01. Antihelden
02. Kein Schu draus
03. Bin dann mal weg feat. Pohlmann
04. Alles im Lot
05. On Fire feat. Johnny Popcorn
06. Rosi feat. Günther Sigl
07. Schwarzes Gold
08. Wunderbare Welt
09. Affentanz
10. Eurovision
11. Supermänner feat. Sportfreunde Stiller
12. Problem mit Ich feat. Peter Hadar
13. Nachwachsende Rohstoffe
14. 3/4
15. Neulich in der City
16. Blattgold auf Anthrazit
Ich denke an "6 Meter 90" zurück – den ersten Track, den ich wohl jemals von Blumentopf gehört habe – und in der Rückschau betrachtet, fühlt sich das 15 Jahre später nicht weniger prägend an als in den Neunzigern. Auf diese Review von "Nieder mit der GbR", dem neuesten Release der Crew, habe ich mich besonders gefreut, weil damit für mich auch eine Wiederentdeckung verbunden ist. Mir war immer klar, wie produktiv Blumentopf in all der Zeit waren, ich habe "Musikmaschine" (2006), "Wir" (2010) und all die Fußball-"Raportagen" mitbekommen – an mir vorbeigegangen ist das alles dennoch. Wie könnte ich da besser meinen Wiedereinstieg finden als in einer Review?
Theodor Fontane sagte einmal sinngemäß, dass der erste Satz eines Werks seinen Keim enthalten soll. Der erste Track des Albums, "Antihelden", beherzigt das in Gänze und stellt die Weichen für diesen 16 Songs langen Güterzug namens "Nieder mit der GbR". Beide – der Track und der Güterzug – transportieren positive Leichtigkeit, mitreißende gute Stimmung auf Sample-Beats und eine große Ladung unterhaltsamer Wortspiele. Dieser angenehm klimatisierten und Zwischenhalt-freien Fahrweise bleibt "Nieder mit der GbR" bis hin zur Endstation "Blattgold auf Anthrazit" treu und die Reise vergeht wie im Flug. Cajus, Holunder, Schu und Roger liefern gut gelaunten, pointenreichen Rap, sauber produziert und in seinen Inhalten absolut anständig und vertretbar. Sepalot steuerte die Beats bei und griff dabei tief in die mit "Soul" beschriftete Sample-Schublade, was dem Klang der Scheibe ein weiches, warmes Odeur von Vinyl und dem Sound der Neunziger verleiht.
"Ey komm, wir feiern den Weltuntergang, ruf deine Kumpels an/
Die Mädels natürlich auch, wir grillen heute 'n Unschuldslamm/
[...]
Oh ja, wir sind immer noch dieselben, oh ja, verdammte Antihelden/
Die Neandertaler auf dem Affenfelsen, das Leben ist zu kurz, um USB-Sticks abzumelden/
[...]
Ey komm, wir leeren Sparkonten, so als wären es Weinflaschen/
Und lassen uns von bisschen Druckerschwärze nichts mehr weismachen/
[...]
Werfen die Stolpersteine zurück durch ihre Browserfenster/
Und reißen dreckige Witze über die ganzen Saubermänner/"
(Blumentopf auf "Antihelden")
Nur lobenswert aufzufassen ist die große thematische Vielfalt: Sei es die Fernweh erzeugende Aufbruchsstimmung von "Ich bin dann mal weg", die Lobpreisung guten Kaffees auf "Schwarzes Gold" oder der Weckruf an die animalischen Partyinstinkte auf "Affentanz". Seien es die Thematisierung der Beziehung zur eigenen Währung ("Eurovision") oder der Appell an die Nachhaltigkeit ("Nachwachsende Rohstoffe"), "Nieder mit der GbR" bietet ein breites Spektrum an Themen, in dem sich die meisten Hörer sicherlich wohlfühlen werden, wenn sie bereit sind, auf Punchlines gegen das lyrische Du und schmutzige Worte zu verzichten. Das ist angenehm erfrischend und viele Künstler der Szene dürften sich gerne einmal eine Scheibe von Blumentopf abschneiden, was das angeht. Obwohl es kein Schema F gibt, folgen die meisten Tracks dennoch einem bestimmten Muster. Gesammelt und präsentiert werden weniger anekdotische Evidenzen für einen bestimmten Sachverhalt, sondern gut einzuflechtende, sprachliche Witzeleien. "3/4" etwa stellt die Auseinandersetzung mit der eigenen Wohngegend in den Vordergrund, als Basis für den Track dienen aber zahllose Wortspiele mit Zahlen und Brüchen. "Nieder mit der GbR" erzählt Geschichten nicht als eine Schilderung von Abläufen, sodass mehr bunte Collagen erstellt als bewegte (oder bewegende) Bilder gezeichnet werden. Ich als Hörer bin danach nicht klüger als zuvor und eigentlich muss ich mich nie fragen, wovon dieser oder jener Song jetzt eigentlich handelt. Der Song darüber, dass die Jungs Kaffee gut finden? Handelt davon, dass die Jungs Kaffee gut finden. Der Song darüber, dass sie in ihrer Funktion als Männer eigentlich Kinder mit zu vielen Flausen im Kopf sind? Ihr ahnt es schon. Und eigentlich ist das auch genau richtig so.
"Man, in meinem Viertel ist ein Drittel unzufrieden/
Die Hälfte wollte umziehen, doch fast alle sind geblieben/
[...]
Es gibt 'ne Menge falsche Fünfziger in meinem Viertel/
Denn jeder will seinen Anteil und gönnt dir nicht mal 'n Drittel/
[...]
In meinem Viertel bestimmen die Hipsters den Dresscode/
Snobs prahlen mit Halbwissen bei doppelten Espressos/
[...]
Papa hat kein Handicap beim Golf, er fährt einen mit Rostschaden/
Und wenn wir cruisen, dann mit der 18 und der Monatsmarke/"
(Blumentopf auf "3/4")
Pohlmann macht sich um die Hook von "Bin dann mal weg" verdient, auch, wenn die zugegebenermaßen nicht besonders textreich ausgefallen ist. Macht aber nichts, klingt nämlich super. Die Sportfreunde Stiller ergänzen das Rapgespann auf "Supermänner", die feinen Anspielungen auf König Fußball schenken den musikalischen Verdiensten beider Gruppierungen um die letzten beiden Weltmeisterschaften noch einmal ein Augenzwinkern. Für Rückendeckung aus Übersee sorgen Peter Hadar und Johnny Popcorn mit den Hooks zu "Problem mit Ich" und "On Fire". Die sicherlich größte Überraschung: Günther Sigl, den Älteren sicherlich bekannt als Mitglied der Spider Murphy Gang, ist ebenfalls auf dem Album vertreten und spinnt gemeinsam mit Blumentopf auf "Rosi" die Geschichte des alten Gassenhauers "Skandal im Sperrbezirk" weiter. Das hat noch einmal einen ganz eigenen Charme für jeden, der nicht zu sehr im Rap festgefahren ist. Zusammenfassend lässt sich über die Feature-Gäste sagen, dass sie eben nicht die üblichen Verdächtigen sind – und das fällt äußerst positiv auf.
Fazit:
Die GbR niedergerissen mögen Blumentopf auf ihrem neuen Album haben oder nicht (Ich hab' beim besten Willen keine Ahnung, was der Titel uns sagen soll), unterhalten haben sie mich dennoch prächtig. Der Oldschool-Sound geht mir gut rein, die allgemein lockere Stimmung schlägt sich wohlig auf mein Gemüt nieder. Sicherlich wird der Erfolg den Titel eines Jahrhundert-Releases nicht rechtfertigen, aber "Nieder mit der GbR" verdient in meinen Augen doch eine besondere Aufmerksamkeit – auch noch drei Monate nach der offiziellen Veröffentlichung. Reinhören lohnt sich für Fans und Skeptiker gleichermaßen.
(Zufall)
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