Review: Maeckes – KIDS



  • 01. Grinsende Gleichgültigkeit
    02. Graustufenregenbogen
    03. Würgegriff des Glücks
    04. Seifenblasen platzen nie
    05. Kindisch wie Du
    06. Betrunkene Kinder
    07. Heimweg
    08. Von Logen herab
    09. 4 Uhr Nachts
    10. Ein Computer hat Schluckauf
    11. U can do it
    feat. Saul Williams
    12. Das letzte Mal
    13. Idioten
    14. Piratenlied
    feat. Mia


    Wie gerne wäre man doch noch einmal Kind. Wenn ich an die unbeschwerten Zeiten von früher denke, als das Schlimmste eigentlich höchstens der Ausfall der täglichen Lieblingsserien im Fernsehen oder ein zu sauber platzierter Schlag bei den Rangeleien auf dem Grundschulhof war, fange ich manchmal schon an, die jungen Dinger zu beneiden, die noch einfach abschalten können, direkt nach dem Mittagessen zum Spielen nach draußen rennen und sich so richtig die Hosen schmutzig machen. Für die eigentlich jeder Tag gleich ist, ganz ohne Hintergedanken, ohne Druck, ohne Existenzängste. Maeckes sieht das anscheinend anders. Denn M. W., neun Jahre alt, aus dessen Sicht "KIDS" erzählt, lebt in einer so ganz anderen Welt, wie ich meine Kindheit in Erinnerung habe. Hier werden nicht die Hosen beim Spielen schmutzig gemacht, sondern der "Dreck der ganzen Welt" abgewaschen, statt unbekümmertes Leben in den Tag hinein plagen das Kind Ängste über den Lebenssinn. Auf dem ganzen Album werden zwar fantastische, aber auch gleichsam bedrückende, skurrile und völlig absurde Bilder gemalt, die unzusammenhängend durch einen jungen Kopf schießen, bis man sich die Frage stellt, ob dieser M. W. nun einen erwachsenen Geist in einem kindlichen Körper darstellen soll, oder – umgekehrt – ein Kind in einem viel zu erwachsenen Körper.


    Maeckes hat es schon immer am besten geschafft, Gegensätze gekonnt unter einen Hut zu bringen. Der Spagat zwischen Bedrücktheit und totalem Unsinn wirkt bei ihm immer noch authentisch, egal ob mit Plan B, Celina oder den Orsons. Zu letzteren gehört auch Kollege Tua, zu dessen letztem Album "Grau" wahrscheinlich am schnellsten Vergleiche gezogen werden. Während dieser aber von Anfang an eine regnerische, graue Grundstimmung vermittelt, in die man sich als Hörer auch sofort reinfinden kann, ist Maeckes' Musik eher wie ein blauer, wolkenloser Himmel, der vom Fenster aus betrachtet nett und munter machend wirkt, bis man dann, wenn man die Haustür verlässt, bemerkt, dass es schweinekalt und viel zu windig ist, um auch nur einen Fuß nach draußen zu setzen. Anfangs noch wirkt das Album instrumentalbedingt und dank einiger Ohrwurm-Hooks fröhlich angehaucht, doch je mehr man sich reinhört, desto mehr wird man von den Themen, die sich aus oftmals wirren Gedankengängen bilden, angesprochen und mitgerissen. Maeckes' Musik ist keine Musik zum Ankratzen. Mir kann keiner erzählen, dass er das Album nach dem ersten Mal Durchhören schon unglaublich bewegend fand und alles verstanden hat. Dass er überhaupt jemals jede einzelne Zeile vollkommen verstehen wird. Die Texte lassen eben viel Spielraum für Interpretationen.


    "Sich fragend: 'Was ist ein Kind wert, das arbeitslos ist?'/
    Flugs wird’s per Facebook als Statusmeldung gepostet/
    Es ruft paar Freunde an, fängt zu heulen an/
    Bunte Tränen kullern unverschämt Richtung Neuanfang/
    "


    Auf "Seifenblasen platzen nie" geht es um Träume, dargestellt als Seifenblasen, die für das Kind natürlich auch irgendwo hergestellt werden müssen. Und so schaut es aus dem Fenster und stellt sich eine Seifenblasenfabrik vor, in der Leute arbeiten, die Träume erschaffen. Absurde Textpassagen und eine witzige, von KAAS vorgetragene Hook mit absolutem Ohrwurmcharakter machen den Song für mich zu einem der Highlights des Albums. Aber eigentlich sollte man nicht allzu viele Songs hervorheben, da Maeckes mit dem Album ein in sich abgeschlossenes Gesamtwerk abliefert, einfach eine abstrakte Geschichte, die erzählt wird. Das fängt schon mit dem Intro "Grinsende Gleichgültigkeit" an, das einen Abschiedsbrief des M. W. beschreibt und schon einige Themen des Albums anschneidet, aber eben rückblickend, als Abschluss und nicht vorbereitend, wie man es normalerweise von Intros gewohnt ist. Außergewöhnlich ist auch der Song "Betrunkene Kinder", in dem Maeckes das Sprichwort "Nur Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit" auf die Schippe nimmt, indem er darüber rappt, einem Kind Alkohol einzutrichtern, "näher werden wir der Wahrheit nie kommen". Ein weiteres Schmankerl ist "Würgegriff des Glücks". Hier beschreibt Maeckes die Probleme dieser widersprüchlichen Welt. Man beschäftigt sich so sehr damit, glücklich zu sein, bis man überhaupt nicht mehr zwischen Glücklichsein und Traurigsein unterscheiden kann. Hier wurde aus einem relativ unscheinbaren Instrumental wirklich einiges herausgeholt, schöner Refrain, schöne Message. Auch hier sieht man wieder an manchen Stellen, wie Maeckes wirre Gedankengänge miteinander verknüpft:


    "Architektur ist gefrorene Musik/
    Also tauen wir die Musik auf und kauern uns darin vor den Kamin/
    "


    Dieses Album wird auch Leute finden, die überhaupt nichts mit dieser Art von Rap anfangen können. Man muss sich, wie vorher schon einmal gesagt, eben erst reinhören, bis man sich ein genaues Urteil bilden kann. Diese anfängliche Undurchdringbarkeit liegt daran, dass das gesamte Album sehr inhaltslastig ist. Natürlich findet man den ein oder anderen gut klingenden Refrain, doch es ist schnell klar, dass hier das Hauptaugenmerk auf die Texte gelegt wurde. Deswegen ist nicht jedes Lied eine musikalische Herausforderung, aber eben immer eine lyrische. Das sollte man bedenken, bevor man sich an dieses Album heranwagt. Und auch, wenn ich zum Beispiel mit dem Song "Kindisch wie Du" überhaupt nichts anzufangen weiß (Ist diese andauernde Phrasendrescherei "Dieser Beat ist von DJ Yooter" etwa bewusst als ironisches Stilmittel eingesetzt oder nur etwas Ideenlosigkeit für Zwischendurch?), kann ich das Album nahezu als perfekt bezeichnen. Perfekt in sich eben. Maeckes' Musik ist schwere Kost, aber mit dieser gegensätzlichen musikalischen Untermalung nicht so unhörbar, dass man sich nach jedem zweiten Lied am liebsten aus dem Fenster stürzen möchte. Er malt ein abstraktes Gemälde mit überwiegend hellen Farben, die sich bei näherem Hinschauen doch zu dunklen, bedrückenden Farbtönen mischen. Nicht für jedermann, aber trotzdem wunderschön.



    (Jan König)


    [REDBEW]377 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=377 [/reframe]
    [azlink]Maeckes+KIDS [/azlink]

  • Kindisch wie du ist rein vom Flow und Style her aber einfach mal Maeckes' bester Song. Und der ganze Song ist halt in sich inhaltlich belanglos, macht im Albumkontext aber wieder total Sinn. Schöne Review aber auf jeden Fall. Die Wertung teil ich auch. Mir fehlt nichts auf dem Album, aber ohne das echt behinderte U Can Do It und vielleicht noch Ein Computer hat Schluckauf wär's einfach besser.

  • Sehr schön geschriebenes Review, stimme dir in allen Punkten zu.


    Das Album ist halt schwere Kost und bedarf eben seiner Zeit bis
    sich die Blüte zu entfalten weiß. (Man muss das Album schon 3-4 gehört haben um langsam
    einen Sinn hinter all den Liedern zu sehen)


    Ein Meisterstück seines gleichen und Gewiss wird es noch Jahre lang
    einzigartig in seiner Art sein. Maeckes eben.

  • kann mich der rewiev auch fast ganz anschließen. kann mir zwar ein computer hat schluckauf und heimweg auch nicht immer anhören aber ansonsten finde ich das album top. anderes als erwartet aber doch nicht enttäuschend.
    und u can do it find ich nach anfänglicher abneigung richtig gut^^
    von logen herab, graustufenregenbogen, betrunkene kinder sind so die favoriten

  • Zitat

    Original von unknownKing
    Perfekt in sich eben.
    Er malt ein abstraktes Gemälde mit überwiegend hellen Farben, die sich bei näherem Hinschauen doch zu dunklen, bedrückenden Farbtönen mischen. Nicht für jedermann, aber trotzdem wunderschön.


    Perfekt!

  • Sehr gute Review, hat alles sehr gut auf den Punkt gebracht.
    Sehe ich genau so, KIDS ist eins der besten Alben die ich letzte Zeit gehört habe, wenn nicht das Beste.
    Aber sein Charteinstieg war zu schlecht, für das Meisterwerk, welches das Album in meinen Augen darstellt.


    MFG
    Kritix

  • Zitat

    Original von rapboy99
    hää ich versteh sowas nicht 9.3 punkte fast so gut wie das nazar und raf camora album niemals ich find das album so zimmlich den größten mist den es gibt zum glück hab ich es nur beim freund gehört und nicht gekauft


    Das dir so ein Album nicht gefällt, lässt sich schon von Deiner Rechtschreibung ableiten.

  • Zitat

    Original von rapboy99
    hää ich versteh sowas nicht 9.3 punkte fast so gut wie das nazar und raf camora album niemals ich find das album so zimmlich den größten mist den es gibt zum glück hab ich es nur beim freund gehört und nicht gekauft


    Kunst Banause.


    Geh weiter Gangster Rap hören.

  • Zitat

    Original von rapboy99


    das hat nix mit meiner rechtschreibung zutun keiner kann mir sagen das das kunst is vom text her nix besonderes ich finds eher peinlich das sowas in nem hiphop forum gefeiert wird


    Naja, ich muss mal an dieser Stelle sagen:
    Dass das definitiv Kunst ist, erkenne ich an. Aber meinen Geschmack trifft der Gute damit jetzt auch nicht so. :(

  • ist mmn mit keinem andren album zu vergleichen da es praktisch eine vertonte Vorstellung einer imaginären Welt ist , bei der ganz viele Querverweise in unsre welt zu ziehen sind .



    Finde es einzigartig und grß0artig um wie bei einem instrumentalisiertem Hörbuch sich hinzusetzen und der geschichte zu folgen und sich gedanken zu machen
    grandios

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!