"Ein ordentliches Magazin braucht auch einen ordentlichen Jahresrückblick!" – diesen Leitspruch haben wir seit Bestehen des rappers.in-Mags jährlich kichernd im Nacken sitzen, während es von Tag zu Tag schneller auf Weihnachten zugeht und wir mit so wichtigen Dingen wie Glühwein, Plätzchen und Geschenken eigentlich eh schon vollauf beschäftigt sind. Bereits letztes Jahr haben wir darum versucht, uns ein bisschen vor ellenlangen Jahresrückblicken zu drücken und diese Aufgabe lieber den Kollegen (von welchen Webseiten und Magazinen auch immer) überlassen. Stattdessen haben wir unseren Lesern damals einen kurzen Einblick in das "HipHop-Jahr der Redaktion" gegeben und im Endeffekt dann die rappers.in-User noch einmal zu deren Meinung befragt. Doch wir wären nicht die rappers.in-Redaktion, wenn wir dies nun im zweiten Jahr als Tradition festigen und noch einmal wiederholen würden. Wir haben uns dieses Jahr lieber etwas Neues ausgedacht, was es unseres Wissens nach so bisher noch nicht gab: den rappers.in-Adventskalender. Denn statt ewigem "die Labels starben, die Verkaufszahlen gingen zurück und XYZ machte in unseren Augen das beste Album" wollten wir euch mal die andere Sichtweise aufzeigen – die der Künstler. Und teilweise auch die der Labelbosse. Und ganz teilweise auch die der Promoter und Journalisten. Wie sehen sie 2009 im Rückblick? Was hat sich für sie gravierend verändert, was hat sie besonders erstaunt? Und was waren denn nun aus Künstlers Sicht die besten drei Alben des Jahres?! In über 30 Interviews haben wir dieses Jahr für euch einen Jahresrückblick der anderen Art zusammengetragen und wünschen euch in diesem Sinne eine schöne Weihnachtszeit.
Türchen #03 Beathoavenz (MySpace)
rappers.in: Schon wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Was war 2009 für euch DER "Deutschrap-Moment" und was gerade daran das Besondere?
Beathoavenz: Die Schließung von Aggro Berlin, die Loslösung ihrer Künstler und die neuen Parteien, die entstanden sind mit der Versöhnung und Zusammenarbeit von Fler und Bushido. Das war wahrscheinlich DER Deutschrap-Moment. Viele Dinge diesbezüglich waren schon vorauszusehen, aber wenn es dann tatsächlich eintritt, überrascht es einen schon. Wahrscheinlich war es für alle Beteiligten der beste Weg. Für den deutschen HipHop ist es wahrscheinlich der Anfang vom Ende.
rappers.in: 365 Tage sind keine Ewigkeit und doch war auch dieses Jahr wieder einiges los. Was war in euren Augen die wichtigste Veränderung innerhalb der Szene?
Beathoavenz: Ein ganz großes Kräftemessen ist weggefallen. Aggro gegen EGJ. Das gibt es alles nicht mehr. Fler ist mit Bushido, Sido und seine Jungs, Die Sekte – sind zwar jetzt auch zwei Parteien, die sich nicht riechen können, aber das große Kräftemessen, das Battlen, was ein wichtiger Motor und ein wichtiges Element im HipHop ist, wird es so nicht mehr geben. Deutscher HipHop neigt sich dem Ende zu, wenn nichts passiert. Du hast die JUICE und die HipHop-BRAVO und dort findet die deutsche Rapszene statt. Leute, die alle maximal 5.000 bis 8.000 Platten verkaufen, wenn's hoch kommt. Das ist zur Zeit deutscher HipHop und wir glauben, deutscher HipHop wurde noch nie so belächelt wie in der jetzigen Zeit. Außer Sido und Bushido, die eh im Mainstream angekommen sind, verdient kaum einer gutes Geld.
rappers.in: Auch Überraschungen gab es wieder einmal mehr als reichlich! Mit was – oder vielleicht auch wem – hättet ihr in Bezug auf deutschen Rap so Anfang Januar noch auf keinen Fall gerechnet?
Beathoavenz: Es gibt keinen, der dieses Jahr durch die Decke geschossen ist. Keiner hat uns überrascht, keiner hat irgendetwas in Bewegung gesetzt, irgendetwas Neues geschmiedet. Keiner hat deutschen Rap wiederbelebt. Überraschungen gab es einige in der Musik, aber nicht im Deutschrap. Deutscher HipHop ist weiterhin nur JUICE-Thema. Ein Magazin mit 50.000er Auflage in einem Land von circa 80 Millionen Einwohnern und Künstlern, die kaum was verkaufen.
rappers.in: Überraschen konnte sicher auch das ein oder andere Outfit oder Accessoire... Welcher Modetrend ist für euch typisch Deutschrap '09?
Beathoavenz: Modetrend im deutschen HipHop? Das gab es noch nie... Wir wollen nicht durchweg negativ wirken, aber dass Deutschrap modisch irgendetwas jemals ausgelöst hat, ist uns unbekannt.
rappers.in: Zumindest einem Trend 2009 konnte wohl so gut wie jeder etwas abgewinnen: Comeback. Einige der ganz Großen haben sich zurückgemeldet. Welcher Wiedereinstand war für euch der gelungenste und wieso?
Beathoavenz: Wir hoffen, dass ihr Leute wie Peter Fox oder Jan Delay nicht als Deutschrap kategorisiert, damit wir hier auch nicht was Falsches quatschen. (grinst) Samys Mucke war 'n Flop, Curse' Versuch gescheitert. Wen gibt's denn noch, mal kurz überlegen... "Einige der ganz Großen", hmm... Bushido und Fler vielleicht?! War auch ein Flop... Sorry, uns fällt leider keiner ein.
rappers.in: Ob nun alter Hase oder doch Newcomer: In der Haut welcher Persönlichkeit der deutschen Rapszene hättet ihr denn 2009 gerne mal für ein Jahr gesteckt und warum?
Beathoavenz: In keiner Haut einer Persönlichkeit der deutschen Rapszene hätten wir gerne gesteckt. Die einzige Haut, die musikalisch 2009 Spaß gemacht hätte, ist die von Peter Fox. Der hat nämlich eine Million Platten verkauft und das macht wirklich Spaß. Aber das hat nichts mit Deutschrap zu tun.
rappers.in: Von wem kamen eurer Meinung nach die Zeilen des Jahres? Und welche waren das?
Beathoavenz: "Hey, das geht ab, wir feiern die ganze Nacht, die ganze..." von Frauenarzt & Manny Marc.
rappers.in: Überzeugende Lines alleine ergeben aber ja noch kein überzeugendes Album. Zu guter Letzt nennt uns doch bitte noch eure persönliche Top3 2009 erschienener Deutschrap-Platten mit je einer knappen Begründung!
Beathoavenz: Sido – "Aggro Berlin". Sido halt. Bester deutscher HipHop-Künstler. Finden das neue Album jetzt nicht durchweg hammer, aber im Deutschrap kommt keiner an ihn ran. Super erste Single und bestes Deutschrap-Album 2009. Sonst hat uns nichts gefallen.
(Florence Bader)
