01. Scherben
02. Gegen die Wand
03. Back
04. Halb so wild
05. MF Blues
06. Niedertracht
07. Renovieren
08. Schauspielerin
09. Affenmusik
10. Break
11. Click
12. Rue St. Honoreé
13. Odyssee
14. Rechnung
15. 2012
Um eine Sache vorweg zu nehmen: Bei Bustla, Keno und Fatoni, als Rap-Crew Creme Fresh, handelt es sich nicht um die Ende der 90er Jahre bekannt gewesene Band "Creme de la Creme", sondern um ein eigenständiges Trio, das nun mit dem zweiten Langspieler, der den Titel "Organisiertes Zerbrechen" trägt, endgültig fester Bestandteil der Deutschrapszene zu werden versucht. Der Hörerschaft dürften die drei Münchner (abgesehen von ihrem Debütalbum "Hast du Feuer?!" aus dem Jahre 2007) hauptsächlich durch ihre Teilnahme bei "Feuer über Deutschland 3" und als Tourbegleitung von Blumentopf bekannt sein. Gerade in Bezug auf die Münchner Urgesteine wird aber stets Wert darauf gelegt, explizit klar zu stellen, dass man nicht in deren Fußstapfen treten, sondern ein eigenes Soundbild mit eigenen Ideen und Themen präsentieren will.
Man ist also gespannt und in der Tat fällt sofort auf, dass gerade das klangtechnische Konstrukt außerordentlich schwer in eine Schublade zu stecken ist. Egal, ob es rockig drauflos geht ("Scherben"), auf elektronischem Wege Pogogarantie bei Konzerten gewährleistet wird ("Break") oder gerne auch auf fast schon an die Jerk- Szene aus Übersee erinnernden, auf wenige Tonspuren reduzierten Instrumentals gerappt wird ("Back"): Mangel an Kreativität kann man Bustla bei der Produktion nicht vorwerfen. Leider muss hinzugefügt werden, dass ebendiese Vielfalt nicht nur Segen, sondern der inneren musikalischen Kohärenz des Albums eher ein Fluch ist. Zu grundverschieden reihen sich die vielfältig variierenden Stilrichtungen Song für Song aneinander.
Überhaupt ist dies ein Paradebeispiel für das Konzept von "Organisiertes Zerbrechen" und Creme Fresh an sich: Die Crew macht an sich nichts komplett falsch, aber gleichzeitig auch nichts komplett richtig. Sicherlich kann keiner Keno und Fatoni vorwerfen, dass sie nicht rappen könnten. Auf der anderen Seite haben sie aber technisch auch nichts zu bieten, was es an anderer Stelle nicht weitaus besser gäbe. Allein mit Technik wird sich Creme Fresh also schwer tun, Kinnladen runterklappen zu lassen. Grundsolide, aber wenig bahnbrechend, könnte man zusammenfassend sagen.
Inhaltlich liegen die Schwerpunkte auf Party machen, Alkoholexzessen, eher seichten und oberflächlichen Gesellschaftskritiken und Alltagsgeschichten, die das Leben so schreibt. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, jedoch schafft es Creme Fresh nicht, dies auf hohem Entertainment-Level zu gestalten oder durch tiefsinnige Erkenntnisse das Wissen des Hörers zu bereichern. Bestes Beispiel ist hier das ausgelutschte und gleich auf rund sieben Minuten breit getretene Thema des Tracks "Halb so wild". Es geht darum, einen Freund zu haben, der seiner Ex nachtrauert und in Selbstmitleid versinkt. Und am Ende läuft es darauf hinaus, dass er doch am besten einfach saufen gehen sollte und nicht rumzuheulen hat.
"Ehrlich, es gibt andere Mütter mit schöneren Töchtern/
Häng' ihr doch nicht ewig hinterher und mal ehrlich/
Sie isses nicht wert, dich in diesem beschissenen Herzschmerz zu vergraben/
Jetzt wehr dich, langsam kotzt es dich an, immer nur das Opfer verdammt/"
(Keno auf "Halb so wild")
Solche Themen wurden glücklicherweise schon weit professioneller und somit eindringlicher und empathischer erörtert. Überhaupt sind die Jungs lieber cool, feiern Partys und trinken Spirituosen oder Gerstensäfte, anstatt eine Lehre auf der Bank zu machen und vor 12 Uhr Mittags aufzustehen. Man kann aber getrost behaupten, dass die vermeintlich harte Faust der Revolution sich nach näherem Betrachten eher als zahmes Tätzchen spätpubertärem Auflehnens entlarven lässt. So wird von sich aus festgestellt: "Rechnungen liegen rum, werden zu Mahnungen" (Fatoni auf "Rechnungen"). Eventuell gibt es sogar eine Korrelation zwischen den beiden Sachverhalten der Rebellion und des finanziellen Notstandes; das nur am Rande. Letztendlich ist es nichts anderes als die Schilderung eines ganz normalen Lebens unter dem Deckmantel von "Mittelstandspunks". Und genau das macht das ganze Album an vielen Stellen sehr langweilig. Wenn ich schon gezwungen werde, mein standardisiertes 08/15-Leben nochmals akustisch Revue passieren zu lassen, dann entweder so, dass ich herzhaft lachen kann oder so, dass es mich irgendwie weiter bringt. Beides ist bei mir hier nicht der Fall, was folgendes Zitat bestätigen soll:
"Gekifft, geklaut, gesoffen, gepöbelt/
Wir waren jung, wir waren cool und weiß Gott was für Vögel/
Und sorry Ma, ich war bestimmt ein schwieriges Kind/
Und kann auch nicht behaupten, dass ich heute ein sehr leichter Junge bin/"
(Fatoni auf "Back")
Nichtsdestotrotz muss man fair bleiben. Für den einen oder anderen Liveabriss reichen die größtenteils stark nach vorne bretternden Songs allemal und auch wer gerne Musik von "ganz normalen Jungs" hört, wird hier auf seine Kosten kommen können. Obwohl ich Creme Fresh mit diesem Vergleich sicher keinen Gefallen tue, kann jeder Blumentopf-Anhänger ohne Weiteres "Organisiertes Zerbrechen" eine Chance geben – vorausgesetzt es wird nicht ganz das hohe Niveau des Augenzwinkerhumors der Münchner Platzhirsche erwartet. Auch wenn es Bustla und vor allem den MCs Keno und Fatoni nicht passt: So weit hergeholt, wie sie vielleicht gerne hätten, ist der Bandvergleich eben nicht und gerade thematisch bedarf es nochmals einigem Einfallsreichtum, gepaart mit intelligentem Wortwitz, um sich vom "großen Bruder" aus München vollständig emanzipieren zu können.
Benni Wannenmacher (Phukkin)
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