Review: Audio88 – Die Erde ist eine Scheide EP

01. Reiseführer
02. Die Erde ist eine Scheide feat. Yassin
03. Schmetterlingseffekt
04. Goldenes Licht feat. Fatoni
05. Fußnoten
06. 0170/88
07. Fuckmachine feat. Retrogott & Yassin
08. Spills Meinung feat. Morlockk Dilemma
09. Medizin
10. Danke

Heutzutage wird vielerorts behauptet, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Frauen trotz Emanzipation zu Sexualobjekten degradiert werden. Doch Audio88 denkt da augenscheinlich anders und setzt mit seiner neuesten Veröffentlichung "Die Erde ist eine Scheide" das weibliche Genital in Relation mit unserem blauen Heimatplaneten, dem Ursprung unseres Seins und dem Heimatort unseres Werdens. So erschließt sich mir jedenfalls der Subtext. Allerdings könnte ich hier natürlich auch nur eine weitere stupide Pornorapplatte mit tausenden ausgelutschten Reimen auf alle relevanten Geschlechtsorgane vor mir liegen haben, aber warum höre ich nicht einfach einmal hinein?

Ich muss gestehen, dass ich das erste Mal von Audio88 hörte, als dieser "Nichts" veröffentlichte. Dort fesselte er mich allerdings sofort mit Tiefgründigkeit und Weltverständnis. Genau so klingt auch der erste Track auf dieser EP. "Reiseführer" ist, auf den ersten Blick, eine Mischung aus scheinbar willkürlich aneinandergeketteten, pseudointelligenten Phrasen, die jegliche Reime missen lassen. Und das auf einen hervorragend produzierten düsteren und dramatischen Orgelfriedhofbeat. Auf den zweiten Blick auch, aber es ist trotzdem genial. Audio88 schafft es perfekt, einen Mix aus Kreativität und Genialität zu einer großen Einheit zu verbinden, die den Zuhörer fesselt und interpretieren lässt.

"Niemand soll am Kudamm über seinen ehemaligen Sportlehrer stolpern müssen/
Ich habe Christiane F. noch nie auf einer Postkarte gesehen/
Dabei verkaufte sich ihr Buch besser, als der historische Reiseführer/
Nannte man Hitler im Urlaub eigentlich Reiseführer?/"
(Audio88 auf "Reiseführer")

Leider bleibt das Technische dabei bisweilen etwas auf der Strecke, aber die Lyrik gleicht das monotone Geleier, das Audio88 des Öfteren fabriziert, vollständig aus. Doch auch der erste Featuregast sorgt auf dem Titeltrack "Die Erde ist eine Scheide" nicht gerade für Abwechslung. So bleibt Yassin themen- und raptechnisch nahe an seinem langjährigen Kollegen und präsentiert uns einen wilden Mix aus Gesellschafts-, Politik- und Religionskritik. Auch textlich lässt er sich nichts nehmen. Man höre und staune, da sind ja sogar Reime dabei. Find' ich gut. Das Instrumental rutscht mir hier aber etwas zu sehr in den Bereich Zirkusmusik ab. Auf "Medizin" werden uns diverse selbsterdachte Verschwörungstheorien geboten, verwoben mit ein paar Aussagen über das Sein und den Grund des Lebens. Das Ganze über einen Mortis One-Beat, der den – wieder mal – tiefgründigen Text gut bis perfekt unterlegt. Allerdings muss ich auch hier sagen: Hörgenuss ist etwas anderes. Denn dem Text zum Trotz klingt mir die Dissonanzenstimme Audio88' leider unangenehm in den Ohren, auch nachdem das Lied vorbei ist.

"Schade, dass man nur alle vier Jahre die FDP nicht wählen kann/
Aber so lange kann man sich das ja alles noch einmal überlegen/
Ob man an dem Tag nicht lieber gleich zu Hause bleibt/
Und im Internet nachschaut, wie man Briefbomben bastelt/"
(Audio88 auf "0170/88")

Zum Abschluss kriegen wir mit "Danke" den wohl persönlichsten und besten Track auf der EP geliefert. Ein verbitterter Audio88 mit Hass auf jeden und den Rest, unterstützt von Tillvision, der mit den melancholisch erklingenden Geigen eine ungeheure Atmosphäre schafft.
Mal abgesehen von Yassin – dessen Leistung ich hier aber gar nicht schmälern will und der auch erwünscht ist – sind die meisten Features willkommene Abwechslung, die mal mehr und mal weniger nötig ist. Fatoni representet munter und mit ansprechender Technik auf "Goldenes Licht", ohne dabei von der allgemeinen Attitüde der Platte abzufallen, während ein gut aufgelegter Morlockk Dilemma Syllabil "Spills Meinung" von den Spastiken anderer Rapper vertritt und Retrogott sich – wortgewand wie eh und je – auf "Fuckmachine" die Ehre gibt.

"Du Spast hältst von meiner Meinung nicht viel/
Doch du kriegst sie schwarz auf weiß, wie bei Heidi und Seal/"
(Morlockk Dilemma auf "Spills Meinung")

"Das Jammern auf hohem Niveau/
weiß wenigstens, wie man Niveau schreibt/"
(Audio88 auf "Spills Meinung")

Audio88 liefert uns hier eine sehr gute EP, die trotz mancher Längen doch einen textlichen Standard aufweist, den hier in Rapdeutschland wohl wenige überbieten. Die Featurepartner fügen sich perfekt ein und das gleichbleibend hohe Niveau vertröstet darüber hinweg, dass auch Audio88 überall gleichbleibend erklingt. Wobei man auch bei der Qualität der Lieder Abstufungen machen muss. So sind "Danke", "0170/88" und "Reiseführer" die schönsten Schaffenswerke dieser EP-Offenbarung, während "Fußnoten" – mehr Skit als Lied – sich im Gesamtbild mehr störend als wohltuend erweist. So kann ich dem Künstler trotz meiner Begeisterung aufgrund seiner technischen Mängel schweren Herzens leider nur 4 Mics geben.

(Enu)

[REDBEW]688 [/REDBEW]

"technischen Mängel" watt hööö? wieso ist s ein technischer mangel wenn das so klingt wie er das haben will?

Zitat

Original von Asur
tolle review, aufgrund dieser hab ich mir das mal gekauft und finds gut

Wundertolles Kompliment an die Review. :chu:

freut mich das sie euch gefällt.

Zitat

Original von Sichtwaise aka Masafakka
im großen und ganzen gelungene review, daumen hoch.

album wird gekauft, falls bis dahin noch platten übrig sind. für downloads zahl ich prinzipiell nix.

soweit ich weiss werden die platten noch garnicht verkauft sondern können immoment nur vorbestellt werden.