01. Intro (Das dritte Auge)
02. Roboter
03. Registriert
04. Fallen feat. Nazar
05. Sklave
06. Lach für mein Twitta
07. Nichts verletzt so
08. In meiner Zone
09. Wie kannst du nur
10. Playmobil feat. Marteria
11. Luxus feat. Konshens
12. Crown Club
13. Nicht mit uns feat. Sizzla
14. Dumm & Glücklich
15. Tumor
Bonus-Tracks:
16. Roboter (Remix) feat. MoTrip & Silla
17. Jeder Tag
18. Hinter mir
19. Reichtum feat. Tarek (K.I.Z.)
20. Wo sind die Winner
Es gibt Klassik, Metal, Rock, Pop, Punk, Reggae, Dancehall, Dubstep, Techno und unter anderem natürlich auch HipHop/Rap. Wenn sich nun ein Künstler dazu entschließt, mehrere Musikrichtungen zu vereinen, dann kann man sich sicher sein, dass es sich um einen Musiker handelt, welcher schon seit Kindheitstagen einen Einfluss von verschiedenen Kulturen hatte. Ich gebe einen weiteren Tipp: Der Künstler benutzt gerne die Ausrufe "Eeeey" oder "Naaaah" – natürlich ist hier die Rede von RAF 3.0, ehemals RAF Camora. Da das gleichnamige Album "RAF 3.0" nach eigener Aussage mehr im Dancehall-Stil sein soll, waren die Erwartungen der Szene groß.
Rhythmus. Ein Wort, das kaum jemand richtig schreiben kann, aber für HipHop ein sehr wichtiges ist. Von Rhythmus geprägte Tracks sind bedeutsam, vor allem für die weiblichen HipHop-Fans. Szenario: Kleine Location, alle Menschen auf engem Raum und der richtige Rhythmus. Nein, ich rede hier nicht von einem Porno, ich rede hier von den perfekten Tracks, die genau in diesem Szenario die Menge zum Tanzen, zum Ausrasten, zum Explodieren bringen können. Genau solche Tracks sind auf "RAF 3.0" in Form von "In meiner Zone" und "Lach für mein Twitta" zu finden. Jeder hat seine spielende Seite, und RAF behandelt seine ganz deutlich in "Lach für mein Twitta" – das alles unterlegt mit einem genialen Dubstepbass in der Hook, der wirklich mehr als harmonisch das Lied untermalt. Gerade in diesen beiden Tracks wird das Hauptthema des gesamten Albums am besten dargestellt: Technische Neuheiten begleiten unsere Welt jeden Tag aufs Neue. Roboter fangen an, unsere Arbeitsplätze zu übernehmen – somit sind wir leichter ersetzbar. Selbst auf einfachen Fotos können wir nicht mehr erkennen, was Realität oder Inszenierung ist, da man mit digitaler Bildbearbeitung alles verändern kann. Wenn wir jemanden vermissen, vermissen wir ihn nicht mehr "richtig" – nicht mehr so, wie man sich früher einmal vermisst hat, abseits der heutigen Technik. Wir können jederzeit per Skype unsere Freunde und Familie von überall in der Welt sehen und mit ihnen reden. In unserer Zeit müssen wir immer und allseits kontaktierbar sein – und unser Handy ist inzwischen mehr als nur unser Telefon, genau wie das Internet unsere beste Quellenangabe geworden ist.
RAF 3.0, der schon in seiner Jugend in einem der berüchtigtsten Viertel Wiens lebte, hat anscheinend ein Problem mit zu viel Luxus und reichen, überheblichen Menschen. Geprägt von einer Partystimmung ist der Track "Luxus", dessen Hook durch den Reggae-/Dancehall-Künstler Konshens ergänzt wird, den einige vielleicht noch von Chakuzas Track "Monster" kennen. Auch "Crown Club" behandelt dieses Thema, ebenfalls unterlegt mit Reggae-Elementen, die wirklich sehr gut eingesetzt wurden und einen den Inhalt des Tracks schon fast vergessen lassen.
"Niemals wirst du hier von menschlichem Ballast umgeben/
Im Club läuft Krieg in der Regel nur so/
'Ne Unterschrift auf 'nem Papier entscheidet häufig über Leben und Tod/
Im Club hat jeder 'ne Uhr, doch keiner achtet auf die Zeit/
Beachtet wird die Marke und der Preis/"
(RAF 3.0 auf "Crown Club")
Wenn wir schon bei Reggae angekommen sind, kann ich wohl auch sagen, dass man auf einen Reggaebeat einfach kein deepes Lied schreiben sollte. "Nichts verletzt so" bricht genau diese Regel. Ja, das Lied kann man sich gut anhören, aber die ersten paar Sekunden wecken die Hoffnung, dass man gleich ein fröhliches Lied hören wird. Das Gegenteil ist der Fall – und das ist musikalisch gesehen paradox, selbst wenn es gewollt ist. Ein weiteres Paradoxon findet sich im Track "Wo sind die Winner", der nämlich den Eindruck entstehen lässt, dass er eine Anlehnung an den Track "Winner" aus RAF Camora-Zeiten sei. Wenn man den Track allerdings hört, merkt man, dass auch dieser deep ist und eher an Casper erinnert.
Tracks, die einem am längsten im Kopf bleiben, sind meist die, die einem eins zu eins aus der Seele sprechen. Egal, wo man sich befindet, man muss noch über den Inhalt nachdenken. "Dumm & Glücklich" ist genau so ein Track und ist den anderen auf dem Album lyrisch auf jeden Fall weit überlegen.
"Wieso kann ich nicht so sein wie sie/
Nicht überlegen und mein Leben genießen/
Ohne Plan und irgendeinem Ziel/
Meine Pläne täglich neu beschließen/"
(RAF 3.0 auf "Dumm & Glücklich")
Featuregäste, die beeindrucken, hat man als Hörer gerne. Marteria, MoTrip und Silla sind auch noch bekanntere Rapper und würden dadurch als Featuregäste noch besser ankommen. Somit wäre eigentlich alles perfekt, würden gerade diese Featuregäste nicht auf den einzelnen Tracks untergehen, denn leider sind sie auf "RAF 3.0" einfach nur eins: fehl am Platz. "Playmobil" behandelt eine an sich interessante Thematik, bei der man sich gerne in seine Kindheit zurückversetzt, aber gleichzeitig auch über die Gegenwart nachdenkt. Marterias Part ist gewöhnungsbedürftig, dennoch nicht schlecht, trotzdem ist RAFs Stimme ausdrucksstärker. Ähnlich ist diese Problematik auch beim Track "Roboter (Remix)" mit Silla und MoTrip zu hören. Das ist der Song, auf den ich mich am meisten gefreut habe, der mich aber letztendlich komplett enttäuscht hat. Hier überzeugen beide Featureparts inhaltlich nicht und auch der Beat passt zu keiner der beiden Stimmen. Gerade durch die Solo-Version von RAF, die um Längen besser ist, hatte ich den Eindruck, dass sie live jeden coolen "In-der-Ecke-Steher" motivieren kann, durchzudrehen. Die Featureversion tut dies allerdings überhaupt nicht. Manchmal sollte man zu viele Veränderungen einfach lassen.
Fazit:
Selbst mit einer neuen, anderen Richtung glänzt RAF 3.0 wieder einmal. Die Beats auf diesem Album sind von Fröhlichkeit geprägt, teilweise werden sie aber auch durch die zu vielen verschiedenen Elemente der Musikrichtungen verunstaltet. Für den Longplayer muss man den unterschwelligen Dialekt von RAF mögen, den ich inzwischen lieben gelernt habe. Auf "RAF 3.0" findet man zu jeder Lebenssituation den passenden Track. Genau so muss, meiner Meinung nach, auch ein Album aufgebaut sein. Die Thematik um die Digitalisierung unserer Welt wurde noch nie so umfangreich in der HipHop-/Rap-Szene aufgegriffen wie hier, obwohl sie uns tagtäglich betrifft und unser Handeln beeinflusst. Über den Geschmack von Reggae/Dancehall bei einem eigentlichen HipHop-Produzenten lässt sich zwar streiten, aber unweigerlich hat RAF 3.0 auch hier sein Talent als Musiker bewiesen – egal, ob mit Gesangshooks oder seiner Raptechnik. Mit diesem Album kann er seinen ersten wirklich großen kommerziellen Erfolg verbuchen, jedoch bleibt er auch bei seinen alten typischen Elementen – wie seinem markanten Akzent, den manche wohl eher störend finden. Zudem macht RAF es wie die großen Amerikaner im HipHop-Business: Durch die vielfältige Ansprache von diversen Thematiken und durch verschiedene musikalische Bestandteile in seinen Liedern wurde dieses Werk von der Masse anerkannt, was für langjährige Fans nicht gerade durchweg schlecht ist. Auch wenn es Kleinigkeiten zu bemängeln gibt oder ich mich beispielsweise auf ein Chakuza-Feature gefreut hätte, ist ganz deutlich erkennbar, dass "RAF 3.0" die Weiterentwicklung ist, die er persönlich angestrebt hat. Auch ein erfreulicher stimmlicher Fortschritt von RAF lässt sich feststellen. Manchmal ist mir nicht ganz klar, ob RAFs Welt nun aus Robotern oder Playmobil besteht, jedenfalls scheint sie sehr künstlich zu sein. Sich auf eine Schiene festzulegen, ist wohl einfach nicht sein Style – und genau das hat er hier grandios bewiesen.
911emergency (Kristina Scheuner)
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