Review: Reason – Weiße Jungs bringen's nicht



  • 01. Ein Neger
    02. Wähl die 1-1-0
    03. Homie feat. Fler & Silla
    04. Wo ich herkomm
    05. Mein Namen
    06. Maskulin 2010 feat. Silla
    07. Kampf ums Überleben feat. B-Lash
    08. SIDM feat. Fler
    09. Cypher feat. Fler & Silla
    10. Meine Realität feat. Nyze
    11. Ich bin er feat. A.R. Benjamins
    12. Die Bombe feat. Fler & Silla
    13. Mein Geld feat. Silla
    14. Lass sie quatschen feat. Tash
    15. Maskulin ist im Gebäude feat. Silla & Fler


    Da ist es also, das neueste Mixtape "Weiße Jungs bringen's nicht" von Flers Protegé Reason. Propagiert wurde das Mixtape durch die hierzulande alteingesessene Promoschiene: Greife grundlos andere Rapper an, nimm dazu ein Video auf und stelle es als Exclusive bei einem deiner Lieblingsmagazine online. Nach einem kurzen verbalen Schlagabtausch mit Summer Cem erhofft sich der Gute nun durch das Mixtape etwas Wirbel um seine Person. Kann er haben. Hoffentlich ist er schwindelfrei.


    Dass das Umfeld eines bekannten Rappers auch zum Mic greift, kennt man ja. Jay-Z hatte Memphis Bleek, 50 Cent seine G-Unit, Busta Rhymes Spliff Star und Fler hat eben Reason. Was allgemein als "Weed Carrier" bezeichnet wird, ist schlicht und einfach der Handlanger für den ungeliebten Kleinkram. Nichtsdestotrotz vereinen all diese Begleit-Rapper eine Eigenschaft: Ihre Rapskills lassen zu wünschen übrig und Mainstream-Erfolg ist quasi kaum vorhanden. Aber wie verhält es sich bei Reason? In seinem Fall ist es eben das Verkaufen von Merchandise in Flers eigenem Laden. Aus Dankbarkeit darf Besagter nun auch mal rappen. Schauen wir uns doch einfach mal sein neuestes Werk etwas genauer an.


    Das im Vorfeld veröffentlichte Video zu "Wähl die 1-1-0" ist charakteristisch für das ganze Mixtape: um Promo zu machen, werden Rapper gedisst. Klingt bekannt? Ja, denn das haben wir in ähnlicher Form schon häufig miterlebt. Nur oftmals mit viel besserer Umsetzung. Aber egal. Konzentrieren wir uns auf das Tape. Schon im Intro langweilt Reason mit schlechten Reimen und gigantischer Überheblichkeit:


    "Jetzt bin ich am Rappen und Leute wollen über Reason reden/
    Ob ich ma' ruhiger werde? Vielleicht in meinem nächsten Leben/
    Doch jetzt ist nicht die Zeit dafür/
    Denn es ist an der Zeit, dass jeder Zweite meine Meinung hört/
    "
    ("Ein Neger")


    Ganz ehrlich? ...! Auch die Wortwitze über Farbige kommen bei mir nicht an. Schon zu oft gehört. Zudem stellt sich mir die Frage, ob es wirklich notwendig ist, sich auf seine Hautfarbe zu reduzieren, um sich zwanghaft ein Image anzueignen. Einziger Lichtblick ist Reasons leicht asoziale Ader, die hin und wieder ans Tageslicht tritt, wenn er machohaft Sprüche raushaut. Kann man sich ja mal anhören, auf Dauer langweilt es aber stark. Der nächste Track ist der schon in der Einleitung besprochene Track "Wähl die 1-1-0", auf dem Reason explizit Selfmade Records angreift:


    "Keiner deiner Rapper ist ein Schwarzkopf/
    Also, Slick, sieh es ein: Dein Label hat mehr scheiß Output als mein Arschloch/
    Fler sagt: 'Scheiß auf die Affen und lass Geld machen'/
    Selfmade, Opfercamp. Maskulin, Weltklasse/
    "
    ("Wähl die 1-1-0")


    Willkommen im Jahr 2010, in dem jeder, der nichts zu sagen hat und auch sonst nicht durch Individualität und Persönlichkeit punkten kann, andere Rapper disst, um wenigstens mal für einen Tag in den Medien Welle zu schieben. Weiterhin umschreibt der Protagonist in "Wo ich herkomm" seine Gegend und zeigt das aus seiner und der Sicht der Bewohner sehr triste Leben im Block auf. Auch der obligatorische Samy Deluxe-Diss darf natürlich nicht fehlen. Gehört ja quasi zum guten Ton auf Deutschlands Straßen. Doch leider muss ich sagen, dass das alles ein bisschen wie aus dem HipHop-Gangster-Formelbuch abgeleitet klingt. Promi-Diss in der Hook: check. Vokabeln wie "Plattenbau" und "Asphalt": check. Beleidigungen und sonstige Schimpfwörter: check. Auf "Homie" eröffnet Fler dann herrlich prollhaft seinen Vers, bevor sich auch Silla dem textlich nicht vorhandenen Niveau anpasst und seinen Part gewohnt kompromisslos einrappt. Ich persönlich kann mit diesem Sound extrem viel anfangen, die Aggressivität in der Stimme und die expliziten Texte gefallen. Im Vergleich dazu klingt Reasons Part einschläfernd und total irrelevant. Seine Stimmlage könnte noch aggressiver, noch druckvoller sein. Auch auf textlicher Ebene ist tote Hose. Auf "Mein Namen" äußert er sein Missfallen über die deutsche Rapszene:


    "Denn ich such' keine Freundschaft im Rapgeschäft/
    Ich spuck' auf dich und dein' Technorap/
    Ich spuck' auf dich und für was du stehst/
    Maskulin ist die Gang, Reason das Problem/
    "
    ("Mein Namen")


    Nun folgen ein paar Tracks, die sich thematisch auf Sex, Gewalt und das Überleben auf der Straße beschränken und ich beginne mich zu langweilen. Um so charakteristischer ist folgende Line:


    "Man, die sagen, ich soll klarkomm'/
    Weil die Scheiße fressen, während ich mein' schwarzen Arsch sonn'/
    Und sie nichts erreichen, während ich Texte nur hinrotze/
    Medien haben recht, neun von zehn Rappern sind Fotzen/
    "
    ("Cypher")


    Ganz genau so sieht es aus. Jeder Text des Protagonisten wirkt wenig durchdacht, Punchlines existieren quasi nicht. Die Reime sind – wenn überhaupt vorhanden – unsauber und äußerst simpel gestaltet. Der Inhalt des Mixtapes ist schnell erzählt. Stories über triste Plattenbauten, die Perspektivlosigkeit der Anwohner, den grauen Asphalt im Viertel, harte Drogen oder Gewalt und Armut am Block: Haben wir in ähnlicher Form alles schon mal gehört. Mal vom stark polarisierenden Rapper mit Echo Award, mal vom "Haus" auf "Maus"-reimenden MySpace-Rapper von gegenüber. Peinlich ist auch, dass sich der Protagonist von seinen Gästen in Grund und Boden rappen lässt. Vor allem neben Silla, der hier nun wirklich nicht seine besten Lines auspackt, wirkt er deplaziert und überfordert. Stellenweise hatte ich sogar Mitleid mit ihm, schließlich leidet er diesem Mixtape nach zu urteilen stark am sogenannten Tourette-Syndrom. Seltsam, da ich ihn aus diversen Videos als ruhigen und netten Mann hinter Fler kennengelernt habe, er sich hier im Mixtape also entweder komplett verstellt und krampfhaft auf harten Gangbanger macht, oder mein Eindruck einfach vollkommen falsch war. Seine Featureliste, auf der sich neben Silla oder Fler auch Nyze, B-Lash, A.R. Benjamins und Trash tummeln, spricht allerdings für sich. Für Reason spricht zudem sein Charisma sowie die tiefe, basslastige Stimme, die seine Inhalte unterstreicht und mehr oder weniger glaubwürdig erstrahlen lässt. Umso überraschender ist "Ich bin er", auf dem A.R. Benjamins eine gesungene Hook beisteuert. Auch Reason selbst rappt ungewohnt gefühlvoll und gesteht einer Unbekannten seine Liebe. Im Kontrast dazu geht es im nächsten Track ("Die Bombe") zwar auch wieder um das weibliche Geschlecht, dieses Mal allerdings als Lustobjekt im Club. Machohafte Sprüche folgen auf post-pubertäre Sexphantasien. Auch so manch gespitteter Reim wie zum Beispiel "Bombe" auf "Bombe" (Silla) verdeutlicht die Ideenlosigkeit der Südberlin Maskulin-Crew auf diesem Track. Scheinbar hat Fler seinen Protegé auch in die Kunst der autotune-gepimpten Hooks eingewiesen, denn in "Mein Geld" singt sich Reason in gewohnter Fler-Manier durch den Refrain und um Kopf und Kragen. Möglicherweise hat wohl "Death of Autotune" von Jay-Z letztes Jahr einen weiten Bogen um Berlin gemacht...


    Fazit:
    Gerne würde ich an dieser Stelle etwas anderes behaupten, aber: Reason ist ein Straßenrapper unter vielen, der durch keine Besonderheit hervorsticht, und auch nicht mit Technik oder neuartigen Themen zu überzeugen weiß. Dazu kommt noch, dass er keine eigenen Ideen hat – er bedient sich ganz frech bei allen anderen. Von Fler hat er sich die Inhalte und den Flow geliehen, und bei der Sache mit dem Dissvideo vor dem Release (um etwas Welle zu schieben), da bedient er sich gefühlt bei ganz Rapdeutschland. Aber: Was bei Fler und den anderen funktioniert, muss nicht automatisch auch bei Reason klappen. Und so hinterlässt das Mixtape beim Hören einen faden Beigeschmack, denn ich persönlich hab' mir mehr erhofft. Dass Reason es besser machen kann, hat er schon des Öfteren bewiesen. So scheint es auch kein Zufall zu sein, dass er vor kurzem sein Karriereende als Rapper bekannt gab. Statt mit einem lauten Knall tritt er nun ganz leise von der Bühne. Seine These, dass es weiße Jungs nicht bringen, konnte er meiner Meinung nach jedenfalls nicht belegen. Genauso wenig wie den Platz in meinem CD-Player.



    (Erich Unrau)

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  • Wenn ich so die Tracklist lese frag ich mich ob das jetzt ein Reason Solo Album ist oder ein Reason, Fler und & Silla Album.

  • Zitat

    Original von Florginal
    Was isn das fürn scheiß Rassist.
    Wenn da einer mit nem Album namens "Schwarze Jungs bringen's nicht" kommen würde, dann wär gleich wieder Schicht im Schacht.


    hahaha Meine ursprüngliche Review endete mit den Worten: "Und mein Fazit lautet: Auch farbige Jungs bringens nicht" bzw. irgendwie so in der Richtung, musste das aber wieder rausnehmen ;)

  • Zitat

    Original von beatlejuhz


    hahaha Meine ursprüngliche Review endete mit den Worten: "Und mein Fazit lautet: Auch farbige Jungs bringens nicht" bzw. irgendwie so in der Richtung, musste das aber wieder rausnehmen ;)


    Ihr wisst schon das Reason sich auf den Film "Weiße Jungs bringens nicht" mit Wesley Snipes bezieht?


    Das er aufhört zu rappen ist jetzt kein großer Verlust für mich, aber diesen Summer Cam Diss fand ich ganz gut. Auch wenn Summer besser war meiner Meinung nach. Vielleicht hör ich aber mal rein.

  • Schade, das wär doch ein amüsantes Schlusswort gewesen :D
    Naja, von Reason fast gar nichts mitbekommen außer einem Fler feat und dem Summer Diss. Fand ihn schwach :D


    btw, glaub nur "Was kostet die Welt" von Eko hatte eine NOCH SCHLECHTERE bewertung

  • der Titel...



    kommt von einem Basketballfilm, wurde von Fler vorgeschlagen und provoziert zwar erstmal, ist allerdings nicht rassistisch gemeint ;)


    Ich finde die Rassismus-Vorwürfe in Hip Hop Deutschland immer lustig... ich kann nur sagen wie es hier in Berlin ist - aber da ist es einfach mal krass egal ob du schwarz, weiß braun oder gelb bist... grade was hip hop angeht gibt es da keinen rassismus! und da fällt reason als Berliner definitiv mit rein ;)
    aber lasst uns lieber übers album und die review reden!

  • Zitat

    Original von LongJohnSilver
    der Titel kommt von einem Basketballfilm, wurde von Fler vorgeschlagen und provoziert zwar erstmal, ist allerdings nicht rassistisch gemeint ;)


    Ey lass uns mal nen provokanten Titel nehmen fürs Mixtape und uns wahllos durch die Gegend dissen, um hier und da ein wenig Aufmerksamkeit abzugreifen..


    ..die dann eben recht schnell in Desinteresse oder gar ein gewisses Mitleid respektive (unbeabsichtigtes) Amüsement umschlägt. So klingt die Review und das, was ich bisher gehört habe.

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