01. Interlude
02. Intro/Der Letzte meiner Gattung
03. Und dann kam Essah
04. Aura
05. Nie mehr gehn
06. Nichts bleibt mehr feat. Scala Chor
07. Optimale Nutzung unserer Ressourcen
08. Die Stimme
09. Stampf
10. King of Rap/Ein Wunder
11. Echo feat. Olli Banjo
12. LMS 2012 – präsentiert von Xavier Naidoo & Kool Savas
Es ist immer so eine Sache, wenn einer der Lieblingskünstler ein Album veröffentlicht, das einen dann – gerade wegen der nahezu unerfüllbaren Erwartungen – im Endeffekt enttäuscht. Das Album "Der beste Tag meines Lebens", von vielen Deutschraphörern – inklusive mir – bis heute als das beste deutschsprachige Rapalbum aller Zeiten angesehen, hat aus Kool Savas einen solchen Lieblingskünstler gemacht. Die "John Bello"-Trilogie mag sicherlich kein Flop gewesen sein, dennoch war sie mit viel zu vielen unspektakulären Features überladen. Und darüber, dass "Tot oder lebendig" kein würdiger Nachfolger zu Savas' Erstling war, herrscht im Allgemeinen Einigkeit. Nun haben wir wieder "lang genug gewartet, dass ein Album erscheint" und nach mittlerweile vier Jahren erscheint mit "Aura" erneut eines seiner raren Soloalben. Zugegebenermaßen war ich dieses Mal nach mehreren kleineren "Enttäuschungen" durchaus skeptisch, als ich vom Erscheinen erfuhr. Bis die erste Single veröffentlicht wurde...
"Sie fürchten nix wie die Wahrheit, drum brüll' ich's raus/
Und blas' meine Lungen auf wie sie ihre Lügen/
[...]
Wie soll ich heute noch umkehr'n, ich bin zu weit gegang'n/
Durchquere die Stratosphäre, die Sterne sind zum Greifen nah'/"
(Kool Savas auf "Aura")
Mit "Aura" gelingt Savas einer der besten Tracks seiner gesamten Rapkarriere. Die Kraft, mit der er seine selbstverherrlichenden Lines rappt: unnachahmlich. Dass er ein bisschen sehr gut rappen kann, wird jetzt wohl dem letzten Metal hörenden Höhlenmenschen klarer als klar geworden sein. Jede einzelne noch so kleine Silbe sitzt mehr als perfekt und auch, wenn manche des Wortes "Flow" gerade in Zusammenhang mit dem "King of Rap" überdrüssig sind: Dieser Flow ist einfach nicht von dieser Welt! Wenn Essah in der Hook dann noch perfekt mit Xavier Naidoo harmoniert, wird einfach alles weggefegt. Ein unglaublich guter Song. Auch auf durch und durch straighten Raptracks wie "Optimale Nutzung unserer Ressourcen" und "Stampf" zeigt Savas, was in ihm steckt und widerlegt einen Kritikpunkt, der immer wieder gegen ihn aufgebracht wird: die schwachen Texte. Diesbezüglich hat er einiges zugelegt, was gerade in der zweiten Strophe von "Stampf" klar wird. Durchaus naheliegende Gerüchte, dass die beiden letzten der folgenden Zeilen an einen bestimmten, derzeit sehr erfolgreichen und etwas alternativeren Rapper gerichtet sind, will ich an dieser Stelle nicht anheizen.
"Du wirst zu Grabe getragen in einem rosanen Sarg/
Nur, damit du Vogel auch nach dem Tod den Homos loyal bist/
[...]
Weil ihre Texte so lahm sind, machen die arm'n Wichser auf Hipster mit/
komischem Haarschnitt und philosophischer Ader, bring dich mal um, Emo/"
(Kool Savas auf "Stampf")
Bereits im Vorfeld wurde bekanntgegeben, dass es sich bei "Aura" um Savas Yurderis bisher persönlichstes Album handelt. Durchaus dreht sich die Platte zumindest ein wenig um das Leben des Rappers, in Grenzen hält es sich dennoch. Was auch sehr zu Gunsten der Qualität ausfällt, gerade weil "Die Stimme", der vielleicht persönlichste Track des Albums, den absoluten Schwachpunkt der Platte darstellt. Und auch, wenn der ehemalige Optik-Chef außerhalb von Battletracks überzeugen kann: Wer nicht genau ebendiese technischen Massaker von ihm hören will, hebe die Hand. Nicht umsonst leitet er jedes Album mit solchen ein. Der größte Höhepunkt neben "Aura" selbst erwartet den Hörer jedoch erst gegen Ende. "Echo", ein Track mit dem einzigen Rapfeature, Olli Banjo, erweist sich nach ruhigen, einleitenden Klängen als ein raptechnisch wahrhaftiges Gemetzel. Wer denkt, Banjos großartiger Part könnte nicht mehr überboten werden, wird mit dem 16er des Gastgebers auf beeindruckende Weise eines Besseren belehrt. Wer den Song gehört hat, wird kaum leugnen können, dass Olli mit seiner Einschätzung "Savas und Banjo [...], die 1 und 2" gar nicht so verkehrt liegen kann. Dazu noch die episch anmutende, fast dramatisch gesungene Hook von Banjo und das Deutschrap-Gipfeltreffen ist perfekt. Selten war Größenwahn derart ausgeprägt wie hier. Und noch seltener so berechtigt! Jede Wette, beinahe jeder andere Rapper würde sich – gerade in dieser Vortragsweise – bis auf die Knochen blamieren. Kool Savas und Banjo können es sich leisten:
"Wenn wir unsere Namen buchstabieren/
Werden sie von den Bergen reflektiert/
Die Schallwelle ist jetzt auch bei dir/
Du hörst uns wie ein Echo/"
(Olli Banjo auf "Echo")
Auch die restlichen Tracks fügen sich perfekt in das Gesamtbild ein und sind in jeder Hinsicht oberstes Niveau. Das pausenlos durchgerappte "Der Letzte meiner Gattung" zum Beispiel leitet in ein Kool Savas-Album ein, wie es eben eingeleitet werden muss. Auf "Und dann kam Essah" stellt ebendieser klar, wieso ohne ihn nichts geht und er der "complete MC" ist, als den er sich gerne bezeichnet. "Ich saß zu Haus', der Drumcomputer auf mei'm Schoß/ als mein Vater schrie: 'Mach was für die Schule, du Idiot'/". Schön anzuhören. "Nie mehr gehn" wäre wohl der perfekte Singlehit, seine Botschaft ist schnell erklärt: "Ich will nie mehr geh'n, gib mir ein Mic und ich bleib'". Ich bitte darum! "LMS 2012" mit Xavier Naidoo funktioniert als Outro optimal, wie man es von den bisherigen Alben von Savas eher weniger gewohnt ist. Vielleicht hätte sich der ein oder andere eine direkte Fortsetzung zu "Lutsch mein' Schwanz" gewünscht, vielleicht sogar auch ich. Mit dem Konzept hätte das aber weniger harmoniert, es ist also gut so, wie es ist.
Fazit:
Es mag theoretisch genügend Gründe geben, "Aura" nicht die seltene Höchstwertung zu geben: die eigene Raptechnik, den eigenen Flow und HipHop selbst als hauptsächliche textliche Inspirationsquellen und somit Themen. Um es mit Savas' Worten auszudrücken: "Lieber toter Rapper statt lebender Singer/Songwriter". Nicht jeder Track überzeugt voll und ganz. Na und? Einige dafür zehnfach. Das mittlerweile mehr oder minder abgenutzte "Inception"-Sample im Titeltrack, der poppige Sound auf "Nie mehr gehn", der fast schon kitschige Mädchenchor auf "Nichts bleibt mehr". Sei's drum, es funktioniert, und das nicht zu gering. Und allem voran die kurze Spieldauer von nur 35 Minuten – King Kool Savas bräuchte vermutlich keine zehn Sekunden, um von sich zu überzeugen. Alles in allem ist "Aura" vielleicht nicht das Album, das Deutschrap verändern und tausende kommende und bereits präsente Rapper grundlegend beeinflussen wird wie einst "Der beste Tag meines Lebens". Aber wäre das im derzeitigen Stadium Deutschraps überhaupt noch möglich? Wohl kaum. "Aura" ist vielmehr das Meisterwerk eines absoluten Großmeisters, der sein einzigartiges Talent und seine jahrelange Erfahrung endlich bestmöglich zur Schau stellt. Auf mehr als amtlichen Beats (unter anderem von DJ Smoove, Sir Jay und Melbeatz) flowt Kool Savas alles in Grund und Boden und liefert dadurch ein HipHop-Album par excellence ab – genau so, wie es verdammt nochmal auszusehen hat. Dieser Kerl ist schlicht und ergreifend Deutschrap in Person. Und spätestens jetzt steht wohl vollkommen außer Frage: "Muss ich euch wirklich noch was beweisen? Nein!"
(TonySunshine)
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