Review: eou – KID LIFE CRISIS



  • 01. immernochso
    02. IMOK
    03. Und alle so yeah
    04. Aber nicht
    05. Schmetterhund
    06. Problemkinder
    feat. Ahzumjot
    07. Kopf on the Rocks
    08. Kein Lieblingslied
    09. Bin ich Fan von
    10. Kryptonit
    feat. Rockstah
    11. Weltverschlimmbesserer
    12. Alles cool


    Den roten Faden tragen die zwei Jungs von eou quasi auf wehenden Fahnen sowohl im Titel, Artwork und in der inhaltlichen Thematik ihres neuesten Werkes vor sich her. Snew und Crusoe – zwei sympathische, rappende Mittzwanziger, irgendwo zwischen Untergrund und Splash!-Line Up, rappers.in-Urgesteine. Ihr Album "KID LIFE CRISIS" wurde in der Szene gespannt erwartet; und von mir persönlich mit der gleichen Begeisterung in Empfang genommen wie das neue Paar Air Max. Denn irgendwie sind wir alle in der gleichen Situation: Wir bewegen uns in einer sogenannten Jugendkultur. Fühlen uns nicht anders als die Kinder und Teenager, die wir vor wenigen Jahren noch waren. Haben unsere Begeisterung für Comics, Videospiele, Musik, Mode, Partys eher vertieft als zu Playmobil, Lego-Steinen und Barbies in Kisten gepackt und in den Keller gestellt. Aber unsere Umwelt nimmt uns zunehmend als Erwachsene wahr, obwohl wir uns selbst nicht als solche fühlen. 40 ist das neue 30, zwischen 30 und 25 besteht kein großer Unterschied – und irgendwie wird mit dem vollen Vierteljahrhundert doch plötzlich alles anders. Um uns herum. Wir bleiben im Herzen die gleichen Playstation-Nerds, die wütend mit dem Fuß aufstampfen, wenn das limitierte Paar Nikes doch wieder mehr kostet, als unser Dispo aushält. Ein Dispo, den uns Banken mittlerweile genehmigen. Denn auch wenn wir unser drittes angefangenes Studium noch nicht mal annähernd beendet haben, haben wir Jobs. Praktika. Machen etwas mit Medien. Haben mehr oder minder erfolgreiche eigene Unternehmen. Langjährige ernste Beziehungen. Große und kleine Lieben, die inzwischen natürlich über Schulhofknutschereien hinausgehen. Und machen auf diese Weise erste Schritte ins Erwachsenenleben – was wir vielleicht nicht als ebendiese wahrnehmen wollen. Und dann muss man auch noch Verantwortung für sich übernehmen. Erwachsensein, puh ... Braucht man das? Will ich das? Bin ich das?


    Eine Frage, die schlussendlich von jedem selbst – vielleicht gar nicht so genau – beantwortet werden muss. Der Titel, "KID LIFE CRISIS", beschreibt jedoch schon ziemlich treffend die Thematik, vielleicht sogar Problematik, mit der sich unsere Generation auseinander setzt. Die einen bewusst, die anderen unbewusst. Relativ unabhängig von sozialen Schichten und Voraussetzungen bewegt sich unsere Gesellschaft dorthin, wo Jugend und Jugendlichkeit zum guten Ton gehört. Dies hat zur Folge, dass die Entwicklung der eigenen Identität, ja die Suche danach, komplett anders verläuft als noch in der Generation unserer Eltern oder auch großen Geschwister. Identitätsdiffusion. Verloren sein vor lauter Möglichkeiten. Wir haben die Qual der Wahl, sind viel freier im Ausüben von Interessen, Hobbys, Berufen. Und anscheinend lässt er auf sich warten, der Ernst des Lebens. Aber wer ist überhaupt dieser Ernst? Und viel wichtiger: Kann der auch Super Mario auf einem Nintendo 64 spielen?

    "Und wenn sie mich fragen, was genau mein Ziel sei/
    Sag' ich: 'Eines Tages 150 Lines auf Maus zu freestyl'n'/
    "
    (Snew auf "Und alle so yeah")

    "KID LIFE CRISIS" ist thematisch gut durchdacht. Die Gastauftritte von Ahzumjot und Rockstah wurden von beiden nicht nur aufs Anständigste gemeistert, sondern fügen sich auch perfekt ins Konzept ein. Musikalisch haben eou sicherlich keine bahnbrechend neuen Wege beschritten – muss man ja aber auch nicht. So besteht der Auftrag des Albums ganz offensichtlich nicht darin, noch nie dagewesene Sounds zu kreieren oder an Flowwettbewerben teilzunehmen, sondern legt seinen Schwerpunkt auf den Inhalt. Fans von Spoken Word sind hier richtig. Umso deutlicher zeigt sich aber, dass diese Platte nichts zum "mal Drüberhören" oder für zwischendurch ist. Man könnte als Hörer schnell dazu übergehen, den beiden Schöpfern fehlende Technik und musikalische Einfallslosigkeit anzukreiden – womit man "KID LIFE CRISIS", meiner Meinung nach, Unrecht tun würde. Also tut man gut daran, auf die verschachtelten Beschreibungen, Querverweise und die liebevollen textlichen Details zu achten. So könnte man den Einstiegstrack "immernochso" als Einführung oder Einleitung in die Thematik des ganzen Albums verstehen. Der quasi unbenannte Titeltrack.


    "In meinem Portemonnaie steht '25'/
    In meinem Kopf steht irgendetwas andres/
    Und, verdammt, es ist wirklich nicht grade leicht/
    Wenn alle von dir erwarten, plötzlich erwachsen zu sein/
    "
    (Snew auf "immernochso")


    Inhaltlich ähnlich angesiedelt sind auch die folgenden Tracks in der Playlist. Der lustig-ironische "Battle"-Track "Aber nicht" mischt sich da eher unauffällig darunter. Kein Wunder, denn eou glänzen hier nicht mit ausgefallenen Kraftausdrücken, sondern eher mit feinsinniger Wortakrobatik. "Problemkinder" mit Gastrapper Ahzumjot sorgte bereits vor Erscheinen des Albums – zumindest im Social Network – für Einiges an Aufsehen. Für mich persönlich auch das Highlight des Albums! Mit der Dramatik, die unsere Generation so sehr liebt, werden die Leeren des Alltags beschrieben, die von uns individuell mit der eben genannten gefüllt werden wollen. Und hier zeigt sich, wie ein gelungenes Feature gemacht und auf einem Album platziert wird.


    "Doch wenn mich nichts beschäftigt, dann ist alles nur grau/
    Und ich fühl' mich irgendwie so, als wär' ich gar nicht wirklich hier/
    Der schlimmste Katastrophenfilm ist der, in dem nichts passiert/
    Soll doch alles den Bach runtergeh'n/
    Das ist mir lieber, als wenn da nichts ist, was uns bewegt/
    "
    (Crusoe auf "Problemkinder")


    Aber auch in der letzten Hälfte des Albums finden sich noch einige Perlen. So rechnet "Kein Lieblingslied" mit dem kostenreichen Leben eines "Internetrappers" ab. "Bin ich Fan von" zeigt dann endlich mal die schönen Seiten eines Mittzwanzigers auf – und ich bin mir sicher, jeder von uns wird sich in der ein oder anderen genannten Sache schmunzelnd wiederfinden. Auch "Kryptonit" blickt in seiner ganzen Tragik nach vorne, obwohl man vielleicht nicht Batman ist, sondern eher den "Robins, die Batman noch nebenbei retten darf" gleicht. Beattechnisch greifen eou hauptsächlich in die eigene Tasche und untermalen das Album mit mal spielerischen, mal quietschenden, elektrischen oder gar scheppernden Musikklängen. Für mich klingt das Ganze ein bisschen so, als ob sich Super Mario mit Fingerfarben auf einem Xylophon ausgetobt hätte. Passt, sitzt, wackelt und hat Luft!


    Alles in allem ein sogenanntes rundes Ding. Und doch viel mehr. Die beiden Nordlichter haben mit ihrem Album eine Leistung erbracht, die ich vielleicht mit einem "solide" abgetan hätte, gäbe mir das Album nicht schon beim einmaligen, oberflächlichen Durchhören genügend Anlässe, auf jeden Fall noch einmal die Repeattaste zu drücken. Und so gebe ich mir auch selbst die Chance, das Album noch einmal als das zu erfahren, was es ist: ein vielschichtiges, sympathisches und gar nicht mal so rundes Ding. Charmant mit und wegen seinen Ecken und Kanten.



    Polly (Pauline Staigle)

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    Bewerte diese CD:
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  • Immer noch ganz große Klasse.
    Gefällt mir sehr gut. 'Kryptonit' mein Liebling, aber im Grunde jeder Track ein kleines Meisterwerk.



    #FreeKani

  • hahah ich hab mir das direkt übers iphone bei itunes geladen unds bisher immer noch nicht die zeit gefunden reinzuhören, da ichs total vergessen habe :D mal schauen ob ichs heute abend schaffe, hört sich doch ganz gut an.

  • Mag ich sehr :)
    Hat vielleicht noch einer von Snew den Track Montag irgendwo rumfliegen?
    Wenn ihr wisst was ich meine,weiß nicht ob Crusoe mit drauf war.
    War aber geiles Ding.

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