01. Intro
02. Hinterhofjargon
03. A2zlack feat. Capo Azzlack
04. Über Wasser halten
05. Traffic Cartel feat. Haftbefehl
06. Hektiks
07. Durchsuchungsbefehl feat. SSIO
08. Besuchstag feat. Xatar & Veysel
09. Parallelen feat. Haftbefehl
10. Was hat sich verändert?
11. Frauen feat. Capo Azzlack & Schwesta Ewa
12. Last Action Hero
13. Streetfighter II
14. Skit
15. In meinem Land
16. Outro
Du sitzt in Frankfurt und wartest auf deine U-Bahn. Es ist 2:00 Uhr in der Nacht – du willst nur noch nach Hause. Da du in Frankfurt bist, weißt du, dass dir gleich Azzlackz begegnen werden. Kaum hast du daran gedacht, laufen welche an dir vorbei: Boxerschnitt, Rumgepöbel, Alpha-Jogginghose, Kanackis als Amtssprache, Lederjacke und Handymusik. Du achtest auf die Musik und hörst genau hin. Da bemerkst du, dass sie es sind, die aus den schlechten Lautsprechern des Handys tönen. Die Azzlackz-Mitglieder Celo & Abdi sind zurück mit einem neuen Album. Berüchtigte Kerle aus Frankfurt, die besten Freunde von Haftbefehl, die Homies von Schwesta Ewa. Und dann stellst du dir die Frage: Ist "Hinterhofjargon" wirklich so gut, dass man den beiden seinen Respekt zollen muss?
Wenn sich Rapper, die sich normalerweise in der Szene des Gangsterraps befinden, auf einmal der sozialen Frage zuwenden, ist das mehr als löblich. Celo & Abdi schneiden in ihrem Track "Parallelen" zusammen mit Haftbefehl vielleicht nur die sozialen Problematiken an, aber kurz auf diese Thematik einzugehen, ist wahrscheinlich besser, als sie komplett auszuführen. Die beiden wollen ihre eigene Meinung über die Misslagen darstellen – allerdings, ohne ihre Ansichten zu vernachlässigen, denn Ghetto ist ein Muss. Haftbefehl steigt typisch für seinen Style ein – mehr verlangt ein Fan hier auch nicht. Lyrisch bleibt gerade der Abdi-Part im Kopf, bei dem das wahre Sozialkritische überwiegt. Bei Celo hingegen scheint es so, als würde er sich einen Spaß aus der eigentlichen Thematik erlauben.
"Parallel dazu: Touchdown beim Superbowl/
Parallel dazu: Schulden und Hungerlohn/
Parallel dazu sagt einer 'Hurensohn'/
[...]
Integration contra deutsche Leitkultur/
Parallel dazu boxt Felix Sturm – whay/"
(Celo auf "Parallelen")
Das beste Beispiel dafür, dass "Hinterhofjargon" nicht pädagogisch wertvoll ist, ist "Frauen". Der Track erschien über AggroTV als "Halt die Fresse"-Video und stand bereits da schon im Verruf. Die beiden Rapper stellen sich zusammen mit Capo Azzlack und Schwesta Ewa als diejenigen dar, welche nichts als die Wahrheit über die "Kahbas" und "Putas" der Welt kennen. Diese, zu gut Deutsch "Schlampen", wirken bei ihren Familien immer brav und scheinheilig, werden aber eigentlich von den drei männlichen Rappern nur für Abenteuer genutzt, um sich dann zu profilieren. Beachtlich ist allerdings, dass auch mir dieser prinzipiell total verachtende Track ins Ohr geht. Wahrscheinlich ist der Grund dafür der geniale Beat, der von M3 produziert wurde, mit einer Mischung aus Oldschool-Elementen und arabischen Einflüssen.
Allgemein kann man sagen, dass die Beats von M3 sehr innovativ sind, da sie sich zunächst wie klassische HipHop-Beats anhören, aber größtenteils mit anderen Musikrichtungen vereint werden. Das "Was hat sich verändert"-Instrumental ist beispielsweise sehr HipHop-lastig, beinhaltet aber auch einen Elektro- und Grime-Einfluss, der harmonisch zum ursprünglichen HipHop steht. Auf solch einen Beat könnten ebensogut andere internationale Größen der Szene rappen. Es würde immer noch die Einzigartigkeit herausstechen, die man im Detail in allen Beats findet.
Kriminalität steht nicht nur in Frankfurt an der Tagesordnung. "Durchsuchungsbefehl" und "Besuchstag" stellen die Problematiken einer oder mehrerer Sünden zusammen mit ihren Folgen dar. Auf einmal steht die Polizei vor der Tür und man muss das gewohnte Leben mit allen Freiheiten gegen eine kleine Zelle und Trennscheiben eintauschen. Dass die Familie einen besucht, ist meist selbstverständlich, doch der eigenen Mutter im Erwachsenenvollzug zu begegnen, lässt wahrscheinlich jeden Straftäter über seine Situation nachdenken. Faszinierend, dass Celo & Abdi sich gerade für "Besuchstag" keine geringeren Features ausgewählt haben, als die Inhaftierten Veysel und Xatar. Während Veysels Part stimmlich als auch lyrisch nichts Herausstechendes vorzuweisen hat und sich auch bei Xatar die Texte auf den ersten Blick nicht wirklich zu reimen scheinen, flowt Letzterer hier – im Gegensatz zu Veysel – so unglaublich gut und passend zum melancholischen Beat, dass es wirklich Eindruck hinterlässt.
"Warte auf meine Schwester, meine Mutter/
Gesichter voller Kummer/
Mutter sagt immer, es ist kein Zufall, dass ich sitze/
Sie sagt, Gott beschützt mich vor Rache durch Schüsse/
[...]
Mama erzählt, wie meine Freunde enttäuschen/
Nicht mal helfen beim Umzug, Miete war zu hoch/
Hör auf, mein Blut kocht, bevor ich ausrast'/
Kaum Knast, vergessen Leute, wer du draußen warst/"
(Xatar auf "Besuchstag")
Um noch näher auf das allgemeine Leben eines Einwohners in Frankfurt einzugehen, lässt sich sagen, dass Drogenhandel, Prostitution, Migration und Azzlackz das Leben bestimmen. Mir persönlich fehlt die Varietät in den Tracks des Albums sehr, denn eigentlich geht es immer um das schwere Leben, welches einen so verändert hat. Natürlich muss man auch bedenken, dass die Musik der beiden einfach gut zum Entspannen inmitten des Alltags ist. Diese total überspitzten Texte kommen vor allem bei vielen Frankfurter Jugendlichen gut an, da es größtenteils etwas anderes darstellt als ihren gewohnten und alltäglichen Lebensstil.
Fazit:
Um wirklich das ganze Album mit all seinen Zwischenrufen zu verstehen, muss man entweder Frankfurter sein, dort leben oder sich zumindest mit der Stadt am Main auskennen. Ansonsten wird es schwer, den beiden Rappern durch die 16 Tracks zu folgen. Denn was in welchem Stadtteil abgeht, versteht man womöglich nur als Kenner. "Hinterhofjargon" trifft nicht den Geschmack von jedermann. Es orientiert sich eher an Hörern, die aufgrund ihrer Vergangenheit und derzeitigen Situation nicht den besten Lebensstandard genießen können. Allgemein lässt sich sagen, dass das Album aufgrund der Authentizität vermutlich Leuten gefallen wird, deren Musikgeschmack Richtung Gangsterrap geht. Allerdings kann nur jeder für sich interpretieren, wie real die aufgezeigten Geschichten der beiden wirklich sind. Jahrelange Fans, aber auch diejenigen, die erst seit dem "Mietwagentape" Fans sind, werden dieses Album bestimmt auch trotz meiner Einschätzung feiern. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch einmal der Hamburger Produzent M3, dessen Vielfalt an fesselnden Beats für jeden HipHop- und Rap-Fan ein "Hör-Muss" ist und ein Highlight neben den teilweise sehr ähnlichen Texten darstellt. Für mich sticht das Album auf jeden Fall in der aktuellen Deutschrapszene, repräsentativ für die Mainmetropole mit dem neuem HipHop- und Rap-Style der Stadt, heraus. Dabei sei jedem selbst überlassen, ob positiv oder negativ.
911emergency (Kristina Scheuner)
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