Review: Marteria – Zum Glück in die Zukunft


  • 01. Endboss
    02. Verstrahlt feat. Yasha
    03. Amy's Weinhaus
    04. Du willst streiten
    05. Wie mach ich dir das klar
    feat. Jan Delay
    06. Marteria Girl
    07. Louis
    08. Kate Moskau
    09. Alles verboten
    feat. Casper
    10. Veronal (Eine Tablette nur) feat. Miss Platnum
    11. Seit dem Tag als Michael Jackson starb
    12. Sekundenschlaf
    feat. Peter Fox
    Bonus-Tracks:
    13. Zum König geboren
    14. Neue Nikes
    15. Maradona Shirt


    ___________________________________________________________


    Review von Pascal Ambros (ProRipper):


    Zuletzt durften K.I.Z. es vor ein paar Jährchen erleben: einen unglaublichen Hype, den Top Ten-Einstieg in die deutschen Albumcharts und den eigenen Namen auf jeder zweiten Facebook- oder StudiVZ-Seite unter dem Punkt "Was ich höre". Und da war es egal, ob Metalhörer, Punk oder Tokio Hotel-Fan – deutscher Rap kam genreübergreifend gut an! Wenn man sich in den heutigen Tagen durch Profile sogenannter "Social Networks" klickt, wird man nun jedoch auf einen anderen Namen stoßen: Marteria. Denn der Greenberliner, auch bekannt unter dem Namen Marsimoto, hat es geschafft, spätestens seit seiner Single "Verstrahlt" das Gesprächsthema überhaupt zu sein. Jedes Teeniegirl gibt sich als "Marteria Girl", jeder noch so harte Slipknot-Fan hat Marteria unter "Lieblingsmusik" aufgelistet. Und einzig und allein ich – ich, als eingefleischter Deutschraphörer – scheine absolut nichts mit diesem Kerl anfangen zu können, dessen monotoner Flow meinen Zeigefinger bei bisher jedem seiner Werke nach zwei Tracks unweigerlich zum Stoppknopf führte. Aber okay, da es sich bei "Zum Glück in die Zukunft" ja eindeutig um ein Meisterwerk handeln und ich demnach wohl unter Geschmacksverirrung leiden muss, starte ich dennoch einen weiteren Versuch und gebe Marten erneut die Chance, mich umzuhauen. Ob er's drauf hat?


    "Konsole an, das Spiel kann beginn'/
    Dicke, rote Backen, was 'n niedliches Kind/
    Häng' noch fest am Nabel der Zeit/
    Das perfekte Kind, was immer schläft, niemals schreit/
    Ich brauch' mehr Milch, Mom, gimme some mo(re)/
    Fang' an zu sprechen, mein erstes Wort ist: 'Yo!'/
    "
    (Marteria auf "Endboss")


    So begrüßt mich Marteria ohne große Umwege mit dem technolastigen "Endboss", auf dem er seine Lebensgeschichte als Computerspiel präsentiert. Zugegeben: Keine schlechte Idee. Dennoch reizt mich Martens monotoner Flow nicht so wirklich. Aber nein, Stopp drücken ist dieses Mal nicht drin. Und so quäle ich mich anfangs noch etwas durch das Album, bis ich mich schließlich langsam aber sicher an die raue Stimme des Berliners gewöhne. Begeistert bin ich im Gegensatz zu der Art, wie Marteria seine Aussagen rüberbringt, von der Vielfalt seiner Themen an sich. So bemängelt er unter anderem die fehlende Toleranz unserer heutigen Gesellschaft ("Amy's Weinhouse") oder behandelt die Schwierigkeit, Nachrichten zu vermitteln, die zwischenmenschliche Beziehungen auf Dauer verändern ("Wie mach ich dir das klar"). Dann wäre da noch eine in bester Ironie vorgetragene Lobeshymne auf die "Neue(n) Nikes", die von indischen Kindern hergestellten Statussymbole eines jeden coolen Rappers. Oder der Song für seinen Sohn ("Louis"). Genauso beklagt man sich über Schlafprobleme ("Veronal") oder stellt fest, dass sich "Seit dem Tag als Michael Jackson starb" nichts verändert hat – weder zum Positiven noch zum Negativen.


    "Reiche Eltern – du kriegst alles in den Arsch geschoben/
    Arme Eltern – du kriegst Nudeln mit Tomatensoße/
    Osama – böser Mensch, Obama – lieber Mensch/
    Wieder Klimakonferenz und wieder explodiert 'n Benz/
    "
    (Marteria auf "Seit dem Tag als Michael Jackson starb")


    Dabei wurden nun nur einige Themen aufgegriffen, denn im Prinzip erschafft Marteria mit jedem weiteren Track eine kleine, neue Welt in seinem Universum. Die Instrumentalisierung lässt mich mit gespaltener Meinung zurück: Oftmals treffen ruhigere Beats wie bei "Amy's Weinhaus" nicht ganz meinen Geschmack, und dann, ganz plötzlich, donnern mir solche Bretter wie auf "Kate Moskau" entgegen und bewegen mich zum Kopfnicken. Alles in allem basiert "Zum Glück in die Zukunft" aber auf einem sehr technolastigen, elektronischen Soundgerüst. Es ist zwar kein wirklicher Kracher dabei, bei dem ich so richtige Gänsehaut verspüre, aber summa summarum haben die Beats für mich Prädikate von "ganz okay" bis "überdurchschnittlich" verdient. Verantwortlich ist hierfür das bereits mit Platin ausgezeichnete Produzententeam The Krauts. Was die Featuregäste betrifft, so greift Marteria nicht unbedingt im eigenen Genre zu, sondern engagierte etwa Jan Delay, Yasha, Peter Fox oder auch die einzige Vertreterin der Weiblichkeit auf der Platte, Miss Platnum, um einige gesungene Hooks bezisteuern. Diese verpassen den meisten Tracks genau den mir fehlenden letzten Schliff und halten mindestens einen Ohrwurm bereit ("Verstrahlt"). Raptechnisch bietet lediglich Casper Abwechslung, mit dem Marteria auf einem rockigen Instrumental darüber rappt, was so "Alles verboten" ist, aber diesem Verbot zum Trotze dennoch getan wird.


    "Außerdem: Kragen hoch, Polo tragen, Ärger für Promo starten/
    Anglizismen nutzen – "no homo" sagen/
    Gerüchte zu streu'n/
    Politisches Gespräch in der WG-Küche zu neunt/
    "
    (Casper auf "Alles verboten")


    Fazit:
    Marteria hat es geschafft, mich letztendlich doch noch zu überraschen. So ganz kann ich den Hype, der um ihn herrscht, zwar noch immer nicht nachvollziehen – aber um Längen besser als vor dem Hören von "Zum Glück in die Zukunft". Gewöhnt man sich erst einmal an den leicht monotonen Flow, kann man dem Longplayer eine Atmosphäre zusprechen, die es weiß, den Hörer in ihren Bann zu ziehen. Mich persönlich zwar nicht so sehr, dass ich das Album auf Repeat hören werde, aber dennoch: Ich bin wohl auf dem besten Wege zum "Marteria Girl", wuhu!



    Redakteur-Bewertung der CD:



    ___________________________________________________________



    Review von Philipp_:


    Major-Vertrag bei Four Music vor zwei Jahren, nun Top Ten-Chartsentry und eine Medienpräsenz wie kaum ein anderer Künstler aus der Rapsparte... Marteria scheint derzeit alles zu gelingen. Drei Jahre nach "Base Ventura" hat Marten Laciny endgültig den Weg in die kommerzielle Oberschicht des Musikbusiness geschafft. Die besondere Herausforderung bei gehypten Erfolgsalben ist der Spagat zwischen Mainstreamtauglichkeit und künstlerischer Eigenständigkeit. Nur zu schnell werden Sellout-Vorwürfe laut, wenn sich kommerzieller Erfolg einstellt.


    Abstrahiert man die ganzen medialen Begleiterscheinungen, ist das zweite Marteria-Album im Kern eine detailverliebte, hochwertig und aufwändig gestylte Modeproduktion mit hoher Gesamtambition. Wenn Musikgrößen wie Peter Fox und Jan Delay als Features auftreten und die erfolgreichen Krauts produzieren, lässt das bereits darauf schließen, wie hoch die Professionalität auf "Zum Glück in die Zukunft" ist. Tatsächlich ist die elektronisch-synthielastige Produktion der Berliner perfektionistisch bis ins letzte Detail und lotet von Retro-Klängen ("Endboss") über innovative Synthiespielereien ("Verstrahlt") bis hin zu relaxten Klängen ("Sekundenschlaf") das gesamte Klangspektrum dieser Richtung aus. Ein wenig klingt das Ganze dann wie eine Mischung aus Peter Fox und modernem Elektro-Ambient-Sound, aber ohne vorhersehbar zu werden und – trotz aller Eingängigkeit – anbiedernd zu wirken. Es ist genau diese Mischung aus Mainstream, künstlerischer Verspieltheit und innovativem Anspruch, die den Mittelweg aus Kommerz und Kunst schafft.


    Marteria selbst richtet sich ebenfalls an diesem Anspruch aus und erweitert das inhaltliche Spektrum gegenüber dem Vorgänger-Release deutlich. Auf "Endboss" wird in autobiographischen Abrissen der eigene Lebensweg rekapituliert, so kritisch wie augenzwinkernd:


    "In der Zukunft ist alles perfekt/
    Doch fast alle meine Leben sind weg/
    Nichts hat geklappt, weder Rappen noch Sportler/
    Na, wenigstens hab' ich 'n fliegenden Corsa/
    "


    "Amy's Weinhaus" ist eine beinahe literarische Erzählung über verschiedene Lebenswege, die sich in einer Bar schneiden, mitsamt ihrer schrägen bis tragischen Vorgeschichten. Etwas weniger thematisch umfassend setzt sich "Wie mach ich dir das klar" mit der Frage auseinander, wie tragische Ergebnisse auf schmerzvermeidendem Wege mitgeteilt werden können. Auf "Veronal" schließlich geht es um Tabletten und die Beweggründe für Drogenkonsum, eindringlich und schonungslos dargestellt:


    "Meine Uhr muss kaputt sein/
    Denn der Zeiger dreht sich so schnell/
    Die Zeit vergeht zu schnell/
    Der Tag wird die Hölle, draußen wird's hell/
    "


    Auf "Alles Verboten" gibt sich schließlich auch Casper die Ehre, um die ironisch-bissige Aufzählung vielfältiger Verbote zu ergänzen. Der persönlichste Song ist aber das emotionale "Louis" über Marterias Sohn, das mit so liebevollen wie humorvollen Zeilen aufwartet:


    "Das erste Ultraschallbild, du bist kaum zu sehen/
    Auf dem zweiten sieht man, wie du versuchst, die Faust zu heben/
    Sehen das dritte, kaufen dein Kinderzimmer/
    Auf dem vierten zeigst du uns dein' Mittelfinger/
    "


    Die größte Weiterentwicklung auf "Zum Glück in die Zukunft" ist Marterias Fähigkeit, Themen und Charaktere gebrochen und vielseitig zu illustrieren und zu präsentieren. Es gibt kein Schwarz und Weiß, sondern nur vielschattierte Grautöne – und die Wahrheit ist immer nur eines: relativ. Verbunden mit der unterschwelligen Selbstironie und lyrischen Detailverliebtheit schafft Marteria einen eigenwillig-massentauglichen Stil, der trotz aller Einfachheit Ecken und Kanten hat, der, statt einfach mitzuteilen, zum Denken anregt. Gerade deswegen hat das Album diese sympathische Tendenz zur Schlichtheit, zur Bescheidenheit und nicht zuletzt auch zur alles durchdringenden Verspieltheit und Experimentierfreude.


    Bei allem Lob bleibt abzuwarten, in welcher zukünftigen Entwicklung das alles münden wird. Auch, wenn sich Marteria künstlerisch gefunden zu haben scheint, bleibt die Frage, wie sein weiterer musikalischer Weg aussehen wird und ob die Richtung ins Popgenre weist – unter Aussparung der wenigen gebliebenen Rapelemente.

    [REDBEW]450 [/REDBEW]

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  • Ich muss sagen das ich von ProRippers Review sehr enttäuscht bin. Nicht weil die Bewertung nich extrem gut ausgefallen ist sondern weil ich die Review einfach schlecht finde.


    Zudem hast du mehrmals die Zeilen falsch zitiert.


    Aber wie gesagt, es hat nichts mit der Bewertung des Albums zu tun. Hat ja jeder ein Recht auf ne eigene Meinung


    Edit by lupa: waren zwei Wörter beim ersten Zitat falsch, jap, hab ich geändert. Danke!

  • ProRipper:
    "...., aber summa summarum haben die Beats für mich Prädikate von "ganz okay" bis "überdurchschnittlich" verdient."


    Sind prädikate nicht konjugierte Verben!? Du meinst sicher Adjektive.
    Jedenfalls hast du auch die Zitate bisschen verhauen....


    Die zweite Review finde ich ansprechender in diesem Fall, vorallem auch was die Bewertung angeht. 4/6 finde ich für ein Album in dem soviel Liebe und Zeit steckt einfach zu wenig.



    Edit by lupa: waren zwei Wörter beim ersten Zitat falsch, jap, hab ich geändert. Danke!

  • Zitat

    Original von DonDan
    ProRipper:
    "...., aber summa summarum haben die Beats für mich Prädikate von "ganz okay" bis "überdurchschnittlich" verdient."


    Sind prädikate nicht konjugierte Verben!? Du meinst sicher Adjektive.
    Jedenfalls hast du auch die Zitate bisschen verhauen....


    meinst du das eigentlich ernst oder ist das 'n witz?

  • Zitat

    Original von DonDan
    ProRipper:
    "...., aber summa summarum haben die Beats für mich Prädikate von "ganz okay" bis "überdurchschnittlich" verdient."


    Sind prädikate nicht konjugierte Verben!? Du meinst sicher Adjektive.
    Jedenfalls hast du auch die Zitate bisschen verhauen....


    http://de.wikipedia.org/wiki/Prädikat_(Qualität)


    EDIT: Und weil die Meinungen so auseinander gingen, sind's ja auch zwei Reviews. :)

  • pro rippers review spricht mich am meisten an.



    also ich kann irgendwie sehr wenig mit marteria anfangen, obwohl ich nicht finde, dass er schlecht ist. irgendwie ist verstrahlt der einzige gut hörbare track. viele tracks sind mir einfach zu ruhig.


    zu ruuuuhig und laaaaangsaaaam

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