01. Deutscher Herbst
02. Arsen – Ali A$
03. Protest – Pretty Mo
04. Green Screen – Ali A$
05. Lackschuhe – Pretty Mo
06. HHH – Ali A$
07. Soziussitz – Pretty Mo
08. Roland Kaiser – Ali A$
09. Crystal Meth – Pretty Mo
10. #BG4M
Links, rechts, links, rechts, links – ratatatat. Da laufen sie ein. Ali, Mo, Ali, Mo, Ali – ratatatat. Es ist Krieg, zumindest im Spiel. Deckung suchen, hinwerfen, spitten – ratatatat. Baåder Meinhøf, "Heil HipHop", "Deutscher Herbst" – ratatatat. Ali A$ und Pretty Mo marschieren als Baåder Meinhøf und wollen mit Poloreiter und drei Streifen am Ärmel den deutschen Rap in "1000 Bars" heilen, so die Ansage. Daher auch das "Heil HipHop". Hier, nichts mit Dönermorde, pure Provokation und Wortspielerei soll das sein. Und Rap in Reinstform soll das sein, diese "1000 Bars", die via Mixtape in die Menge gefeuert werden – ratatatat. Lang' ist's her, seit die beiden Münchner ihre Deckung zuletzt verlassen haben. Pretty und Ali kennen sich noch von "Der Neue Süden", da waren sie noch finster und haben das Ghetto in München gesucht, obwohl Straßenrapper auch damals schon die falsche Bezeichnung war. Aber seit der "Bombe" von Ali A$ und der Schließung seiner damaligen Labelheimat Deluxe Records hat man wenig gehört. Apropos "Bombe" – ratatatat! Jetzt sind sie also wieder da und schießen mit 10 Tracks um sich, natürlich nur für den guten Zweck, nur für Gevatter Rap, und vor allem nur aus Spaß.
"Und wir bringen weiter bösen Sound, töten Clowns/
Rap ist wie ein zugefror'ner Teich – es springen keine Kröten raus/
Seht nur, seit Goethes Faust sind die Texte das Beste, eure Tracks sind wie Äste/
Denn es steh'n nur paar Vögel drauf, ich hör' an euren Tracks die fehlende Technik/
Und bin wie Stammzellenforscher nur mit Genen beschäftigt/
Wir ficken jeden im Rapbiz, Rapper sind jetzt wie Gärtner/
Warum? Sie sind auf den Knien und mit Beeten beschäftigt/"
(Ali A$ und Pretty Mo auf "Deutscher Herbst")
Ja, man merkt schnell, wohin das führt. Ich kann und möchte an dieser Stelle gar nicht auf die einzelnen Tracks eingehen. Da gibt es den einen, da rappt Ali A$ und macht viele Punchlines, da gibt es den anderen, da rappt Pretty Mo und macht viele Punchlines. Hier ist noch einer, da rappen Ali A$ und Pretty Mo und machen viele Punchlines. Track ist gleich Track, Skippen bedeutet vor allem, ein neuer Beat geht los. Da wird geradlinig marschiert, links, rechts, links, nicht gucken, nur spitten – ratatatat. Dazwischen keine Hook, kein Skit, nichts dergleichen. Was mir auffällt? Ali ist in seinen Punchlines nicht so sexuell wie der gute Mo. Sonst? Ratatatat.
Im Ernst: Punchlinerapper waren die beiden ja schon immer und auch diesmal klingen die Münchner nicht nach Gosse. Sie klingen vor allem nach Rap. Nach purem Rap ohne Accessoires, ohne öden Schnickschnack. Punchlinerap wäre also eine durchaus passende Bezeichnung für die "1000 Bars", ja, keine Frage. Und dabei spielen Mo und Ali auch in der selben Liga. Beim Vergleich der beiden in Text und Technik gewinnt immer der, der den Geschmack des Hörers am besten trifft. Ich kann mich da gar nicht entscheiden. Pretty ein bisschen versaut, das kann langweilen, dafür mit einer taktvollen Ruhe im Ausdruck, die irgendwo zwischen Provokation und Verrücktheit wurzelt. Dafür legt A$ dermaßen viel Kraft in seine Stimme, dass man ab und an sogar das Gefühl hat, sie würde sich gleich überschlagen, durchbrennen und davongaloppieren. Aber beides klingt fresh, da kann sich niemand beschweren. In Aussage und Flow harmonieren die Rapper aus dem Süden generell gut, man bemerkt den gemeinsamen musikalischen Background. Beide flowen präzise, mit genug Ausdruck, mit genug Ausdrücken, mit Ratatatat eben. Nicht sehr variabel, aber man kann auch nicht meckern.
Dabei liegt der inhaltliche Schwerpunkt vor allem auf der Aussage, der Beste zu sein. Untermauert mit einer Unmenge an richtig guten und ein paar eher mäßigen Vergleichen. Ich kann mir keinen einzigen merken, so viele sind das. Wenn man schon mal versucht hat, sich ein ganz bestimmtes Steinchen am Sandstrand zu merken, dann kann man sich das vielleicht vorstellen. Aber ich muss mir das auch nicht zu merken, es läuft eh alles recht ähnlich ab:
"Ichbinsoderbegut wie *Vergleich*/
Ihrseidsoderbeschlechtdrumfick'icheuch *Wortvergleich*/
Alsowirklichsorichtigderbeschlecht wie *Vergleich*/
Sorichtigrichtigrichtigrichtigschlecht *Wortvergleich*/"
(Einervondenbeiden auf "Irgend'nemtrack")
Da ballert Baåder Meinhøf einfach mal "1000 Bars" raus und wer muss sich alle anhören? Wir natürlich. Was nach einer ziemlich guten Idee klingt, kann auch ermüdend sein, das sei an dieser Stelle angemerkt. Ohne eine Hook, die den Punchlinebrei ab und zu auflockert, treten sich die vielen Zeilen zu einer zähen Masse zusammen. Die meisten Tracks dauern um die fünf Minuten, das ist nichts Schlechtes, aber auf Dauer ist es eben immer das Gleiche. Reimanreimanreimanreim. Skip. Reimanreimanreimanreim. Skip. Ratatatat. Das möchte ich gerne mal live sehen.
Es wird also viel marschiert und man möchte HipHop heilen. Nebenbei frage ich mich seit Tagen, von was man diese deutsche Mukke eigentlich heilen möchte. Bei einer Entstehungsphase von mehreren Jahren und viel altem Stuff auf dem Tape kann ich das allerdings nicht beantworten. Ist es der neue Waschlappenrap oder der alte Hartwieknäckebrotrap? Egal, sie marschieren jedenfalls. Im Takt. Und die Marschkapelle kann sich wirklich hören lassen. Da treten wahre Hochkaräter aus allen Ecken und Enden von Somusshiphopkling'land auf. Neben Monroe, Gee Futuristic, einem 7inch oder Tai Jason sind da auch noch The Titans, Benjamin Bently, die Bounce Brothas und DJ Vito im Spiel, und beschwingen das Ratatatat mit Brettern, die Musik bedeuten. Sehr pompös, knallige Snares mit Tusch und Wirbel, aber eher dreckiger Sound in Marschgeschwindigkeit – so klingt Krieg, Bruder, immer am Stampfen, unaufhaltbar. Aber das ist sehr gut, dieser Geschmack beim Beat picken rettet die 1000 Lines vor der Belanglosigkeit. So bleibt man dran, so hört man zu, so findet man das gut.
Fazit:
Baåder Meinhøf ist Terror mit Rap und Rap mit Terror – aber pure Unterhaltung, spaßig und man macht eben diese eine Musik, die wir alle so lieben. Vergleichslastig und hooklos, nicht besonders flowvariabel, dafür aber beatbombastisch. Und eines vor allem, nämlich real. Das war auch das Ziel des Tapes und das ist erreicht. Purer Rap, blank serviert, krachend, keifend und vor allem punchend. Da verzeiht man dem guten Ali auch, dass er den Soundtrack für Jimi Blues Film "Homies" gemacht hat. Wer so stramm marschiert, der kann nur eins im Sinn haben: HipHop heilen. Also weiter marschieren, links, rechts, links, rechts, links – anlegen, zielen, spitten – ratatatat.
(Benedikt Dirschl)
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