01. Wie Gladiatoren
02. Dann mach doch mal
03. Gebt uns ruhig die Schuld (den Rest könnt ihr behalten)
04. Für dich immer noch Fanta Sie Teil 1
05. Junge trifft Mädchen
06. Garnichsotoll
07. Smudo in Zukunft
08. Danke
09. Die Lösung
10. Schnauze
11. Für immer zusammen
12. Für dich immer noch Fanta Sie Teil 2
13. Das letzte Mal
14. Kaputt
15. Mantra
16. Was wollen wir noch mehr?
Einundzwanzig Jahre. Acht Studioalben, vier Live-Alben,
eine Best-Of, Millionen verkaufter Alben, Konzerte mit Orchester, ein legendäres Unplugged. Bei jedem neuen Album der Fantastischen Vier ist man geneigt, Vergleiche mit den großen Erfolgsalben der 90er aufzustellen. Zu Säulenheiligen einer Musikrichtung sind die Fantastischen Vier nie geworden und geprägt haben sie eher eine Facette dieser Musikrichtung denn das komplette Genre. Was als Jugendbewegung begann und in den Worten Michi Becks "eine alte, spießige, etablierte Bewegung" geworden ist, verbleibt nur noch als musikalische Ausgangsgrundlage der vier Stuttgarter. Das war schon bei "Fornika" angelegt und ist in "Für dich immer noch Fanta Sie" nochmals verstärkt worden.
Was prägt das neue Studioalbum der altersmäßig mittlerweile in den 40ern angekommenen Stuttgartern, bei denen jedes neue Album als das letzte gehandelt wird? Es ist ein handwerklich erwachsener, textlich verhaltener Musikstil, dessen Wurzeln im HipHop liegen und der doch längt in der deutschsprachigen Popmusik angelangt ist. Aus musikalischer Sicht ist es die bewusst inszenierte Live-Atmosphäre. Die von verschiedenen Produzenten beigesteuerten Soundfragmente wurden mit der Live-Band von "Heimspiel" eingespielt, was einen erdigen und authentischen Sound hervorbringt. Dessen Ästhetik bewegt sich auf einer ausdifferenzierten Bandbreite von 140-pm-Bluesgospelpop mit Chorbackground ("Smudo in Zukunft") über latent an die Beastie Boys erinnernde Schlagzeugbreaks ("Dann mach doch mal") bis hin zu süffigen Poparrangements ("Danke"). Vieles davon ist gefällig inszeniert, mal durchaus mit melancholischem Einschlag ("Für immer zusammen"), mal mit aggressiver Attitüde ("Kaputt"). Einige Experimente mit kakophonem Einschlag haben es wie schon damals auf "4:99" auf das Album geschafft, vom sperrigen "Das letzte Mal" bis hin zu nervig-überflüssigen Allerweltsproduktionen wie "Junge trifft Mädchen" und den misslungenen "Für Dich immer noch Fanta Sie"-Teilen. Die sind wieder so anstrengend, dass man nach einem Mal automatisch die Skip-Taste betätigt.
Allerdings sollte nicht vergessen werden: Auf Experimente haben die Fantastischen Vier noch auf keinem Album verzichtet. Die Fantas waren generell eine stilistisch sehr eigene aber innovative Band. And.Ypsilon hatte stets seinen eigenen Stil, der oftmals anstrengend und unterhaltsam in gleichem Maße sein konnte. Auf dem neuen Album ist es nicht anders. Eingängigkeit und Mainstreamqualitäten sind dabei weitgehend auf der Strecke geblieben. Klassische Singlekandidaten gibt es nicht und das poppig-belanglose "Gebt uns ruhig die Schuld" geht bestenfalls als Pflichtaufgabe durch in dieser Hinsicht. Das ist künstlerische Freiheit. Ein zweites "Jetzt ist sie weg" wird es definitiv nicht mehr geben.
Inhaltlich verhält es sich ähnlich: Kontinuität in Thematik und Stilistik, vorsichtige Variation in Ausdruck und Betonung. Die klaren Ansagen werden vermieden, das zweideutige Verweisen auf Themen wird zunehmend wichtig, ohne dass es deswegen über weite Strecken verkopft wäre. Michi Beck liefert zunehmend – wie schon auf dem letzten Album ("Was bleibt") – die nachdenklicheren Töne und deutet schon im ersten Stück nachdenklich auf das mögliche Ende:
"Was'n Showdown. Wir können uns endlich aufs Ohr hauen/
Wollen nicht ständig nach vorn schauen/
Denn irgendwann fällt der Vorhang/
Und wir geben dem Privatleben Vorrang/"
("Gladiatoren")
Thomas D., seit jeher und vor allem auf den Solowerken der intellektuelle Lifestyle-Metaphysiker der Truppe, steuert pflichtbewusst und durchweg qualitativ gute Parts zum Standardrepertoire bei. Auch der mittlerweile zur Pflicht avancierte Nachdenkbeitrag der Marke "Krieger" darf nicht fehlen. Hier ist es eine Hommage an das bekannteste Mantra des Vajrayana-Buddhismus. Nicht innovativ und auch nicht von einer mitreißenden Wirkung wie vergangene Großtaten der Marke "Millionen Legionen", aber immer wieder souverän in seinem spirituell-mystisch unterlegten Humanismus.
"Hör in dich hinein und hör auf zu denken/
Und du hörst dich im Klang dieser Welt wieder selbst/
Denn du bist und in dir spiegelt sich alles wider/
Aus diesem Grund sing' ich dir diese Lieder/"
("Mantra")
Einzig Smudo hat sich den lässigen Stil durchgehend bewahrt, mal jugendlich fluchend auf "Kaputt", meistens gut gelaunt die eigene Entspanntheit zelebrierend ("Was wollen wir noch mehr"). Der Solobeitrag "Smudo in Zukunft" knüpft stilistisch an die alten Werke ("Le Smou") an, nur ein wenig kürzer, prägnanter und fast noch verspielter. Wortgewandtheit, so unterhaltsam und kurzweilig wie oberfächlich:
""A ist für leck mich doch, B ist für dunkelblau/
C ist wie Leder, D ist für Du mich auch/
Move auf den Kiez und lass den Juice weg/
Und nimm' die "Blue Suede Shoes" und dance den Blues weg/""
("Smudo in Zukunft")
Sicherlich haben alle drei Protagonisten spätestens auf "Für immer noch Fanta Sie" zu einer im Vergleich zu früher entspannteren Koexistenz gefunden, bei der die unterschiedlichen Stile durchaus gleichberechtigt ineinander übergehen, anstatt angestrengt nebeneinander zu existieren. Wenn man dem Album denn auch eines nicht absprechen kann, ist es ein organisch gewachsener Reifegrad, sowohl im Sound wie in den Inhalten. Leider wird das alles, so wichtig wie es ist, nicht in der künstlerischen Bandbreite der Gruppe verwirklicht. Was von der Machart heraussticht, war auf den vorherigen Alben bereits vorhanden ("Mantra"). Was eingängig sein soll, verläuft sich oft in kurzweiliger Beliebigkeit ("Danke") und wenn es denn gar sozialkritisch werden soll ("Die Lösung"), macht sich bestenfalls angestrengte Deutungsmentalität breit. Auf der anderen Seite will man von 40-jährigen nicht mehr pubertäre Sprüche wie "Wenn du mich hasst, dann fick dich/ Und wenn du mich liebst, dann fick mich!" (Smudo auf "Kaputt") hören, weil es einen peinlich berührt. Bei aller künstlerischen Ambitioniertheit kommen sich Experimentierfreudigkeit, Eingängigkeit und umfassende künstlerische Verwirklichung auf "Für Dich immer noch Fanta Sie" oft in die Quere. Wenn es einen HipHop-Altersstil gibt, dann haben die Fantastischen Vier zumindest einen weiteren Schritt dafür gelegt. Aber die Frage, ob Reife und Unterhaltsamkeit, erwachsene Ernsthaftigkeit und lässige Verspieltheit, musikalische Ambition und soundästhetische Eindringlichkeit in eins gehen, bleibt unbeantwortet. Vielleicht bis zum nächsten Album, das wieder das letzte sein wird und wieder nicht. Dann wird sich zeigen, ob das Siezen wirklich Sinn ergebt.
(Philipp_)
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