01. Intro – Vega feat. Bosca
02. Willkommen im Niemandsland – Bizzy Montana feat. Vega & Timeless
03. Feinde von jedem – Bosca
04. Rap-Böhse Onkelz – Vega
05. Foto an der Wand – Bosca feat. Timeless
06. War es das wert – Bizzy Montana
07. 3 Uhr nachts – Johnny Pepp
08. Schloss aus Sand – Bizzy Montana feat. Migo & Bosca
09. Meine Musik – Timeless
10. Halt dein Maul Chab – Vega feat. Bosca & Timeless
11. Sag mir nicht – Bosca feat. Timeless
12. La Vida Loca – Timeless
13. Wenn der Beat schlägt – Bosca feat. Timeless
14. Besser renn – Vega feat. Timeless
15. Kein Licht – Bizzy Montana feat. Bosca
16. Sterne zählen – Bosca
Was im letzten Jahr mit höhnischen Bemerkungen wie "Hey, das ist ja grammatikalisch falsch" anfing, ist in den vergangenen Monaten zu einer regelrechten Bewegung innerhalb Rapdeutschlands geworden: Vega, Bosca, Bizzy Montana, Timeless, Johnny Pepp, Migo, Cristalbeats und Manager Schrägstrich eigene Kunstfigur Hadi El-Dor, der wohl maßgeblich am Erfolg seiner Artists beteiligt ist, bilden die Freunde von Niemand. Spüren konnte man deren Antipathie gegenüber der restlichen Szene bereits auf dem diesjährigen Splash!-Festival, als die Jungs mal eben ihr komplett vom Rest abgegrenztes Lager aufschlugen und einen provokant-großen "Freunde von Niemand"-Banner davor platzierten. Natürlich so geschickt, dass man ihn zwangsläufig beim Gang zum Festival-Gelände wahrnehmen musste. Nun, knapp ein dreiviertel Jahr nach der Gründung des Labels und wenige Monate nach Vegas Top 5-Charterfolg, heißt man uns in Form eines ersten gemeinsamen Samplers also "Willkommen im Niemandsland". Aufgrund der Vorgeschichte ist es da aber wohl wenig verwunderlich, dass in besagtem "Niemandsland" längst nicht jeder wirklich "Willkommen" ist und insbesondere der durchschnittliche Hipster oder unliebsame Kritiker schnell mal aufgehängt am Baum enden könnte ...
"Und ihr fragt, warum ich König im Land bin/
Ich hab' fünf Jahre meine Fans wie Söhne behandelt/
Riots und Breslauer/
Ein ganzes Land weiß genau, wer der Chef ist: klein, fett und echt sauer/
Zu viele Acts? – Dieses Jahr geh'n wir zu siebt auf Tour/
Und Vincent meint, dieser Martin ist 'ne Missgeburt/"
(Vega auf "Willkommen im Niemandsland")
Nach dem eher melancholischen, ein wenig vor sich hinplätschernden "Intro" von Vega und Bosca teilt Ersterer auf dem titelgebenden Track direkt ordentlich aus, was sich im Verlauf der Platte auch nicht ändert. Denn Oberhaupt V hat mit fünf Parts im Vergleich zu Bosca oder Timeless zwar relativ wenige Einsätze auf dem Labelsampler, diese gehen hingegen alle ziemlich nach vorne und wirken hasserfüllter als sonst. Wer erinnert sich noch an "Freitag, der 13." von "Vincent"? Ungefähr dieses Klangbild darf man in jedem Vega-Part erwarten – Wut und Pathos. Was im "Niemandsland" so für Gesprächsstoff sorgt, dürfte bereits vor dem Überschreiten der Grenze klar gewesen sein: Loyalität zum eigenen Kreis, Hass auf die Staatsgewalt und den Rest der Szene und gelegentliche Selbstreflexion. Ein anderes Konzept hätte bei der Konstellation dieser Künstler wohl auch nur schwerlich funktioniert, aber der gemeinsame Nenner ist damit vorhanden. Am abwechslungsreichsten präsentiert sich der Kölner Timeless – er hat nicht nur die vielfältigsten Themen, sondern haut ganz nebenbei auch einige der besten Parts auf "Willkommen im Niemandsland" raus, bei denen einem manchmal nur noch die Kinnlade herunterklappen kann. Immerhin scheint er ja auch ein 1A-Allroundtalent zu sein, das sowohl seiner Exfreundin auf lyrisch hohem Niveau nachtrauern ("Foto an der Wand"), als auch mal eben im Vorfeld Jugendschützer mit seiner Musik ("Meine Musik") aufschreien lassen kann. Nämlich dann, wenn er davon rappt, dass ebendiese Kinder, Schwule, Priester und Frauen tötet. Klar zielen letztere Aussagen auf pure Provokation ab, textlich hätte man das dennoch etwas anspruchsvoller rüberbringen können. Aber kein Problem, wenige Anspielstationen später macht Timey alles wieder gut und liefert mit "La Vida Loca" eine der prägnantesten und lyrisch großartigsten Hymnen des ganzen Samplers ab.
"Ich sah nie aus wie ein Hipster, hatt' nie den Look von einem Nerd/
Ich bin ein saufender Wichser, der in die Woodstock-Zeit gehört/
Ich will Pradateile tragen, werd' auf Galas eingeladen/
Wo bleibt der Stargast? – Er legt sich grad im Bad paar weiße Bahnen/"
(Timeless auf "La Vida Loca")
Etwas nachdenklicher zeigt sich im Gegensatz zu den randalierenden Vega und Timeless dann Bizzy Montana, der den Hörer mit seinem Beitrag "War es das wert" zur Selbstreflexion animiert und es in Kombination mit dem heulenden Beat schafft, insbesondere in der Hook waschechte Gänsehautatmosphäre zu erschaffen. Da ist es fast schon etwas schade, dass der Müllheimer für "Willkommen im Niemandsland" außer seinem Solo-Track nur drei weitere und textlich ebenfalls sehr gute Strophen beisteuert. Im Gegensatz dazu scheint Bosca während der Arbeitsphase produktiv wie nie gewesen zu sein, zeitgleich aber auch auf dem Level zu stagnieren, das er bereits auf "Fighting Society" erreicht hatte. Eine wirkliche Veränderung will man einfach nicht raushören – aber wozu auch? Seine Aussagen dürften nach wie vor viele Hörer ansprechen, befinden sich textlich auf einem konstant hohen Niveau und sind druckvoll eingerappt, sodass da überhaupt kein Grund zum Meckern besteht. Während Vega, mit dem man ihn doch gerne mal hin und wieder vergleicht, auf "Willkommen im Niemandsland" größtenteils bitterböse Bangerbars ins Mic schreit, schlägt der "König der Lüfte" aber auch mal sanftere Töne an. Etwa auf dem klassischen "Kopf hoch"-Song "Kein Licht" mit Bizzy oder auf dem Track "Sterne zählen", auf dem er seinen Kritikern abschließend noch erklärt, weshalb sich seine Musik denn oftmals so ähnlich anhört.
"Und sie sagen, meine Mukke klinge häufig so gleich/
Und es ist wahr, ich dreh' mich häufig im Kreis, doch schreib' bis heute kein' Scheiß/
Erzähl' euch nur, was ich in Nächten so seh'/
Denn die meisten haben nur wenig ihrer Texte erlebt/
Versuch', die Bilder zu ordnen von all den riesigen Orten/
Über die letzten Jahre sind es doch zu viele geworden/"
(Bosca auf "Sterne zählen")
Neben der Standardbesetzung steuern dann noch die Kumpanen Migo und Johnny Pepp ein paar Zeilen bei. Leider wollen sich diese Gastauftritte nicht zu 100% ins Gesamtbild einreihen – so wirkt Migos Gesangshook auf "Schloss aus Sand" fast schon ein wenig deplatziert auf dem sonst so raplastigen Sampler – auch, wenn sein eigentlicher Part das wieder wettmacht. Johnny Pepp hingegen schafft in "3 Uhr nachts" nicht zuletzt dank dem brachialen Orchesterbeat eine Niemandsland-reife Atmosphäre, hätte sich die Doubletimeeinlagen meiner Meinung nach aber sparen können. Der Soundtrack zum "Niemandsland" gestaltet sich währenddessen wie auch die Themenwahl der Rapper ziemlich homogen. Meist passt die Zeile "Ist selbstverständlich, dass der Beat heult, wenn ich ans Mic geh'" (Vega auf "Rap-Böhse Onkelz") wie die Faust aufs Auge, sodass man den Klangteppich wie bereits bei "Vincent" nur als "episch" bezeichnen kann. Orchestrale Musik, Hintergrundchöre, fette Drums – manch einen mag eine solche Homogenität auf Dauer langweilen, während ich mich durchgehend so fühle, als liefe vor meinem inneren Auge irgendein "Herr der Ringe"-ähnlicher Blockbuster mit dem Szenario "Frankfurter Nachtleben" ab. Cristalbeats und Johnny Pepp scheinen einfach exakt zu wissen, was sie für ihre Kollegen anzufertigen haben, um die richtige Atmosphäre zu kreieren. Die beiden Freunde von Niemand zeichnen so auch für den Löwenanteil der Produktionen verantwortlich, allerdings steuerten auch Cubeatz, JumpaBeatz, Pokerbeats und Freshmaker & Shadyblack einige Beats bei.
Fazit:
Sicher: Die Künstlerverteilung ist wohl gerade aufgrund der zeitnahen Solo-Releases von Vega und Bizzy Montana etwas unglücklich ausgefallen und manch einer mag sich über "zu viel Bosca und Timeless" beschweren. Am Ende fügen sich allerdings alle vertretenen Künstler wunderbar ins Schema ein. Kritiken an Soloalben und Samplern unterscheiden sich häufig insofern, dass man einem einzigen Künstler gerne mal "Variationslosigkeit" vorwirft, während eine Compilation dann wieder "zu abwechslungsreich" und "konzeptlos" erscheint. Mit "Willkommen im Niemandsland" haben es die Freunde von Niemand allerdings geschafft, einen Sampler abzuliefern, der trotz verschiedenster Rapper ein angenehm-homogenes Gesamtbild zeichnet – und das natürlich nicht zuletzt dank der oscarreifen Blockbuster-Instrumentalisierung. Wer also mal wieder etwas Abstand zu dem sucht, was aktuell so in der Deutschrapszene einen "Hype" genießt, der sollte auf jeden Fall mal einen Ausflug ins "Niemandsland" wagen.
Pascal Ambros (ProRipper)
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