01. Intro
02. Dieser Boden
03. Volksmusik
04. Meine Zeit feat. Scotch
05. Musik
06. HDF
07. Der Song
08. Ich hab gelernt
09. Scheinwelt feat. Chakuza
10. Gib mir meine Stadt zurück
11. Zwei Mann, ein Wort feat. Liquit Walker
12. Falscher Freund
13. Invictus
14. Traum
15. Vergiss nie
16. Ein Jugend
Mit den Videoveröffentlichungen zu den Tracks "Invictus" und "Gib mir meine Stadt zurück" setzte Dissziplin bereits im September und Oktober erste Statements. Nun erschien Anfang November mit "Volksmusik" ein neues Soloalbum des Dresdener Rappers. Vor dem Florian Silbereisen-Feature bleiben wir als Hörer verschont – dafür ein Dankgebet an alle Götter – doch der Name mag versprechen, dass Dissziplins viertes Album als großes Werk für die breite Masse angelegt ist. Ob das erreicht wurde, soll diese Review zeigen.
Das "Intro" kommt gut, nach nur zwei Sekunden wird einem klar, wie viel Dampf dahinter ist: klasse Beat, richtig episch, von Anfang an treibend. Eine aufgeheizte Menge schreit mir "Dissziplin! Dissziplin!" in die Ohren, die Bläser setzen ein, ergänzt um richtig, richtig dicken Bass. Passend zu einem energischen Flow und einem Text irgendwo zwischen Selbstdarstellung und dem offenen Ohr am Puls der Zeit. Der Inhalt im Schnelldurchlauf: das ist Plattensound, ich bin der Beste, mein Album liebt oder hasst man, die Stimmung im Land ist Pro-Sarrazin, Rapper sitzen in Callcentern oder im Hörsaal. Um viel geht es nicht, ist eben ein Representer-Intro. Ist ja auch okay. Schön, zugegeben, ein bisschen undifferenziert sind sie schon, diese Aussagen zur Stimmung im Land, aber das ist ja auch ein Rap-Album, nicht der Zeit-Feuilleton. Und die Cuts sind toll! Wie ich eingangs bereits sagte, das "Intro" kommt gut. Und bevor ich jetzt etwas weniger Positives sage, möchte ich präsent halten, dass im Grunde jeder Track des Albums gut kommt. Mit einer bedeutenden Einschränkung.
"Dissziplin – es schallt jetzt aus den Platten raus/
Das hier ist Plattensound, gesandt aus dem Plattenbau/
Das ist Cumshot direkt in die Fresse/
Trotz Hetze der Presse bleib' ich letztlich der Beste/"
(Dissziplin auf "Volksmusik")
Der zweite Track – "Dieser Boden" – ähnelt dem ersten sehr stark. In allem. Beat mit Power, energischer Flow und Betonung und ein Text voller Aussagen, bei denen es sich der Künstler ein wenig zu einfach gemacht hat – von einem Land, das die Bösen regieren und das keine Zukunft hat. Die auf "Volksmusik" behandelten Inhalte lassen sich schnell zusammenfassen: 1. Das ist Plattensound. 2. Das ist Volksmusik. 3. Ich mach' Deutschland platt. 4. Establishment (oder so was) ist irgendwie böse (oder so was). 5. Ihr könnt Dissziplin haten, ihm ist das egal. Das sind die Dinge, um die sich jeder Track des Albums dreht. Manchmal sind nicht alle vertreten, aber es sind auch nur ganz selten mehr als diese fünf. Klingt monoton? Ist es. Ist es wirklich. Es macht an dieser Stelle keinen Sinn, alle Tracks des Albums einzeln zu beschreiben, weil es keine signifikanten Unterschiede zwischen ihnen gibt. Im Grunde könnte man denselben Absatz wieder und wieder per Copy und Paste replizieren und nur jedes Mal am Anfang den Namen des Tracks ändern. Damit wäre alles gesagt. Die Beats sind nicht identisch, ähneln sich aber so sehr, dass das praktisch keinen Unterschied mehr macht. Im "Intro" sind es eben noch die Posaunen, auf "Der Song" das Piano. Der Wechsel der Instrumente bringt keinerlei Veränderungen in Stimmung oder Atmosphäre mit sich. Und das liegt vermutlich nicht nur an den Beats, sondern auch daran, dass jeder Beat gleich berappt wird.
Ich halte Dissziplin in seiner Art zu rappen nicht für untalentiert, im Gegenteil. Der Flow hat Druck und Power. Ich möchte nicht ins Zählen von Reimsilben verfallen und finde dahingehend auch keinen Grund zur Beschwerde – was ich hier höre, ist sauberer, gut geflowter Rap. Nicht mehr. Aber ganz sicher auch nicht weniger. Wer stramm durchkalkulierten Technikrap mit mehrsinnigen Wortspielen und Doubletimepassagen sucht, ist bei Dissziplin falsch. Ich finde das nicht schlimm. Schlimm finde ich, dass der Künstler 16 Tracks lang denselben kargen Inhalt auf dieselbe Art und Weise ohne Variationen rappt. Das kann man auf einem Representer-Intro schon machen, wenn der Track aber deeper sein soll, wirkt das daneben. Nur: Ob ein Track des Albums deep sein soll oder nicht, darüber erhalte ich bestensfalls Aufschluss, wenn ich im Beat ein Piano zu hören bekomme. Oder ein hochgepitchtes Sample. Und das ist eben nicht mal die halbe Miete.
"Mann, du brauchst nicht zu lachen, die Faust in den Nacken/
Ich bleibe der Typ für den Sound dieser Platten/
Ich laufe im Schatten, die Sonne scheint wenig/
Ich trete die Kiesel, das Laub von dem Gehweg/"
(Dissziplin auf "Dieser Song")
Die Features (Scotch, Chakuza und Liquit Walker) springen auf diesen Zug mit auf und bereichern das Release nicht im Geringsten, denn alle drei Künstler reihen sich nahtlos in die Monotonie des Albums ein. Es ist, als würde ich nur deshalb merken, dass gerade jemand anderes rappt, weil mir die Stimme plötzlich nicht mehr bekannt vorkommt. Das ist schade, weil ich gerade im Gedenken an ältere Chakuza-Releases – "Black Out" oder "City Cobra" – gedacht hätte, dass er und Dissziplin sich gut ergänzen könnten. Was bleibt, ist viel ungenutztes Potential.
Ich habe insgesamt ein positiveres Bild von den ersten paar Tracks der Scheibe, was aber auf keinen Fall daran liegt, dass sie in irgendeiner Weise besser sind als der Rest des Albums, sondern einzig und allein daran, dass mir vermutlich erst nach der ersten Viertelstunde bewusst geworden ist, wie sehr mir die Monotonie auf den Wecker geht. Viele werden jetzt denken, dass das wohl kaum so schlimm sein kann, in Sachen thematischer Vielfalt sind ja viele Rapper doch sehr eingeschränkt – aber ich kann beim besten Willen nicht in Worte fassen, wie unglaublich störend es in diesem speziellen Fall ist, wenn man sich das 51 Minuten lang am Stück gibt.
Fazit:
"Volksmusik" funktioniert auf Trackebene, aber nicht als Album, weil "Volksmusik" im Grunde ein einziger Track auf Albumlänge ist. Und Gnade dem, dem dieser Track nicht gefällt. Ich will nicht sagen, dass das Release ungenießbar ist, es ist nur unsagbar eintönig. Mein persönlicher, gut gemeinter Tipp: Irgendwo in die große, große Sammlung eingliedern, den Mediaplayer des Vertrauens auf Random schalten und alle paar Monate mal einen Track in die Playlist rutschen lassen. Dann geht's. Sonst nicht.
(Zufall)
[REDBEW]965 [/REDBEW]
Bewerte diese CD:
[reframe]reviewthread.php?reviewid=965 [/reframe]
[azlink]Dissziplin+%96+Volksmusik [/azlink]