Review: Laas Unltd. – Im Herzen Kind



  • 01. Morgengrauen
    02. Bittersüßes Rauschgift
    03. Hier und Jetzt
    04. 3 Häuser
    05. Aus den Augen verloren
    06. Tränen aus Gold
    07. Im Herzen Kind (Rufio)
    08. Headliner feat. Leon Taylor
    09. So fresh feat. Rasco
    10. Die Nacht ist jung
    11. Großer Junge feat. YU
    12. Spit Skit
    13. Die letzten Mcees feat. Kool Savas
    14. Butcher feat. YU
    15. Abendröte


    Der für seine polarisierende Wirkung bekannte MC Laas Unltd. präsentiert seit der Veröffentlichung von "2.0 Action Rap" in 2009 im Jahresrythmus neue Releases und jede Platte scheint unter einem anderen Stern geboren zu werden. Befasste sich "Backpack Inferno" noch thematisch mit der eigenen Identifikation im Kontext einer größeren Szene, war "Blackbook" schon mehr als Bündelung der Gedanken über die Selbstwirksamkeit des Künstlers zu verstehen. Nun erscheint "Im Herzen Kind". Die Veröffentlichung der ersten Video-Single "Hier und jetzt" ließ bereits auf ein authentisches, an der Liebe zu deutschem Rap verhaftetes Album hoffen. Und ein Paradoxon im Raum-Zeit-Gefüge, durch das der Hamburger offenbar Startschuss und frühes Zentrum der Promotion für Kollegahs und Farid Bangs neues Kollabo-Album im Frühjahr wurde, heizte mögliche Diskussionen noch an.


    Ganz langsam holt mich "Morgengrauen" ab, um mich durch das Album zu geleiten. Völlig naturalistisch kommt der von Pokerbeats produzierte Beat daher, mit Trommeln wie in einer dieser Savannen-Dokus. Das ist ruhig, äußerst angenehm. Nahezu perfekt, um ein Album einzuleiten, das nicht gezwungen von Asphalt und grauen Wolken erzählen will. Laas Unltd. setzt ein und ich erfahre auf sehr poetische Art, was ich bereits weiß: "Jetzt geht es los".


    "Das hier ist der erste frische Atemzug, das Licht, bevor die Sonne strahlt/
    Der kühle Wind am Morgen eines Sommertags/
    Das hier sind die ersten Vögel, die am Himmel fliegen/
    Der Moment, wenn stille Nächte wieder eine Stimme kriegen/
    "
    (Laas Unltd. auf "Morgengrauen")


    Der zweite Track beginnt %uFFFD "Bittersüßes Rauschgift" %uFFFD und ich bin einmal mehr perplex von der Harmonie, die mich als Hörer überspült. Wer hat den Beat gemacht? Ach, Monroe. Gemächliche Drums, ein paar wohlgezupfte Saiten sowie ein gut gewähltes Sample greifen ineinander über und dann Laas, der mir mit gesunden Reimketten ein Pamphlet pro der positiven Geisteshaltung einflüstert. Und dabei einfach Laas ist.


    Ich sollte hier vielleicht eine kleine Grätsche machen. Dieses Realness-Ding spielt eine große Rolle bei der Betrachtung des Künstlers Laas Unltd. Vermutlich habe ich von ihm nur den Passus "Savas, der King of Rap" öfter gehört als das Wort "real". Unter gewöhnlichen Umständen hätte ich mir gedacht, das sei Marketing. Jeder hat sein Image. Seins ist eben, dass er offenbar der Typ ohne Image ist. Real sein, so halte ich es jedenfalls, muss nicht heißen, widerspruchsfrei zu sein. Und mir muss nicht alles gefallen, was ein Lars Hammerstein aussagt oder denkt, oder wofür er steht. Andere Künstler müssen immer prolliger werden, andere wiederum immer chilliger. Was ich an "Im Herzen Kind" nach mehrfachem Hören so sehr schätze, sind seine Vielfältigkeit und seine Attitüde. Auf manchen Tracks nimmt sich das Album selbst nicht ernst, auf anderen überzeugt es mit Tiefe, aber im Grunde ist es niemals so beschaffen, dass ich es nicht mehr ernst nehmen kann. Das unterscheidet "Im Herzen Kind" so sehr von "Blackbook".


    "Ich will abends im Bett liegen, einatmen und wegfliegen/
    Textmessages ignorieren, nie mehr SMS kriegen/
    Statt Fernsehen zu den Sternen sehen, jedem Moment seinen Wert geben/
    und Erdbeben entfachen mit jedem Schritt, den ich mehr geh'/
    "
    (Laas Unltd. auf "3 Häuser")


    Auf "3 Häuser" zum Beispiel, diesem dopen Track auf diesem völlig durchgeknallten Monroe-Beat, berichtet Laas von Erwartungen an die Zukunft und an sich selbst. In diesem Text reihen sich Ironien und Wahrheiten aneinander und so manches Mal bleibt zu fragen, womit man es jetzt genau zu tun hat. Gleich darauf erzählt Laas mit "Aus den Augen verloren" eine Geschichte, die unterhaltsam, aber nicht etwa komisch ist. Deep, aber nicht unbedingt rührend. Der Track hat inhaltlich keine direkte Pointe und braucht sie auch nicht %uFFFD er lebt vermutlich davon, dass er sie schuldig bleibt.


    Seinen Höhepunkt findet das Release in jenem Track, dem es seinen Namen verdankt. Der Produzent (wieder Monroe) samplet das Titellied zur Anime-Serie Saber Rider. "Im Herzen Kind (Rufio)" ist eine Hymne der ganz großen Nostalgie und wirft Kids der späten Achtziger und frühen Neunziger zurück in die Kindheit. Positiv hervorheben möchte ich auch den "Spit Skit", bei dem Fat Lace auf einem In-die-Fresse-Beat von X-Plosive zwei Minuten lang astreinen In-die-Fresse-Rap serviert. Auch "Die letzten Mcees" mit Kool Savas konnte mich überzeugen. Der Beat hat gefeiltes 90er-Flair, bisschen jazzig, mit ordentlich Trompeten, die zum Eskalieren animieren. Was beide Interpreten auch gepflegt tun.


    "Tausend Freunde um mich, doch trotzdem allein/
    Ich war Optimus Prime und alle vier Dudes aus Ghostbusters 2/
    Bruce Lee, Jackie Chan, Peter Pan, Rufio/
    Ich lebte, wo die Goonies wohnen (Ru-Fi-O!)/
    Ich lief durchs Wunderland von Alice, mit NES/
    Game Boy, Sonic, Sega Genesis/
    Kenn' ich's nicht, dann nenn' ich's nicht/
    "
    (Laas Unltd. auf "Im Herzen Kind (Rufio)")


    Ich verliere viele Worte über die Beats und muss die Gelegenheit nutzen, um alle Produzenten noch einmal zu loben. Namentlich beteiligt an der musikalischen Untermalung des Albums sind zusätzlich zu den bereits genannten: Salomon ("Hier und Jetzt"), DJ Smoove ("Aus den Augen verloren", "Tränen aus Gold"), Fabster ("So fresh") und Brenk Sinatra ("Die Nacht ist jung"). Die Instrumentals sind gut gewählt, für meinen Geschmack zuweilen etwas zu poppig ("Die Nacht ist jung"), aber eigentlich immer stimmig und eingängig.


    Die Featuregäste neben Savas, namentlich Leon Taylor, Rasco und YU, bereichern die Tracks mal mehr, mal weniger. Ersterer überzeugt mit schöner Singstimme, zieht mir aber "Tränen aus Gold" auf eine zu schnulzige Ebene. In seiner autobiografischen Thematik nahe der Grenze zur depressiven Verstimmung gehört der Track auch zu denen, die nach den ersten Malen Hören zu so etwas wie Skippern werden. Rasco randaliert so gekonnt auf "So fresh", schlittert so kompetent über den Beat, der wohl an eine dieser Eras angelehnt ist, die ich dauernd durcheinanderbringe, dass ich den Eindruck gewinne, es sei eigentlich sein Track und Laas Unltd. der Featuregast. YUs Gesangseinlagen auf "Großer Junge" und "Butcher" schlagen schließlich ein wie Granaten und verbreiten wahre Gänsehaut. Schwer, das zu erläutern. Sollte man gehört haben.


    Von "Morgengrauen" bis "Abendröte" beschreibt "Im Herzen Kind" einen Bogen mit Ups und Downs, darunter sowohl gute Downs als auch schlechte Ups. Ich lobe hier viel und finde auch, dass das wichtig ist, denn: Respekt, wem Respekt gebührt. Dennoch ist "Im Herzen Kind" kein makelloses Album. Als Hörer muss ich mich auf Popsounds einlassen, um das Release richtig feiern zu können. Eine ganze Reihe von Tracks, zum Beispiel "So fresh", "3 Häuser" und "Bittersüßes Rauschgift", hinterlassen bei mir den starken Willen, dem Künstler die Effekt-Plug-Ins wegzunehmen, mit denen er für meinen Geschmack viel zu häufig seine Hooks verzerrt. Und da sind auch Tracks, die weniger Wirkung haben als andere %uFFFD teils bis zur Bedeutungslosigkeit. "Headliner" etwa konnte mich nicht bewegen. Es ist schwer, das in Worte zu fassen, weil Beat, Rap und Text gut sind. Ich habe den Song einfach nicht gefühlt, genau wie ich auch "Großer Junge" nicht fühlen konnte (mit Ausnahme von YU).


    "Grad' mal 14 Jahre und die ganze Nacht bis vier Uhr raus/
    Alles, was er machen durfte, durfte ich auch/
    Alben auf Vinyl und Plattenspielersound, meinen ersten/
    Joint überhaupt hab ich damals mit ihm geraucht/
    "
    (Laas Unltd. auf "Aus den Augen verloren")


    Fazit:
    Laas Unltd. mag ein Rapper sein, den man lieben oder hassen kann und man mag von ihm halten, was man will. "Im Herzen Kind" ist ein gutes Rap-Album mit gewissen Einschränkungen und charmanten Fehlern. Authentische Musik auf großartig produzierten Instrumentals, auf die sich ein zweiter, dritter oder vierter Blick immer lohnt.


    (Zufall)

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    Bewerte diese CD:
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  • Mir fällt ja wirklich kaum jemand ein, den ich vom ganzen her, von allem her, langweiliger finde als Laas Unltd. Finde die Review aber sehr gelungen! (nur, dass ich weniger Mics geben würde, aber rappen kann der Dude halt ja schon).

  • Mochte Laas vorher nie wirklich, aber das Album ist super. Hab's mir sogar gekauft und hätte selbst wohl die gleiche Wertung oder ein halbes Mic mehr gegeben.

  • Also bei 4 Mic's hätten manch andere dann ja die volle Anzahl bekommen...

  • Zitat


    Eine ganze Reihe von Tracks, zum Beispiel "So fresh", "3 Häuser" und "Bittersüßes Rauschgift", hinterlassen bei mir den starken Willen, dem Künstler die Effekt-Plug-Ins wegzunehmen, mit denen er für meinen Geschmack viel zu häufig seine Hooks verzerrt.


    oh jaaaa ... mann ich hasse sowas. es gibt so viele lieder die ich sonst so geil finde und dann kommt die hook mit so behinderten effekten und ich krieg ohrkrebs.

  • Zitat

    Original von weAr0neR
    Album nicht gehört, die Review ist toll.


    Ist "zufall = Rheiner Zufall" ?


    Rheiner Zufall und ich sind nicht dieselbe Person. :)

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