Seit einigen Tagen kursieren Unmengen an Videos im Internet, in denen man zu sehen bekommt, wie jemand während eines Auftritts des Rappers Massiv auf die Bühne steigt und ihn von hinten niederschlägt. Man sieht weiter, wie anschließend eine Horde aufgestachelter Konzertbesucher, inklusive Massiv selbst, wie im Wahn durch die Stadt zieht, um den Täter zu finden. Es kommt zu mehreren kleinen Schlägereien. Aus Berichten - unter anderem von Massiv - erfährt man außerdem, dass der Täter, oder eventuell ein Unschuldiger, der fälschlicherweise für den Schuldigen gehalten wurde, brutal verprügelt wurde.
Die Erzählungen von angeblichen oder tatsächlichen Augenzeugen gehen hier so weit auseinander, dass man noch nicht weiß, wie die Sache wirklich endete.
So weit zur Vorgeschichte.
Hier soll es nicht darum gehen, wie gut oder schlecht Massiv rappen kann. Auch nicht darum, ob jemandem sein Image gefällt oder nicht.
Ein Vergleich: Jeder kann singen. Es hat nichts mit deinem Hintergrund zu tun, ob du singst. Es tut nichts zur Sache, ob du jung oder alt bist, welche politische Gesinnung und welche Grundsätze du hast. Meines Erachtens ist das jedoch beim Rap immer noch anders, auch wenn die Grenzen immer weicher werden. Ich empfinde es so, dass Rap normalerweise immer noch mit einer ganz bestimmten Einstellung zu tun hat und im Großen und Ganzen nicht aus einem beliebigem Umfeld stammt, sondern eben Teil der HipHop-Kultur ist. Innerhalb dieser HipHop-Kultur gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen und jede einzelne hat ihre Daseinsberechtigung. Ich für meinen Teil versuche, in diesem Bereich so open minded und aufgeschlossen wie möglich zu sein.
Aber ich fühle mich als Teil der Kultur, so kitschig und abgedroschen das auch klingen mag. Und es bereitet mir Kopfschmerzen, wenn sie benutzt, misshandelt, in den Dreck gezogen und ins falsche Licht gerückt wird. Denn was mich stört ist das, was teilweise abseits der Musik geschieht. Die Aktionen, die nichts mehr mit dem ganzen HipHop-Ding gemeinsam haben.
Was bitte bewegt einen Rapfan dazu, mitten in einem Konzert auf die Bühne zu klettern und den auftretenden Künstler mit einem Schlagring anzugreifen? Macht er das, weil der Künstler in einem Lied versprach, alle Mütter zu ficken? Unwahrscheinlich, denn im Rap wurden schon so viele Mütter gefickt, dass das Game bei solchen Reaktionen einer Wrestlingliga gleichen würde.
Nein, bei dem Störenfried muss ein so riesiger, aufgestauter Hass vorhanden gewesen sein, dass er vergaß, dass es in der Halle aller Wahrscheinlichkeit nach Sicherheitspersonal gab und Massivs Freunde 100 Kilo wiegen. Aber wo kommt dieser Hass her?
Die nächste Frage ist: Was bewegt einen Musiker dazu, sich so gehen zu lassen, möglicherweise einen hochdotierten Vertrag zu gefährden? Verletzter Stolz? Eine schlechte Kinderstube? Auf jeden Fall Unprofessionalität und mangelnde Souveränität.
Wie weit sind wir gekommen, dass es nicht mehr um künstlerische Competition geht? Seit wann wird es von der Szene respektiert, dass persönliche Differenzen in körperliche Gewalt umschlagen? Seit Ekos Flaschenaffäre? Seit dem Clinch zwischen Sido und Azad?
Und wieso verdammt noch mal geht bei derartigen Ereignissen kein empörter Aufschrei durch die gesamte Szene?
Damit komme ich auch schließlich zu meinem eigentlichen Anliegen!
Meiner Meinung nach müssen die wichtigen Organe des hiesigen HipHops dazu Stellung nehmen und auch eine eindeutige und klare Position vertreten. Ich meine damit sowohl deutsche Rapgrößen als auch Medien wie Zeitschriften oder ähnliches. Denn diese haben eine Stimme, die auch gehört wird. Damit tragen sie Verantwortung. Ich gehe einfach mal davon aus, dass diese Leute HipHop lieben und leben, denn sonst hätten sie ihn nicht zu ihrem Beruf gemacht. Darum: Erklärt den Leuten, dass es Zeiten gab, in denen es verpönt war, sich zu schlagen, und in denen es angesagt war, seine Streitigkeiten per Breakdance-, Rap- oder sonstigem Battle auszutragen. Und nein, ich bin nicht einer von der jenen, die krampfhaft an den alten Zeiten hängen und alles Neue verteufeln.
Klar, die Magazine laufen Gefahr einen Teil der Leser zu vergraulen, wenn sie es nicht gutheißen, was der nächste majorgesignte Rapper macht. Ja, die Rapgrößen laufen Gefahr, dass sie als Blümchenrapper oder Hater abgestempelt werden und es einen gemeinen Disstrack gegen sie gibt. Aber wäre es das nicht wert? Gibt es nicht Ideale, zu denen man stehen muss und für die man in Kauf nehmen kann, dass es sich möglicherweise nicht nur positiv auswirkt.
Zu guter Letzt: Mit diesem Artikel will ich niemandem meine Meinung aufzwingen oder gar gegen bestimmte Rapper aufhetzen, das wäre das Letzte, was mir in den Sinn kommt. Ich bin nur der Ansicht, dass gewisse Dinge stärker thematisiert werden müssen. Wem es ebenso geht wie mir (und optimistisch wie ich bin, denke ich, dass es genügend Gleichgesinnte gibt), der soll seine Meinung kundtun und sie lautstark vertreten!
Rapture für die Rappers.in-Redaktion