01. Abszflowsz
02. Untergrund Rabsztar
03. Hör mich tod
04. Schützer des Glüx
05. Back in the daysz Skit
06. Nurn biszchen
07. Tanadug
08. Egoszhooter
09. Diamantgeiszt
10. Karma
11. Goldständer
12. Lieblingszmensch
13. Nichtsz weiter als ein Mensch Skit
14. Heil wenn ich rappe
15. Regenbogenkörper
16. Strahlenglansz
17. Übertragungszlinie
18. Geist ist geil
19. Rapmutant Klasse fünf
20. Hot Szhit Outro
Was ist eigentlich Musik? Ich denke, mit einer grundlegenderen Frage kann man eine Plattenkritik kaum einläuten. Ist es die Aneinanderreihung verschiedener Töne irgendwelcher Instrumente, und vor allem – muss diese eine stimmige Melodie ergeben? Dass es auch anders geht, hat uns Arnold Schönberg mit seiner für meinen Geschmack um Welten zu grotesken "Zwölftonmusik" bewiesen. Trotzdem: wurde akzeptiert, Geschmäcker sind nun mal verschieden. Muss überhaupt eine musikalische Untermalung vorhanden sein, oder kann man auch reinen Gesang als Musik bezeichnen? Antwort: ja, siehe Vokalmusik. Und schlichte Sprache? Einfach irgendwelche Sätze vom Stapel lassen? Kann so etwas überhaupt als Musik durchgehen? Prinzipiell reihen sich auch hier Töne aneinander, aber würden wir die Predigt eines Priesters nun als Musik ansehen, selbst, wenn sie von einem seichten Orgelspiel aus der letzten Ecke einer Kathedrale untermalt werden würde? Ich glaube nicht. Und nein, dieser Vergleich ist alles andere als weit hergeholt, denn Absztrakkt erinnert mich mit dem, was er macht, genau daran. Wenn ich "Diamantgeiszt" höre, habe ich tatsächlich das Gefühl, hier eher einem Prediger denn einem Musiker zu lauschen. Vielleicht auch einfach einem Künstler, der beides so geschickt verbindet, dass er schon gar keinem Genre mehr zuzuordnen ist. Absztrakkt ist anders. Absztrakkt ist – Achtung, unlustiges, ausgelutschtes Wortspiel – abstrakt. Und genau das zeichnet ihn aus.
"Du willst von mir neue Songs/
Die alten kennst du alle schon/
Aber hast du sie auch verstanden?/
Nein, sonst würdest du anders handeln/"
(Absztrakkt auf "Abszflowsz")
Dabei sollten zunächst ein paar Grundlagen geklärt werden, die maßgeblich in Absztrakkts Musik einfließen. Und zwar die des Buddhismus – Dharma ("Die Lehre"), Karma (Ursache und Wirkung), Samsara (der Kreislauf des Lebens), Wiedergeburt und Erwachen sowie Meditation sind nur einige wichtige Eckpfeiler dieser Religion, die der 58Muziker auch auf "Diamantgeiszt" zu jedem Zeitpunkt zelebriert. Ja: Zu jedem Zeitpunkt, denn keine einzige der 20 Anspielstationen kommt ohne das Einfließenlassen eines Elements besagter Religion aus. Diese außergewöhnliche Themenwahl sowie Absztrakkts Art zu flowen, machen ihn gleich in zweierlei Hinsicht zu einem der musikalisch wohl umstrittensten – gut, nennen wir ihn jetzt halt mal so – "Rapper" Deutschlands. Denn, und das soll nun bei Weitem kein Vorwurf sein, Absztrakkt rappt nicht. Kurze Gedankenpause. Wirklich: Er rappt einfach nicht. Er erhebt seine Stimme, steckt wahnsinnig viel Power, Energie und Aggressivität hinein, zückt immer die richtigen Worte aus seinem in Rapdeutschland wohl einzigartigen Vokabular (im Ernst: Wer sonst verwendet Worte wie "Medizinbuddha", "babylonischer Alltag" oder "Erleuchtungsgeist" so stilsicher?) und peitscht dann seine lyrischen Ergüsse über die Beats, deren Drumsets das auch immer wunderbar unterstützen. Aber das Ganze ähnelt dann doch mehr lauter Sprache und keinem Sprechgesang. Und trotzdem sieht man einfach darüber hinweg. Eigentlich möchte ich sogar behaupten, dass Absztrakkt der einzige deutsche – wieder dieses unpassende Wort – "Rapper" ist, der es schafft, ein komplettes Offbeat-Album aufzunehmen, auf dem er trotzdem an jeder Stelle onpoint klingt und seine Messages deutlicher rüberbringen kann als jeder andere. Aber auch darauf hat er natürlich die passende Erklärung: "Warum hör' ich mich so kraftvoll an? [...] Ganz einfach: Ich rapp' aus dem richtigen Grund." (Absztrakkt auf "Hör mich tod") Den präsentiert er dann wenig später auch:
"Ich will mit meiner Musik sowieso keine Fans/
Ich will Gleichgesinnte erreichen – ich will nur Friends/"
(Absztrakkt auf "Nurn biszchen")
Dabei bauen seine Aussagen, wie bereits erwähnt, stets auf den Lehren des Buddhismus auf: "Akzeptiert eure Beschränktheit und Unwissenheit." Der erste Schritt in Richtung Erleuchtung, denn nur, wer klar sieht, kann auch etwas ändern. "Die Lüge wird gelehrt und es wird sich oft für sie stark gemacht – genau so funktioniert unsere heutige Marktwirtschaft" (Absztrakkt auf "Diamantgeiszt"). Auf so gut wie jedem Track vernimmt man mehr als nur eine Zeile, die sich als unglaublich tiefgründig erweist und die mich tatsächlich in ein meditationsähnliches Nachdenk-Stadium versetzen kann. "Diamantgeiszt" beinhaltet so viel Wahrheit, die die Grundlagen und einfachsten Dinge unseres heutigen Lebens, Normen und Werte, anzweifelt. Doch egal, wie oft er mich durch solche Aussagen und philosophischen Messages auch zum Grübeln bringt – es gibt da immer noch so ein paar Textpassagen, auf die ich mich schlichtweg nicht einlassen kann. Etwa, wenn er mir auf "Karma" tatsächlich weißmachen will, dass seine Groupies sich nach dem Oralverkehr mit ihm – hier als "Direktübertragung" bezeichnet – zu Kolibris transformieren und "Auszüge seiner Poesie" in die Stadt hinaustragen. Oder wenn er zugibt, dass sein einziger Freund als Kind ein gezeichneter Mogli aus dem "Dschungelbuch" war, der ihn über "geistige Logik, die Befreiung der Yogi und die Prophezeiung der Hopi" unterrichtet hat und dessen Weisheiten er nun – ähnlich wie bei Moses und dem Dornbusch – verbreiten will. Aaah ja, alles klar! Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht erleuchtet genug, um das alles zu verstehen. Genauso verwirrt mich der Titel "Goldständer" ein wenig, geht es in dem gesamten Song doch nur um sein "genau richtiges" Geschlechtsorgan, mit dem er der Frauenwelt endlose Freude bescheren will ("Wir haben den Körper, um damit Freude zu geben"). So wirkt der Track irgendwie leicht deplatziert im Albumkonzept. Sicher, für eine etwas lockerere Atmosphäre sorgt er allemal, denn hier bekomme ich ausnahmsweise mal nicht an den Kopf geworfen, wie unerleuchtet und unwissend ich doch eigentlich bin.
"Wo ist denn dein Ich? – Irgendwo in deinem Leib?/
In deinem Arm, in deinem Schwanz, in deinen Organen, in deinem Bein?/
In deinen Gefühlen oder Gedanken? Hinter deiner Maske?/
Hast du's an die Garderobe gehangen, zusammen mit deiner Jacke?/
Du willst es nicht finden, du hast dich belogen/
Das Schlimme ist: Die Beschränktheit haben wir uns selbst anerzogen/"
(Absztrakkt auf "Diamantgeiszt")
Sogar im wohl persönlichsten Track spielt der Buddhismus eine wichtige Rolle: Auf "Lieblingszmensch" gesteht Absztrakkt seiner Freundin ein, sie in der Vergangenheit äußerst schlecht behandelt zu haben, ja, sie sogar mit einem Groupie betrogen und diesen dann geschwängert zu haben. Dass sie ihm wohl verziehen hat, erkennt man alleine daran, dass sie selbst mit einigen Sätzen auf dem Titel mitwirkt. Und natürlich hat der Künstler auch aus dieser Erfahrung eine Konsequenz für sich gezogen: "Über einen Unterschied hab' ich viel gelernt: Ob man den Schwanz in eine Frau steckt oder das Herz." Rührend ausgedrückt! Dennoch: Mit der Zeit wird man diesen ständigen Moral- und Selbstfindungsfloskeln einfach überdrüssig, denn die Aussage von "Diamantgeiszt" hatte ich bereits spätestens nach der Hälfte der LP akzeptiert. Akzeptiert, nicht verstanden, um noch einmal auf das Intro hinzuweisen.
Die Instrumentals, für die sich allesamt das Produzententeam Influenza's Finest, bestehend aus den beiden Beatbastlern Tosh und SiebZehN aus Hannover, verantwortlich zeichnet, könnten passender nicht sein und heben sich deutlich vom Rest der Beats, die von Genrekollegen so verwendet werden, ab. Stets scheppern die Drumsets nur so über mystische Melodien, die oftmals an indische Musik erinnern. Diese typische Art von Musik, die man mit Wahrsagern und Magiern in Verbindung bringt. Passt wie die Faust aufs Auge, dennoch: Der gesamte Klangteppich ist angesichts von Text und Technik des Hauptprotagonisten nicht mehr als eine feine Zugabe, die das Album letztendlich noch einmal abrundet.
Fazit:
Absztrakkt ist anders. Absztrakkt ist für mich kein durchschnittlicher Rapper oder Musiker: Er ist ein Künstler, und was er macht, ist beeindruckend. Er erklärt die Welt anhand des Buddhismus, gibt mir Lebensweisheiten mit auf den Weg, die mich aus der Unwissenheit führen sollen und bringt seine Predigten auch noch anspruchsvoll rüber. Und auch, wenn sich einige Passagen für mich hin und wieder nach Nonsens anhören oder ich hier und da echt mal genug von diesen ganzen Ratschlägen, mein Karma zu bereinigen, habe, denke ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin – auf dem "Pfad der Erleuchtung". Danke dafür. "Ich rapp' schon lang' nicht mehr – ich erklär'" heißt es da auf dem Titel "Regenbogenkörper". Ich für meinen Teil lausche diesen Erklärungen gerne. "Geist ist geil!"
Pascal Ambros (ProRipper)
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