Review: B.E. & Arves – Zeitlos



  • 01. Hier kommt er
    02. Geschichten von Mama
    feat. Karsten Burkardt
    03. Der Film den ich fahr'
    04. Ich + Isch (Skit)
    05. Klischees
    06. Daymares
    feat. Concetta
    07. Alles Schlampen außer Mum
    08. Ich spitte fett (Skit)
    09. The 1 and only
    10. Bin Laden ist tot
    11. Diätsong 2
    12. So Lala
    13. Kopf oder Herz
    14. Heute ist nicht dein Tag
    15. Leb' meinen Traum
    16. Zeitlos


    Anfang 2010: Der ursprünglich aus dem Libanon stammende B.E. der Micathlet startet mit dem 26-jährigen Produzenten Arves ein gemeinsames Musikprojekt mit einem Ende, das keiner erwartet hatte. Nachdem im Juli aus über 40 Produktionen von Arves die geeignetsten Beats ausgesucht wurden, verstarb der talentierte Produzent vier Tage später an einem Asthmaanfall. 10. Februar 2012: Der Tag, an dem das gemeinsame Album "Zeitlos" von B.E. und Arves über das Label Feine Kreise erschien. B.E.s Meinung nach sollte es trotz des Todes seines Freundes nicht traurig werden, sondern eher so, wie es der Titel des Werkes verrät: "Zeitlos".


    Das Album setzt schon mit dem gelungenen Track "Hier kommt er" ein Zeichen, was den Hörer auf dem Album erwarten wird. Nicht nur Vocals und Rhymes vereinen sich hier wunderbar, auch nach den ersten, zunächst unverständlichen Lines dachte ich mir: "Endlich wieder was vom Micathlet!" – zudem verpackt er den Albumtitel immer wieder mal kurz und geschickt. Allgemein erinnert der Track sehr an "Micathlet" von seinem 2009 erschienenen Album "Sein oder Nichtsein". Wie so ziemlich jeder Rapper mit ausländischen Wurzeln konfrontiert auch B.E. seine Hörer mit dem Thema "Ausländer in Deutschland". Nicht zu vergessen ist da die eigene Lebensgeschichte, hier zu hören in "Geschichten von Mama", der ein emotionaler Gänsehaut-Track ist. Was allerdings wirklich Spaß macht, ist beispielsweise "Klischees", denn dort wird erst mal jedes schöne Vorurteil gegenüber Ausländern auf die Schippe genommen und das alles mit einem spielerischen Beat von Arves verbunden, der zunächst mehr an ein Gameboyspiel erinnert, als an einen Beat.


    "Ihr labert viel und meint, Islam bedeutet, Frauen zu unterdrücken/
    Sich weg zu bomben für 70 Jungfrauen im Paradies/
    Gebt der Religion doch nicht die Schuld/
    Ich mein', wenn Dieter Sabrina vergewaltigt/
    Hat das Ganze mit Christentum doch nichts zu tun/
    "
    (B.E. auf "Klischees")


    Wer kennt das nicht? Wie immer beklagen sich alle, aber etwas gezielt ansprechen und vielleicht damit sogar verändern oder bewegen kann wieder keiner. Mit "Bin Laden ist tot" ändert B.E. das allerdings. Wer von seinem Album "Sein oder Nichtsein" den Track "Guten Tag USA" kennt, der weiß ganz genau, was damit gemeint ist. Sozialkritisch setzt sich der Micathlet in diesem Song mit der gezielten Beeinflussung der Menschen durch die Medien auseinander. Zudem werden laut ihm die wichtigen Themen immer durch kleine, eigentlich unbedeutendere und überspitzte Meldungen in den Schatten gedrängt.


    "Von Rinderwahn, Geflügelgrippe, bis hin zur Schweinepest/
    Macht uns jetzt sogar Gemüse Angst/
    Aaahh, 'ne Gurke, schmeiß sie weg/
    Hast du nicht gehört von dieser Sache, die passiert?/
    Wenn der EHEC Virus kommt, musst du kacken, bis du stirbst/
    "
    (B.E. auf "Bin Laden ist tot")


    Mal ehrlich: Was wäre ein Rapalbum ohne Tracks, die eines der typischen Rapelemente aufweisen? Gemeint ist natürlich Battlerap! Wer Doubletime rappen kann, der sollte auch Battletracks haben und der selbsternannte Micathlet hat das natürlich auf einem Album parat. Schon sein zweiter Skit "Ich spitte fett", den manche vielleicht schon von seinen Liveauftritten kennen, oder auch der Track "So Lala" zeigen es ganz genau. Denn bei Battlerap vereinen sich Technik, Flow und Rhymes zu einem gekonnten Zusammenspiel, das jeden Hörer umhauen und vor dem jeder Angegriffene Respekt haben sollte. Doch nicht nur in dieser Disziplin ist dieses Zusammenspiel von tragender Rolle. Anders kann es auch in sehr persönlichen Tracks angebracht werden und das sticht bei B.E. gerade in dem Track "Kopf oder Herz" heraus, dessen Thematik schon eindeutig zu erkennen ist.
    Es gibt aber auch diese Tracks, bei denen man sich als Hörer wirklich nur denkt "Oh, bitte, du solltest nur fürs Rappen ans Mic treten." Leider passiert das auch bei einem eigentlich technisch starken B.E. mal, und zwar auf dem Track "Heute ist nicht dein Tag"; der dann vor allem gegen Ende fast ausschließlich mit wenig einfallsreichen Lines und schlechten Reimen enttäuscht... "Da" reimt sich zwar auf "Pornostar" ist aber dennoch nicht ausdrucksstark. Genauso gibt es aber dann die Tracks, bei denen die Featuregäste überzeugen, wie die 14-jährige Concetta auf "Daymares", die das Stimmdoubel von Rihanna sein könnte. Der Track erinnert mich sowohl beatmäßig, als auch von der Betonung her stark an Favorites "Ich vermisse euch" und er vermittelt zudem eine ähnliche Stimmung. Gegen Ende allerdings wirkt er durch die mehrmals variierende Hook eher wie ein Pop-Lied der 90er und klingt ähnlich wie "Say my name" von Destiny's Child.


    Auch, wenn der in Siegen lebende B.E. sein Werk so gestalten wollte, dass es nicht von der Trauer und dem Verlust seines Freundes handelt, schließt der gleichnamige Track des Albums "Zeitlos", auf dem er sich genau mit diesem Thema auseinandersetzt, die Platte optimal ab. Ebenfalls ist es ein Gänsehaut-Track, bei dem man sich sehr in die Person des sonst so taffen und wortgewandten Künstlers hineinversetzen kann. Der geschickt gewählte Beat, dessen eigene Geschichte erzählt wird und hier die Stimmung perfekt einfängt, passt sehr gut in das melancholische Gefüge des Tracks.


    Fazit:
    B.E. der Micathlet schafft das, was wahrscheinlich viele nicht schaffen, wenn ein guter Freund und zeitgleich Produzent, also Teil des Albums, stirbt: eine Platte, die Tracks beinhaltet, welche ans Herz gehen und berühren, aber dennoch auch zum Lachen animieren, wie beispielsweise der Skit "Ich & Isch". Mit vielen Liedern will der Künstler anregen, etwas in unserer Gesellschaft zu verändern, mit anderen wiederum beweisen, was er kann. Was er wollte, ist ihm meines Erachtens nach wirklich gelungen: Ein Album, das zwar vom Tod des Produzenten Arves geprägt ist, dieses Ereignis aber nicht der Hauptaspekt ist. Dennoch sollte das Album zeitlos werden, wie der Titel es schon sagt. "Zeitlos" ist ein Wort für sich und für B.E. sicherlich inzwischen ein sehr persönliches. Sein Werk ist gerade auch etwas für Rapfans, die noch nie etwas von ihm gehört haben, da er unterhaltsam, aber auch sozialkritisch an Thematiken herangeht. Arves' Produktionen, die schon zahlreiche andere Deutschrapalben geziert haben, glänzen hier mit dicken Bässen und ordentlichem Flow – jeder Hörer wird zum Kopfnicker. Er orientiert sich bei den Beats an HipHop-Urgesteinen wie Dr.Dre und Timbaland, allerdings ist sein eigener Style deutlich hörbar. Dieses Zusammenspiel aus "Oha, das kenn' ich doch von irgendwoher" und "Nee... doch nicht, aber es klingt dennoch gut" ruft enthusiastische Freude beim Hörer hervor. Arves erfindet zwar damit das Rad nicht neu, allerdings treibt er es mit einem Mix aus Neuem und Altem an. Für mich bleiben einige Lieder auf meinem iPod in der Playlist Deutschrap, aber nicht alle. Das Album überzeugt an sich, hat aber mehrere kleine Details, wie die bereits erwähnten nicht gerade einfallsreichen Reime, was das Album für mich teilweise uninteressant macht. Ein Highlight gibt es allerdings noch außerhalb der Tracks: Die kleine Textrolle, die sich im Album selbst befindet, mit Worten von Arves' Familie an ihn selbst...



    911emergency (Kristina Scheuner)

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