Review: Olson – 40213



  • 01. Alles so wie es war
    02. Lieblingssong
    03. Goldene Welt
    04. Fenster
    05. Halt mich fest


    V-Neck und Undercut. Großstadtrebell. Bunte Nikes an den Füßen. Scheißegal-Mentalität. Größenwahn. Jugendlicher Leichtsinn, vermischt mit innerem Drang zu Großem. Teure Designerdrogen. Gegenteilig dazu billigster Kartoffelschnaps. Freundschaft. Frauen. Probleme mit Frauen. Schule schwänzen, Versager mit Stil. "Und einer ganzen Generation geht es ähnlich", um es mit Kraftklubs Worten zu beschreiben. Olson – mittlerweile ohne das irreführende "Rough" im Namen – macht Musik sowohl für Außenseiter als auch für die breite Masse, für Draufgänger und Introvertierte. Sein Lebensstil dokumentiert das Leben unserer Jugend: frech, laut und couragiert. Seine Musik: pathetisch, reflektierend und ergreifend. Und um der Welt ein kleines Lebenszeichen vor dem 2012 erscheinenden Album zu geben, gibt es nun die EP "40213" kostenfrei im Internet zum Download.


    "So jung, zukunftslos/
    Haben nichts zu feiern, aber hindert uns nicht/
    Alles so, wie es war/
    Träumen viel, doch bleiben ohne viel Schlaf/
    "
    (Olson auf "Alles so wie es war")


    Inhaltlich ähnelt diese EP dem Vorgängeralbum "Rudeboy". Schon im ersten Track "Alles so wie es war" zeigt der Düsseldorfer perfekt die Kluft zwischen Leidenschaft und Perspektivlosigkeit auf, wenn er zunächst singend, anschließend mit hartem Stimmeinsatz und emotionsreichen Texten den aggressiven und mit E-Gitarren unterlegten Beat berappt. Das richtige Outfit und die perfekte Frisur sind hier mindestens genauso wichtig, wie die "kein Motherfuck"-Einstellung, wenn es freitags an der Schlange vorbei in den Club geht. Wer kann sich damit nicht identifizieren? Eingängige Gesangseinlagen, ansprechende Raptexte und Druck in der Stimme, das sind hier eindeutig Olsons Stärken. Auch auf "Goldene Welt" singt er in der Hook und übergeht eindrucksvoll alle peinlichen Fremdschämmomente, denn es passt einfach perfekt.


    "Ein wolkenfreier Himmel, so klar/
    Ein Sonnenschein vom Himmel, so warm/
    Ein Restfunken Jugend in der Luft/
    Dieser Drecksklumpen jubelt in der Brust/
    Die Welt steht/
    "
    (Olson auf "Goldene Welt")


    Lyrisch bewandert und reich an Metaphern und gelungenen Formulierungen zeigt sich Olson hier von einer seiner besten Seiten: "Und wir tanzen so, als säh' niemand zu. Lieben so, als ob es kein' Morgen gibt. Nehmen die Schmerzen so, als täten sie gut. Mach deine Augen zu, was du siehst ist Gold." Ich kann mir einfach nicht helfen, sobald ich ihm zuhöre, entstehen Bilder in meinem Kopf und ich höre gefesselt zu. Dieses Markenzeichen, mit abstrakten Sätzen Bilder zu zeichnen, ist einzigartig und durchaus auf einem Level mit Casper oder Prinz Pi angesiedelt. Die musikalische Untermalung hier ist ein gelungener Mix aus Pop und Rap mit leichten House-Einflüssen und ergänzt den Text optimal.


    "Und ich schreib' von einer fassungslosen Zeit am Block/
    Wir haben damals schon vom Absolut auf Eis gekotzt/
    Schule verkackt und verkrampft versucht, noch reinzukommen/
    Doch leider Gottes nutzten wir das Mathebuch als Zeichenblock/
    "
    (Olson auf "Fenster")


    Reflektierend und nachdenklich kommt "Fenster" daher, der Track klingt fast schon wie eine Abrechnung mit sich selbst. Gescheiterte Pläne und Beziehungen, existenzielle Fragen ("Doch wie viel Platz ist zwischen Euphorie und Scheißgefühl?") und eine gute Portion Pathos machen das Lied aus. Auch "Lieblingssong" befasst sich mit Olsons Vergangenheit und dem Thema Freundschaft und so erzählt er von vergangenen Tagen und Geschichten mit seinem besten Freund. Der Beat – ein packendes Klaviersample auf futuristischen Drums – schafft gekonnt den Spagat zwischen Melancholie und Euphorie und auch die Hook vermittelt das Gefühl von Kameradschaft wie kaum ein anderer Track. Ganz großes Kino. Selbst die gesungenen Addlips finden ihren Platz im Lied und ergänzen die gerappten Zeilen gut.


    "Weiß nicht, ob's der richtige Schritt war, von hier fortzugehen/
    Mit 'nem Mädchen daheim, das so viel gibt, dass mir die Worte fehlen/
    So viel gibt, dass all der Wodka und die Spastischuppen/
    Lächerlich erscheinen gegen sonntags mit ihr Scrubs zu gucken/
    "
    (Olson auf "Halt mich fest")


    Wie Sido einst schon sagte, das Beste kommt zum Schluss: Mit "Halt mich fest" wartet das absolute Highlight der EP auf den Hörer direkt am Ende. Verspielt und fast schon traurig klingt die Gitarrenmelodie am Anfang des Tracks, während der talentierte Düsseldorfer mit fester Stimme und eindrucksvoller Eloquenz tief unter die Haut geht und mit seiner Ehrlichkeit fesselt. Gänsehaut. Wer war nochmal dieser Casper? Zitieren könnte ich einfach das gesamte Lied, jede Line trägt eine existenzielle Botschaft oder berührt in irgendeiner Art und Weise. Ob es jetzt Olsons ehrliche Ansagen über Drogenkonsum oder Frauen sind, die jeder nachvollziehen kann, oder seine gekonnte Art, mit der deutschen Sprache zu spielen, sie zu benutzen – der Track punktet einfach in jeder Hinsicht. Man merkt: Er lebt für Musik. Und sie lebt durch ihn. Top.


    Fazit:
    Irgendwo zwischen Melancholie, Selbstreflektion, wilden Partynächten mit Alkohol, Drogen und Sex und der Suche nach dieser einen Frau macht es sich Olson in Rapdeutschland bequem und zeigt keinerlei Interesse, diesen Platz jemals aufzugeben. Das, was er hier geschaffen hat, ist künstlerisch anspruchsvoll und einzigartig – so schnell macht ihm das keiner nach. Auch, wenn man hier und da nicht um einen Vergleich mit Casper herumkommt, kann man ihn nicht einfach so in irgendeine Schublade stecken; dafür ist seine Musik und vor allem sein Charakter zu facettenreich, zu breit gefächert. Produziert wurde die EP von Awe, Xplosive, TheDrumkidz, Levon Supreme und George Air Brush, die allesamt ihre Arbeit mehr als nur gut gemacht haben. Was Olson ausmacht? Eine eindrucksvolle Technik, mehrsilbige Reimketten und vor allem eine Eloquenz, die ihm Wörter und Formulierungen in den Mund legt, die direkt unter die Haut gehen und berühren. Dazu kommt der nötige Zeitgeist, der perfekte Look und der großartige Humor, mit dem er auch neben der Musik sympathisch rüberkommt. Ich verneige mich vor einem großartigen Künstler. Das Album kann kommen.



    (Erich Unrau)

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  • ja, die EP ist richtig heftig. Hab selbst ein bisschen gebraucht, aber jetzt läuft sie im Loop. "Lieblingsmensch" und "Halt mich fest" sind meine Favos.

  • Sehr schön geschriebene und ehrliche Review zu einerfantastischen EP, die zum Jahresende mit "Halt mich fest" einen meiner Top 3 Songs für dieses Jahr bringt. Eventuell sogar mein persönlicher Track des Jahres 2011.

  • Zitat

    Original von Madson
    ja, die EP ist richtig heftig. Hab selbst ein bisschen gebraucht, aber jetzt läuft sie im Loop. "Lieblingsmensch" und "Halt mich fest" sind meine Favos.


    Bei mir kommt "Goldene Welt" dazu. Geht mir ähnlich, fand die EP nach dem ersten Mal hören zwar ganz gut, aber nicht überragend. Inzwischen kann ich sie schon sehr feiern.

  • Das Review passt richtig. Genau so sehe und denke ich auch über die EP. Goldene Welt ein Track der einfach unter die Haut geht. Kann man sich echt dauerhaft anhören und zu halt mich fest kann man echt nur sagen, so ein Text kann nicht jeder schreiben. Olson hats verdient mehr und mehr AUfmerksamkeit zu bekommen.

    Zitat

    Ich hab' während der Schwangerschaft Mama in den Bauch getreten
    Denn ich wollt' so schnell wie möglich raus, um mein' Traum zu leben

    :king:

  • Zitat

    Original von Chillmatic
    Sehr schön geschriebene und ehrliche Review zu einerfantastischen EP, die zum Jahresende mit "Halt mich fest" einen meiner Top 3 Songs für dieses Jahr bringt. Eventuell sogar mein persönlicher Track des Jahres 2011.

  • Er ist einer der wenigen, der es sich leisten kann, nach solcher Zeit eine "nur" 5-trackstarke EP zu veröffentlichen. Denn er ist in meinen Augen eine der Ausnahmen, dessen Lieder man sich immer und immer und immer wieder anhören kann, ohne dass sie ihren Reiz verlieren!
    EP ist ziemlich geil. Anders als Rudeboy, aber das hat er ja schon durch die Namens"änderung" (bzw. -abkürzung) deutlich gemacht.


    Wenn man Musik heiraten könnte, ich würd seiner regelmäßig Anträge machen :sound:

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