Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertig gestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen.
Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.
Johnny Pepp – Für das Pepp
Namentlich zwar noch nicht allzu bekannt, kann Johnny Pepp dennoch bereits auf den ein oder anderen Charterfolg zurückblicken – immerhin ist er der Hausproduzent des Frankfurter Labels Freunde von Niemand und wirkte in diesem Jahr bereits an zwei Top 10-Releases mit. Dass er nicht nur ausgezeichnet produzieren, sondern auch gut rappen kann, beweist er nun mit seiner "Für das Pepp"-EP auf acht Anspielstationen. Für die zum größten Teil sehr düstere Instrumentalisierung zeichnet Johnny Pepp dabei komplett selbst verantwortlich – lediglich die Unterstützung von Labelkollege Cristal holte er sich für ein paar Nummern zusätzlich ein. Inhaltlich gibt sich der Freund von Niemand unerwartet abwechslungsreich. Natürlich wird zu Genüge gepafft, representet und gebattlet, aber auch stets etwas Melancholie untergemischt. Gutes Beispiel: Der Titel "Unsterblich", der quasi alle Themengebiete auf einmal abdeckt. Ebenfalls thematisiert wird seine Funktion als Rapper und Produzent bei FvN, bei denen es sich – und auch das kommt beim Hören der EP zur Geltung – einfach um das beste Team handelt. Hochkarätige, featuretechnische Unterstützung gibt's obendrauf: So zelebriert Timeless auf "New World Order" auf einem ungewöhnlich chilligen Beat ein paar Verschwörungstheorien ("Mein Manager kontrolliert alles aus dem Untergrund – Illumi-Hadi"), während MoTrip und RAF Camora auf "Jeden Tag" ihre Lebensweisen als Superstars und Künstler offenbaren. Fazit: Wer auf den typischen Freunde von Niemand-Sound steht, abseits des ganzen Pathos aber auch gerne mal einen Ausflug in etwas andere Themengebiete wagen würde, ist mit "Für das Pepp" gut bedient. Ziehen!
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Private Paul – Lotus
Private Pauls Debütalbum "Emopunkrap" hat seit seiner Veröffentlichung bereits über zwei Jahre hinter sich gebracht. Voraussichtlich 2013 will KASH allerdings wieder mit einer neuen Platte von sich hören lassen – mit deren Entstehung und seiner Teilnahme am diesjährigen Videobattleturnier auf rappers.in hat er sich in den letzten Monaten wohl so seine künstlerische Zeit vertrieben. Ach ja: Nebenbei hat er noch eine kleine EP namens "Lotus" in enger Zusammenarbeit mit dem Produzenten Dubios, der bereits Beats für Acts wie Morlockk Dilemma und Prezident angefertigt hat, für euch zusammengeschraubt. Man will ja auch 2012 noch ein Lebenszeichen von sich geben. Diese EP umfasst sechs Titel, wobei nur auf dreien gerappt wird und es sich bei der anderen Hälfte an Tracks um reine, jedoch sehr stimmungsvolle Instrumentalversionen handelt. Textlich gibt sich Private Paul wie gewohnt der Tristesse und Hoffnungslosigkeit des Lebens hin. Emopunkrap eben, daran ändert sich auch kurz vor dem prophezeiten Weltuntergang nichts mehr. Zu verdanken ist die dichte Atmosphäre, die "Lotus" durchzieht, allerdings vor allem den Beats. Dubios bedient sich hier allerlei (Vocal-)Samples, lässt teilweise Dubstep-Einflüsse in die Materie eindringen und sorgt so durch einen Mix aus ruhigen Klängen und brachialen Soundeffekten für ein rundum gelungenes Klangbild. Das erweist sich zudem noch als äußerst abwechslungsreich, ohne von der durch Private Pauls textliches Zutun geforderten Düsternis abzuweichen. Exzellent umgesetztes, kurzweiliges "Vergnügen", wenn man's denn so nennen darf.
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David Floyd – Mut und Gnade
David Floyd ist allein aufgrund seiner präferierten Herangehensweise an die Entstehung eines Albums schon zu einem kleinen "Unikat" in der hiesigen Szene geworden. Denn allzu viele Deutschrap-Künstler gibt es nicht mehr, die alles komplett in Eigenregie machen, von der Instrumentalisierung bis hin zum Recorden. Mit "Mut und Gnade" beliefert euch der Kölner nun mit seinem Erstlings-Solowerk – der Beginn seiner Musikkarriere ist das Album allerdings bei weitem nicht, denn er kann bereits auf zahlreiche Live-Auftritte mit seiner HipHop-Funk-Band Jimmy Floyd zurückblicken. Inhaltlich ist die neue Platte vor allem eines geworden: sehr persönlich. Dennoch lässt der Protagonist zwischen vielen deepen Zeilen und ausgeklügelten Metaphern immer wieder einen Hauch von Zorn aufblitzen, sodass der Sound nie "zu schnulzig" rüberkommt. David Floyd thematisiert Hoffnungslosigkeit ("Kannibalenherz"), Zielstrebigkeit ("Ich muss"), Selbstakzeptanz ("Keiner lacht"), seine Außenseiter- beziehungsweise Einzelkämpferrolle ("Goldjunge") und vieles mehr. Die Hooks gestaltet er größtenteils sehr melodisch und lässt hin und wieder auch gerne Gesangselemente miteinfließen – das tut sowohl Musikalität als auch Abwechslung auf jeden Fall gut. Generell hat die LP ein äußerst eigenes Klangbild, das von vielen einprägsamen Melodien und harten Drums geformt wird. Auch der ein oder andere Ohrwurm lässt sich hier sicherlich entdecken. Einzige Ausnahme in der instrumentalen Eigenregie: Der titelgebende Opener "Mut" wurde von John May und der Track "Dionysius Exiguus" von den wohl populärsten Album-Gästen – den Snowgoons – produziert. Alles in allem lässt sich sagen, dass "Mut und Gnade" 13 durchdachte und sehr gut ausproduzierte Songs enthält und mit einem Download nicht viel falsch gemacht werden kann.
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Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor Kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass ich nicht auf jede Anfrage persönlich antworten kann. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!
Pascal Ambros (ProRipper)