Review: Sir Serch – Antigroove 2



  • 01. Thunder in Paradise
    02. Hypeatude feat. Noemie
    03. Heil HipHop
    04. Heimweg
    05. Nie mamy czasu feat. Jonathan Jarzyna
    06. Toxic Serch feat. Audio88 & DJ Breaque
    07. Tetris
    08. Discoqueen
    09. Edelhoe 2
    10. Handhoch
    11. Lauf weg feat. Noemie
    12. Eisschollen
    13. Stadt bei Nacht 2


    In Zeiten von MySpacebannergewittern und an die Vorlieben des Individuums angepasste Werbeanzeigen, in der es von sich selbst überschätzenden Rookies nur so wimmelt, sind Künstler, denen man die Schaffensmotivation %uFFFD nämlich eine leidenschaftliche Liebe zur Musik und nicht etwa ein materialistischer Hintergedanke %uFFFD nach nur wenigen Takten anhört, nicht zwingend eine Seltenheit. Man muss jedoch zugeben, dass man sie dank ihrer fast schon zurückhaltenden Promotion nicht unbedingt auf dem Schirm hat. Einer dieser Künstler ist Sir Serch vom P-Berger Indielabel Spokenview Records, das Geschäfte und Musik seit jeher auf freundschaftlicher Basis hielt, aber dennoch für hochwertige Veröffentlichungen abseits des Hauptstroms steht. Mit Antigroove 2 folgt nach dem 2007 erschienenen "Hasenfuß" die Fortsetzung zu dem 2001 noch auf Kassette gespielten Untergrundjuwel Antigroove. Hier präsentiert sich ein Rapper, der sich vor allem mit seinen Storytellern einen Namen gemacht hat, in denen er für gewöhnlich gekonnt zwischen komödiantischen und tragischen Ansätzen zu mäandrieren wusste und dem Hörer immer das Gefühl gegeben hat, als hätte man mit dem Privatmenschen, wie er leibt und lebt, zu tun und nicht etwa mit einer überspitzten oder gar absichtlich verfälschten Inszenierung.


    "Erhebe die Stimme/
    Nichts als Empfindung/
    "
    ("Thunder in Paradise")

    Dank der kollegialen Labelpolitik sind auch die geladenen Gäste und Produzenten nicht weiter verwunderlich; sie stammen bis auf Noemi , eine enge Freundin von Serch und Jonathan Jarzyna %uFFFD allesamt aus dem "Generation Tapedeck"-Umfeld, was für Liebhaber schon seit längerem ein Garant für roughen, samplelastigen Sound ist. Umso ironischer erscheint einem da der von Tillevision produzierte Einstieg "Thunder in Paradise", ein treibendes Ghettobrett, das Sir Serch jedoch nicht in die Verlegenheit bringt, sich in platten Phrasen zu verlieren, die mit einem solchen Klangbild korrelieren würden. Vielmehr erwarten den Hörer ehrlicher Rap, ernste Klänge und ein Protagonist, der sich nicht davor scheut, dem Hörer sein Innerstes zu offenbaren. Leider schafft er es dennoch nicht, auf seinen Parts durchgängig zu überzeugen und so entblößt der erste Song bereits die größte Schwäche des Albums: Serch schafft es gerade bei den witzig gehaltenen Tracks nicht, ein konstantes textliches Niveau zu halten und auch die Qualität der Gags variiert stark. So schafft er es, auf Tracks wie "Toxic Serch (feat. Audio 88)" mit zynischen Zeilen durchaus zu überzeugen, während sein fast schon infantiles Geäffe auf "Heil HipHop" leider Fehl am Platze ist. Nicht nur, weil Rap so platt durch den Kakao zu ziehen schon lange nicht mehr lustig ist, sondern weil es so gar nicht zu Serch zu passen scheint, der sich bei einigen Tracks zwar einer freestylebasierten Arbeitsweise bedient, ohne dabei zu schlechten Resultaten zu gelangen, hier jedoch kläglich scheitert. Und dass jemand wie Serch, der eigentlich den Anschein macht, mit dem Restszenegeschehen wenig am Hut zu haben, sich von "Imagerappern" derart gestört fühlt, dass es ihm anscheinend eine Herzensangelegenheit ist, diese Meinung auf Tracklänge zu verewigen, ist fast schon ein bisschen enttäuschend.


    "Ich bin so Rap, ihr seid nicht Rap und ich rap einfach am krassesten/"
    ("Heil HipHop")


    Zum Glück ist sein Talent, Geschichten zu erzählen, von beständiger Natur und so erweisen sich seine Storyteller als wahre Kleinode deutschen Sprechgesangs. Dergestalt schafft Sir Serch es einerseits, mit sehr bildhafter Sprache zu überzeugen, ohne zu sehr in eine Pseudodeepness abzudriften, andererseits schafft er es gekonnt, Situationen aus seinem und dem Hauptstadtleben sehr lebensnah und unverfälscht auf Papier zu bannen.


    "In der Ferne hört man Jazz, mein Interesse wird geweckt/
    Ich wechsel' meine Richtung und nähere mich den Klängen/
    Archie Shepp, Coltrane oder Rahsaan Roland Kirk/
    Es ist nicht klar zu entnehmen, wem dieses Saxophon gehört/
    "
    ("Stadt bei Nacht 2")


    Generell kann man Antigroove 2 als eine eigentümliche Mischung aus einer Ode und einem Abgesang an Berlin betrachten. Dass hier beide Seiten der Medaille unverblümt dargelegt werden, ist angesichts Sir Serchs Angewohnheit, den Hörer stets sehr persönlich an seiner Lebenswirklichkeit teilhaben zu lassen, nicht weiter verwunderlich. Dass man jedoch auch keine klassisch platten Postleitzahlenrepresenter zu hören bekommt, dürfte dem aufmerksamen Leser bereits gedämmert haben. Vielmehr zeichnet Serch ein ambivalentes Bild von der Großstadt. So präsentiert er sich auf einigen Tracks voller Faszination und Liebe, in anderen Tracks äußert er sich jedoch kritisch gegenüber aufgesetztem Szenegehabe und zeigt sich dem Großstadtmärchen überdrüssig.


    "Die Schickeria presst sich den Mett in den Mastdarm/
    Ich muss weg aus der Stadt, man, weg hier, fuck, man/
    "
    ("Hypeatude" feat. Noemi)


    Beattechnisch ist Antigroove 2 durchgängig auf äußerst hohem Niveau und für Freunde der Neunziger gibt es das ein oder andere Schätzchen zu entdecken, was mit einem Blick auf die Produzentenliste sofort begründet wird. An den Reglern sitzen Tillevision, A Kid Called Drum, Dra-Q und Hiobs Alter Ego Hieronymuz. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Sir Serch mit Antigroove 2 nicht der ganz große Wurf gelungen ist, was aber angesichts der Tatsache, dass er das wahrscheinlich niemals vorgehabt hatte und die durch seine charmante Art geweckte Sympathie eigentlich zu verschmerzen ist. Ein echtes Highlight abseits des Rampenlichts!



    disdi (Christian Weins)

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