01. MONTY
02. STDTKDS
03. Gassi gehen
04. Sepia zu Gold
05. Webcam feat. P.r.z.
06. Trotzdem Gewinner feat. Crusoe
07. Du wolltest nur Bonnie & Clyde
08. Einmal gegen die Wand
09. Explosionsgeräusche
10. Geht, okay feat. Rockstah
11. Hauskindfrau
12. Nicht viel
13. Keine Zeitmaschine
Ahzumjot ist aufgestanden. Nachdem er längere Zeit mit "schlechten Menschen" auf seiner "Wohnzimmercouch" verbracht hat, wagt der Hamburger jetzt den nächsten Schritt. Scheinbar nicht, ohne einen wehmütigen Blick zurück auf die Couch zu werfen, benennt er sein Album nun nach MONTY, seinem den ganzen Tag faul herumliegenden Hund. Ob er heute mehr Motivation an den Tag legt? Bereits zu Beginn des Albums wird eine gewisse Atmosphäre spürbar. Sei es die Lethargie des Alltags, welche wohl kaum eine Stimme besser herüberbringen könnte als die von Ahzumjot, oder einfach der stille Wunsch, auch mal ein MONTY-Leben zu führen.
"Und wieder heißt es: Aufstehen für andere, Rausgehen für andere/
Wann und wo und was und wie ist anderswo verhandelbar/
Aber nicht zu verhindern/
Wir müssen zusehen, wie wir nichts tun für uns, aber alles tun für andere/"
(Ahzumjot auf "MONTY")
Ich möchte nicht großartig ausholen, inwiefern der Künstler hier den Nerv der Zeit trifft. Den Nerv, der besagt, dass wir alle rastlos sind und auf der Suche nach dem Sinn. Denn zum Glück ist es genau das, was Ahzumjot ebenfalls nicht ins Unerträgliche ausreizt. Sein Mittel gegen den musikalischen Verfall in depressionsartige Kompositionen? Selbstironie und Witz. Und dennoch bleibt der Hamburger dabei durch und durch ernst.
Im Anschluss an den Titeltrack folgt eine Beschreibung der klassischen, nichtstuenden "Stadtkids" ("STDTKDS"), in deren Reihen sich Alan nahtlos einfügt. Auch hier schafft er die Gratwanderung, trotz einer spürbaren Apathie nicht ansatzweise pessimistisch zu wirken. In der Tat wechselt Ahzumjot immer wieder zwischen dem Sehnen nach einem anderen Ort ("Gassi gehen") beziehungsweise einer anderen Welt und dem ironischen Beschreiben der eigenen. Nachdem man sich nach und nach bereits auf eine tiefgehende, leicht schwerfällige Reise durch das Album eingelassen hat, bricht der Rapper dann auf dem lockeren Stück "Webcam" mit "Schlechte Menschen"-Partner P.r.z. die bisher erzeugte Atmosphäre auf und verpasst es dennoch nicht, den Finger abermals auf gesellschaftliche Wunden zu legen. Die hier auftauchende, verspieltere Art tut dem gesamten Werk ebenso gut wie das darauf folgende "Trotzdem Gewinner" mit Kumpel und FIFA-Angstgegner Crusoe, der mit einem überragenden Part und seiner herrlichen Art, sich selbst nicht ganz ernst zu nehmen, dennoch Dinge anspricht, die viele von uns wohl exakt so empfinden.
"Kann vieles 'n bisschen, doch weniges gut/
Und ich tu', was ich kann, deshalb hab' ich wenig zu tun/
Ne, eigentlich tu' ich mehr als genug, mehr als ich muss/
Nur leider da, wo's am wenigsten nutzt/"
(Crusoe auf "Trotzdem Gewinner")
Dass man trotz aller Fehler als Gewinner gilt und sich nicht in depressive Zustände stürzt, ist für mich eine der bemerkenswertesten und schönsten Aussagen des Albums. An der Stelle, an der komplett auf Depression aufgebaute Platten für mich oftmals keinerlei Hoffnungsschimmer hinterlassen, sondern den Hörer in einem Trümmerfeld aus Zweifeln und Problemen des Künstlers, ist der hier angebrachte humorvolle Umgang die meiner Meinung nach bessere Lösung. Auch, wenn dieser Humor in vielen Tracks eher sehr subtil an den Mann gebracht wird, wie beispielsweise durch Querbezüge zu vorangegangenen Tracks ("Geht, okay" oder "Hauskindfrau").
Bis auf etwas Beihilfe von Levon Supreme produzierte Ahzumjot übrigens alles auf "MONTY" selbst. Das Ergebnis dieser Mischung sind durchweg wunderbare Instrumentals, die dann in "Du wolltest nur Bonnie & Clyde" ihr Highlight finden. Auch textlich ist die wahnsinnige Ehrlichkeit bei der Frage, ob man den Ansprüchen der Partnerin gerecht wird, mehr als überzeugend und ergibt einen herausragenden Track mit Gänsehautatmosphäre.
"Du brauchst Versicherung, alles in 'nem Safe/
Ich bin 'am Ersten gibt's Geld, am Zweiten ist es weg'/
Deine Kinder brauchen jemand', der ihnen Fußballspielen lehrt/
Ich kann ihnen zeigen, wie man im Unterricht fehlt/
Unterschriften fälscht, schulisch alles verkackt/
Du brauchst Schampus, ich bin Kaliskaya/"
(Ahzumjot auf "Du wolltest nur Bonnie & Clyde")
Ein weiteres gelungenes Detail des Albums sind die Featuregäste. So rundet nicht nur Crusoe, sondern auch Rockstah auf "Geht, okay" einen Track perfekt ab. Ob sie nun komplett ernst gemeint sind oder nicht: Die Eingeständnisse von einem Minderwertigkeits-Gefühl beim Vergleich mit "echten Rappern" wirken nicht nur authentisch, sondern überaus sympathisch. Denn keiner der Künstler auf "MONTY" entspricht einem Image des deutschen Standardrappers. Nein, alle gemeinsam wirken hier durchweg offener, aber auch ein ganzes Stück verletzlicher. Dabei wird die Zukunftsunsicherheit der Protagonisten meist versteckt durch Witz und der Blick gleichzeitig hämisch auf die gerichtet, welche dem Standardtrott des Lebens folgen ohne ihn zu hinterfragen (z.B. auf "Hauskindfrau"). Stimmig abgerundet wird das Ganze dann auf "Keine Zeitmaschine". Ein Track, auf dem mitten in der hektischen, beengenden Großstadtatmosphäre die zu Beginn gewünschte Verwandlung in MONTY vollzogen wird.
Trotz allem Lob: Es begeistert mich nicht alles von Anfang bis Ende. Die Hook von "STDTKDS" finde ich zu simpel. Der Bruch mit den Standardreimschemata durch das teilweise komplette Weglassen von Reimen ist für den Ottonormalhörer wie mich zu Beginn noch gewöhnungsbedürftig, wenngleich so ein Aufbruch der Formen doch eigentlich mehr als wünschenswert ist. Insgesamt ist die Entwicklung von Ahzumjot aber derart positiv und überzeugend, dass sämtliche minimal empfundenen Schwachstellen davon ausgemerzt werden.
Fazit:
Der Sprung von der Wohnzimmercouch in die Oberklasse der Charts mag Ahzumjot mit dem Album noch nicht direkt gelingen. Dass er als einer der Hoffnungsträger für die nächsten Jahre gilt, hat allerdings seine berechtigten Gründe. Zwar war der Entertainmentfaktor auf den vorherigen Releases bereits sehr hoch, jedoch wirkte das Gesamtkonzept nie derart durchdacht und durchstrukturiert. Und wo es in den letzten Jahren immer schwieriger scheint, als Künstler die so wichtige eigene "Sparte" zu finden und abzudecken, scheint Ahzumjot sich glücklicherweise doch noch seinen Platz gesichert zu haben. Bleibt zu hoffen, dass sich Al Julian Asare nicht demnächst Hollywood-reif in einen MONTY verwandelt und wir zukünftig noch mehr von ihm hören dürfen.
(Niklas Potthoff)
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