Skit)
    06. 666 Gang
    feat. 4tune
    07. Mitten im Weg
    08. Paradies
    09. Einsam
    10. Outro


    Vor sieben Jahren "Rappen kann tödlich sein" mit Favorite, vor fünf Jahren "Status: Ballin" solo, dann lange nichts vom Essener Jason. Hier und da ein Feature, zuletzt mit 4tune und Fav auf "Leider geil", davor der Track "Spacecash" auf "Christoph Alex" ... viel ist im Grunde musikalisch nicht passiert. Das aber änderte sich am 22.02. diesen Jahres mit der EP "Lebenszeichen". Ja, Jay ist zurück im Leben und noch in diesem Jahr soll ein neues Album folgen. Ob man sich darauf freuen darf? Lest selbst.


    Der Beat zum "Intro" versprüht Horrorfilm-Charme. Weniger den eines gruseligen alten Klassikers, sondern mehr den des x-ten, trashigen "Halloween"-Sequels. "Piep, piep, piep" – vermutlich irgendeine lebenserhaltende Maschine. Das peitscht sich alles ein bisschen auf, bis ich nach gut 25 Sekunden denke: Bitte lass diesen Beat nicht repräsentativ für die EP sein. Inhaltlich aber halb so schlimm, der Text ist in gleichen Teilen einer von Hipstern gefluteten Szene und den bösen Absichten des Künstlers gewidmet. Leider nehme ich Gerede von "666" und "satanischem Glauben" niemandem ab. Ich hoffe, das verletzt nicht die religiösen Gefühle der Leserschaft. Schon beim Anklang des nächsten Instrumentals merke ich: Wow, das "Intro" ist wirklich nicht repräsentativ. Es geht gediegen los und weitgehend untermalt von Glockenspiel macht Jason aus "Antihelden", was "Eure Kinder" von Chakuza und Bushido seinerzeit hätte sein sollen. Lyrisch ganz weit oben erklärt er dem geneigten Hörer seine Rolle in einem System, in dem Eltern die Idole ihrer Kinder anprangern, ohne selbst Vorbilder zu sein. Und das so, dass ich mich als logisch denkender Mensch mit dem Gedankengang ernsthaft auseinandersetze. Hut ab, ein absoluter Highlight-Track!


    "Mich pisst die Welt an/
    Doch dich pisst mehr an, dass dein Kind mir mehr Gehör schenkt als seinen eigenen Eltern/
    Doch mal im Ernst: Ihr braucht doch diesen Typ Mensch/
    Auf den ihr mit dem Finger zeigt, wenn die Idylle mal brennt/
    "
    (Jason auf "Antihelden")


    "Groupie Love" ist im Grunde eine bösere Version von "Stalkerslut" mit Favorite. Unmelodisch und dunkel poltern mir die Bässe entgegen, während Jason sich als denkbar schlechtesten Schwiegersohn porträtiert und einem Groupie als unbestimmtem Objekt vermittelt, was er von ihm hält. Ich fasse kurz zusammen: nicht viel. Spätestens mit "Bei Nacht" stelle ich dann aber fest, wie unglaublich vielseitig "Lebenszeichen" ist. Eine Ode an die Nacht und alles, was in ihr geschieht, gerappt auf einen Beat, der sich an Samples aus der Blues-Ecke bedient, verfeinert mit einer Marsin-Gesangshook. Der "Homies"-Skit wartet mit grenzwertigem Autotune-Gedudel auf, ist aber inhaltlich klasse für jeden, der guten Kumpels schon immer mal nahebringen wollte, wie schön es ist, dass es sie gibt.


    Ich erwähnte, dass "Antihelden" ein Highlight ist und wenn das Tape uns eines lehrt, dann ist es, dass die Existenz von Licht auch die Existenz von Dunkelheit bedingt. Oder so. Jedenfalls ist "666 Gang" mit 4tune in diesem Fall die Dunkelheit. Und nicht die, die man gerne hört. Irgendwie stimmt bei diesem Track alles hinten und vorne nicht – umso mehr verwundert mich, dass er es zur Videoauskopplung geschafft hat. Der Beat ist bis zum Brechreiz elektronisch, beinahe so, als würde man in einem Club voller Menschen mit Swag neben einer Fliegersirene sitzen. Thematisch geht es um Punchlines, mehr zu sagen, wäre zu viel behauptet. Geschossen wird namentlich vor allem gegen Cro, aber beide Interpreten bleiben unsäglich weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.


    "Er fuhr von Jam zu Jam, Session zu Session/
    Erkämpfte in Battles seinen Namen, gleich wie gut die Gegner auch waren, er zählte sehr schnell zu den Besten/
    Er hat gut ausgeteilt und eingesteckt, bei ihm sitzt jeder Rhyme perfekt/
    Der Flow ist on point und Punches bringt er zeitversetzt/
    "
    (Jason auf "Paradies")


    Im weiteren Verlauf der EP verschreibt Jason sich den ernsteren Tönen. Auf "Mitten im Weg" vereint der Essener die inhaltliche Konstante des Wehklagens mit dem künstlerischen Aspekt des aggressiven Vortrags. "Paradies" zeichnet eine kometenhafte Rapkarriere nach und macht den Hörer besonders sensibel dafür, dass das, was hoch geht, auch wieder fallen muss. Auf "Einsam" sind die ernsten Töne wieder versiegt, auf einem eher Clown-artigen Beat folgt die scherzhafte Auseinandersetzung mit der eigenen "Isolation". Das "Outro" schließlich fasst die offene Botschaft der EP noch einmal gut zusammen, indem Jay harte Kritik an der Szene übt. Da geht es speziell wieder um die Rolle des Hipsterraps im deutschen HipHop. In diesem Punkt zeigt sich der Künstler auch sehr verbissen. Da auf so einigen Tracks der zehn Anspielstationen umfassenden EP gegen Pandamaskenträger und Modefetischisten geschossen wird, stellt sich ein leichtes Übersättigungsgefühl ein. Auf Albumlänge könnte das nerven.


    Fazit:
    Trotz allen genannten Kritikpunkten begrüße ich "Lebenszeichen" dankbar, denn es ist ein grundsolides Deutschraptape mit Facetten und Schönheitsfehlern. Die hörenswerten Sachen sind richtig, richtig gut, die weniger hörenswerten Tracks sind halt klassische Skipper. Das werden einige anders sehen, aber genau diese polarisierende Wirkung ist eben offenbar das neue Markenzeichen von Jason, der im neuen Stil auch mal auf den Namen "Dexter Morgan" zurückgreift. An "Lebenszeichen" werden sich die Geister sicher scheiden – bei mir jedenfalls hinterlässt es alles in allem einen positiven Nachgeschmack und schürt gute Erwartungen an Jasons kommendes Album.



    (Marc Zufall)

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