Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf MySpace oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertig gestellt. Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab."
Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Internet in Deutschland rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen –, während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen.
Mit dieser Rubrik habe ich mir das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die meiner Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypeter Internetgrößen anzutreffen sein, noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.
Robin Weed – erster. erster
Wer hätt’s gedacht? Robin Weed raucht gerne Weed! Und obwohl er auch das ein oder andere Wort darüber verliert und sich selbst ab und zu "Spliffhanga" nennt, tut man ihm mit dem vielleicht aus seinem Namen resultierenden Vorurteil Unrecht, er sei nichts weiter als ein weiterer unnötiger Künstler, der nur über den Konsum rappt. Denn über oftmals simple, aber sehr melodische Instrumentale lässt Robin zwar auch ab und zu die Sau raus, sinniert aber nicht selten über tiefergehende Themen als nur die nächste Tüte. Mit einer rauchigen Stimme und etwas gemütlicherem Rapstil gepaart mit gesanglich angehauchten Hooks, kann man "erster. erster" sehr gut sowohl nebenher, als auch konzentrierter hören, da dieser Typ schon etwas zu sagen hat. Partylieder, Nachdenk-Lieder, ein paar gesungene Hooks, simple Beats – das klingt eigentlich alles nach einem "Wie mache ich ein typisches Rapalbum"-Rezept. Aber an Experimentierfreudigkeit fehlt es Robin Weed auch nicht. So gibt es zum Beispiel einen Song, auf dem minutenlang nur eine Frau singt und er nur zum Schluss einen Part auf einem Jungle-Beat abliefert. Auch, wenn einige Lieder auf jeden Fall noch ausbaufähig sind, ist das Album eine Empfehlung für jeden, der auf eher chillige Musik zum Zurücklehnen steht.
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Revilo – Haken und Ösen
Seit über zehn Jahren ist der 30-jährige Kölner Revilo nun schon am Mic aktiv und klingt dementsprechend auch routiniert. Mit vielsilbigen Reimen, Reimketten und lässigem Flow lässt er auf Boom-Bap-Sounds mal Representing-, mal Nachdenk-Texte vom Stapel. Und klingt dabei immer einen Hauch arrogant, was für mich das Besondere an seiner präsenten Stimme ausmacht. Auch, wenn mich diese kölsche Eigenart, wirklich jedes (!) "ch" als "sch" auszusprechen, etwas im Hörfluss stört, muss mir dieser an Deutschrap-Lieder der 90er erinnernde Sound einfach gefallen. Dies ist zum Teil auch das Werk des Produzenten Croup, der für den Großteil der Instrumentale verantwortlich zeichnet. Hierzu muss man eigentlich überhaupt nicht mehr sagen. Passt einfach zusammen. Wie Haken und Ösen eben.
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Akne – Psycho Porno EP
Akne, seines Zeichens Mitglied bei der in Hamburg ansässigen Royal Fam, haut hiermit eine EP raus, die ihrem Titel "Psycho Porno" absolut gerecht wird. Denn über abgefahrene, pumpende Electro-Beats rappt Akne meistens schnell, oft etwas ausgeflippt und überdreht über kranke Geschichten, Alkoholexzesse oder einfach nur die Erniedrigung diverser Wack-MCs. Technisch auf jeden Fall sehr fortgeschritten, könnte es trotzdem passieren, dass diese Art von Musik auf Dauer für den ein oder anderen Otto-Normal-Hörer etwas zu schnell und hektisch ist. Monoton nicht unbedingt. So rappt Akne mitsamt Kollegen von der Royal Fam zwar relativ oft über ähnliche Dinge, aber doch schon immer relativ kreativ. Auf "Milchbengel" zum Beispiel erzählt Pickelkrankheit (jetzt fällt mir erst auf, wie unglaublich der Name ist) absurde Geschichten über Fraueneroberungen und schreckt dabei nicht vor ethischen Grauzonen zurück. Doch er kann sich auch mal von einer etwas verletzlicheren Seite zeigen und – zwar immer noch etwas innerlich überdreht, aber zurückhaltender – über eine kaputte Beziehung, eine enttäuschte Liebe rappen. Nichtsdestotrotz bleibt die "Psycho Porno EP" ein Stück Musik, dass man sich eher Abends auf Alkohol zum Abdrehen vorstellen kann.
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FiST – Das Game wird gefistet ihr Ottos
Hinter diesem charmanten Albumtitel steht FiST, der vielleicht einigen gut informierten Raphörern schon durch die Kombo kay&FiST bekannt sein dürfte. Auf diesem Freedownload-Album lässt er nun hauptsächlich die Sau raus. Mit tiefgreifendem Stoff ist hier nicht unbedingt zu rechnen. Dafür rappt die Faust technisch versiert, schnell und energiegeladen. So sehr, dass es sich manchmal so anhört, als würde man nicht unbedingt direkt vor ihm stehen wollen, wenn er mal richtig loslegt. Also wegen der Spucke. Das ist jetzt nicht unbedingt (!) negativ gemeint, FiST strahlt einfach eine Menge Power mit seinem Rap aus, die von In-die-Fresse-Punchlines noch unterstrichen wird. Die musikalische Unterlegung ist ein bunter Mix aus treibenden Beats. So stellt "Das Game wird gefistet ihr Ottos" zwar nicht unbedingt einen musikalischen Edelstein dar, doch kann als rougher Rohdiamant auf jeden Fall überzeugen.
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exclusive für: theblogparty.de/
Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "unknown Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass ich nicht auf jede Anfrage persönlich antworten kann. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!