Review: Nate57 – Auf der Jagd



  • 01. Intro
    02. Wie ein Ninja
    03. Sie's ne Bitch
    04. So gut wie es geht
    05. Was willst du tun
    06. Die Chronik
    07. Mach Platz
    feat. Telly Tellz & Collin
    08. Scheiß auf den Rat
    09. Mach es richtig
    10. Süchte
    11. Wo ist er jetzt
    feat. Babacan
    12. Ware ausm Hafen
    13. Auf der Jagd
    14. Jackpot
    feat. BOZ
    15. Hardcore
    16. Lehn dich zurück
    feat. Telly Tellz
    17. Stück vom Kuchen


    Es ist dunkel geworden, der Regen peitscht mir ins Gesicht und hier und da höre ich Menschen um mich herum laut fluchend über die Straße laufen. Wie jeden Freitag Abend sehe ich die verschiedensten Personen aus den Kneipen torkeln oder klammheimlich, mit hochgestecktem Hemdkragen und geröteten Wangen, aus einem der unzähligen Laufhäusern dieser Stadt kriechen. Während ich gedankenverloren meinen Weg gehe, streicht mein Blick über die armen Seelen der Obdachlosen hinweg, die am Straßenrand vor sich hinvegetieren und entweder besoffen oder auf Droge alleine im Dreck liegen. Plötzlich höre ich laute Schreie und sehe an der nächsten Straßenecke eine riesige Menschentraube. Neugierig nähere ich mich dem Ganzen, bis ich sehe, was die Menschen dort zum Glotzen animiert: Zwei rivalisierende Gruppen liefern sich mitten auf der Straße eine wüste Schlägerei und keiner der zuschauenden Personen traut sich, einzugreifen oder die Polizei zu rufen. Angeekelt drehe ich mich um. Ja, Hamburg hat sich verändert. Damals, zu Eimsbushzeiten, war Hamburg ruhig und gesellig. Das Bild, das die Jungs von Rattos Locos, allen voran Nate57, von dieser Stadt zeichnen, ist dunkel und Grauen erregend. Nebel durchzieht die Straßen, während die Ratten im Dickicht sitzen und lauern. Sie warten auf Beute. Sie sind "auf der Jagd".


    Etwas mehr als ein Jahr ist es nun also her, dass Nate57 mit seinem Debütalbum "Stress aufm Kiez" überraschenderweise in die Charts einstieg und jeden Hörer überraschte, der Hamburg Straßenrap-technisch nicht mehr auf der Karte hatte. Und jetzt ist er zurück mit einem Mixtape im Gepäck, bestehend aus seinen Lieblingsbeats. Inhaltlich hat sich nichts geändert. Auch dieses Mal geht es wieder ums Para machen, Bordsteinschwalben begatten, Gegner beg... ficken. Dass thematisch alles beim Alten geblieben ist, zeigt uns schon das "Intro". Beattechnisch irgendwo angesiedelt zwischen Dubstep, Grime und Reggae, geht der Sound unweigerlich nach vorne, während Nate eben tut, was er halt so tut.


    "Ich komm' von der Gegend, wo Züge entgleisen/
    Hier darfst du Gefühle nicht zeigen/
    Verlassene Häuser, besprühte Scheiben/
    Kapuzenpullover, ich muss anonym bleiben/
    "
    (Nate57 auf "Intro")


    Nates hektischer Staccato-Flow brennt sich quasi direkt in die Gehörgänge und dabei ist es fast schon nebensächlich, was er denn da genau rappt – es fesselt ungemein. Die Stimme ist tief und maskulin, die Texte ehrlich und gewaltverherrlichend. Neben Fler und Sido konnte sich Nate im letzten Jahr beispielsweise auch von Farid Bang Props für seinen Stil abstauben und das kommt wohl nicht von ungefähr. Dreckig kommt auch der Beat von "Wie ein Ninja" aus den Boxen gekrochen, und Nate passt sich der musikalischen Untermalung inhaltlich an. Auch "Was willst du tun" auf dem "Act A Fool"-Beat von Ludacris oder "Mach Platz" (feat. Telly Tellz & Collin) gehen thematisch in die gleiche Richtung, nämlich direkt auf die Nase. Batz. Drogen, Gewalt, Drogen, Frauen, Gewalt. Die Themen, die Nate abdeckt, sind bei Gott nichts Neues, zu oft hat man das alles schon gehört. Allerdings klingt es bei ihm irgendwie anders als gewohnt. Zu authentisch, zu detailliert sind die Geschichten, die Nate erzählt und das ist wohl gleichzeitig seine größte Stärke, seine Kredibilität. Mit dem typischen Straßenslang und den ganzen Details habe ich das Gefühl, dass er ganz genau weiß, wovon er spricht, wenn er dem Hörer quasi ein Handbuch für die Straße diktiert ("Mach es richtig") oder sich ausgiebig über Drogendeals ("Ware ausm Hafen") auslässt. Und das führt dazu, dass sich vor meinem geistigen Auge ein kleiner Film abspielt, den Nate gekonnt mit seinen Stories und seiner druckvollen Art zu rappen zu lenken weiß. Nate, der sich selbst als "Kriminellen mit Prinzipien" bezeichnet, weiß Bescheid. Jetzt könnte man als argwöhnischer Hörer misstrauisch in die Runde werfen: Warum verzichtet er dann auf das viele Geld und versucht stattdessen, mit der Musik bekannt zu werden? Na ganz einfach:


    "Ich hätte die Möglichkeit, um noch tiefer einzusteigen/
    Man riecht Geld in der Luft, heiße Meile/
    Viele Junkies und tausend Nutten/
    Aber würd' ich Hero ticken, könnte ich meiner Mama nicht mehr in die Augen gucken/
    "
    (Nate57 auf "Mach es richtig")


    So einfach ist das. Neben besagten Tracks gibt es auf dem Album allerdings auch noch weitere, andere Themen behandelnde Tracks. So geht's auf "Scheiß auf den Rat" oder "Stück vom Kuchen" recht sozialkritisch zur Sache, allerdings natürlich alles aus Nates Perspektive. Dass der Staat nicht hilft und man sich in den Drogenverkauf stürzen muss, bleibt fragwürdig. Und wer sich extra Boxerschnitt und Bomberjacke zulegt, braucht sich halt auch nicht wundern, wenn er komisch angeguckt wird auf der Straße. Bei Sätzen wie: "Bin es leid, anderen Leid zuzufügen, damit's mir gut geht", rollen sich mir die Zehennägel auf, schließlich leben wir hier in Deutschland, einem der reichsten Ländern der Welt, in dem Demokratie herrscht und jeder frei handeln kann, wie er möchte. Jeder ist für seine Bildung selbst verantwortlich, Faulheit wird eben bestraft. Aber egal, lassen wir das und widmen uns wieder Nates Mixtape. Denn hier geht's autobiographisch auf "Die Chronik" um Nates Jugend, bevor er auf "Süchte" auf einem Brett von Pianobeat erstmals auf diesem Mixtape seine Skills als Storyteller auspackt. Genau wie auch auf "Wo ist er jetzt" (feat. Babacan) geht es um Menschen, die an Drogen, Sex oder Gewalt zugrunde gehen.


    In meinen Augen war Nates größtes Problem bisher, dass er sich zu verkrampft, zu engstirnig nur auf das Beschreiben der negativen Dinge versteift hat und nie seine humorvolle Seite ans Tageslicht kam, doch damit ist jetzt Schluss. Sowohl die Skits auf "Jackpot" (feat. BOZ), als auch die Parts auf "Sie's ne Bitch" zeigen, dass auch harte Hamburger Jungs Humor kennen und wissen, wie man sich amüsiert. Während Nate auf "Jackpot" – auf dem BOZ übrigens einen Bombenpart zum besten gibt – noch den feierwütigen Frauenheld mimt, geht es im zweiten Track um eine Discoschlampe, wie man sie kennt (und manchmal auch liebt):


    "Man trifft sie in jeder Disco/
    Halbnackt geht sie ab, doch für sie ist nichts los/
    Vermieter beschwer'n sich, kündigen fristlos/
    Weil sie zu viele Jungs zu sich holt/
    "
    (Nate57 auf "Sie's ne Bitch")


    Fazit:
    "Auf der Jagd" erfindet das Rad nicht neu. Alles, worüber Nate hier rappt, hat man in ähnlicher Art und Weise schon oft gehört. Auch auf diesem Mixtape wiederholen sich die Themen teilweise Track für Track, die Kernaussage bleibt die gleiche, nur der Beat ändert sich. Raptechnisch ist das hier ebenfalls keine Offenbarung. Allerdings strahlt Nate das Charisma eines langjährigen Gewaltverbrechers aus und entertaint durch seine Härte und der detaillierten Beschreibung diverser Vorgänge maßlos. Das ist Straßenrap, wie man ihn gerne hören möchte – dreckig, brutal und unverschämt. Zudem habe ich das Gefühl, dass sich der Hamburger technisch verbessert hat. Jedenfalls schließt das Mixtape nahtlos an seine älteren Releases an und wer Nate57 davor schon gemocht hat, wird auch "Auf der Jagd" lieben. Versprochen. "Mayday ella eh eh. Brrrr."



    (Erich Unrau)

    [REDBEW]660 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=660 [/reframe]
    [azlink]Nate57+%96+Auf+der+Jagd [/azlink]

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!